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Kroatien Perković Auslieferung

Nenad Kreizer / Siniša Bogdanić9. Januar 2014

Der ehemalige kroatische Geheimdienstchef Josip Perković darf an Deutschland ausgeliefert werden, wo er unter Mordverdacht steht. Das rechtliche Tauziehen um den Fall ist damit allerdings noch nicht beendet.

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Foto von Josip Perkovic im April 2012 (Foto: epa)
Josip Perković wurde Anfang Januar in Zagreb für zwei Tage festgenommenBild: picture-alliance/dpa

Die Entscheidung des Gerichts in Zagreb, das am Mittwoch (08.01.2014) in erster Instanz Grünes Licht für die Auslieferung Perkovićs an Deutschland gegeben hat, wurde in Kroatien relativ ruhig aufgenommen. Weder die Regierung noch das Büro des Präsidenten wollten die Entscheidung kommentieren, ebenso wenig die regierende Sozialdemokratische Partei von Ministerpräsident Zoran Milanović als auch die größte Oppositionspartei, die national-konservative HDZ.

Auch die EU wollte am Mittwoch nicht zur die Entscheidung in Zagreb im Fall Perković Stellung beziehen. Dabei erhöhte gerade die Europäische Kommission im Herbst vergangenen Jahres den Druck auf Kroatien mit der Aufforderung, die unterschriebenen Verpflichtungen zu achten und dem Auslieferungsgesuch der deutschen Justiz nachzukommen. Es wurde indirekt sogar mit Sanktionen gedroht, falls die kroatische Regierung nicht einlenke.

"Leichen im Keller"

Die Bundesrepublik wirft dem früheren Geheimdienstler eine Mittäterschaft bei der Ermordung des kroatischen Dissidenten und früheren Managers eines großen Erdöl-Unternehmens Stjepan Đureković 1983 im bayerischen Wolfratshausen vor. Zu dieser Zeit war Perković ein hochrangiger Offizier des jugoslawischen Dienstes für staatliche Sicherheit (Uprava drzavne sigurnosti, kurz UDBA). Die Geheimpolizei der kommunistischen Machthaber war ständig auf der Jagd nach sogenannten inneren Feinden Jugoslawiens und politisch aktiven Emigranten. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verlangt seit 2009 die Auslieferung des ehemaligen Geheimdienstlers. Bisher ist das nicht passiert: Perković lebt unbehelligt in einem Zagreber Nobel-Viertel. Viele Beobachter im Ausland fragen sich, warum Kroatien mutmaßliche Kriminelle schützt.

Eine mögliche Erklärung liefert der Zagreber Enthüllungsjournalist Željko Peratović. Er glaubt, dass Perković nach einer Auslieferung unbequeme Geheimnisse über kroatische Politiker und die verdeckten Aktionen der kroatischen und jugoslawischen Geheimdienste verraten könnte. Er soll angeblich in den 90er Jahren sehr enge Beziehungen zum früheren Präsidenten Franjo Tuđman gepflegt haben. Nachdem Kroatien 1991 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, war ausgerechnet Perković dafür zuständig, den Geheimdienst des jungen Staates aufzubauen und zu führen. Heute sei er immer noch gut vernetzt mit ranghohen Politikern, gibt Enthüllungsjournalist Peratović zu bedenken.

Der Anwalt Anto Nobilo gibt Journalisten in Zagreb Auskunft (Foto: Boris Scitar)
Anwalt Anto Nobilo will die Auslieferung von Perković nach Deutschland verhindernBild: picture alliance/PIXSELL

In die nächsten Instanzen

So könnte das Urteil Zagreb nicht das letzte gewesen sein: Perkovićs Anwalt Anto Nobilo kündigte sofort nach der Verkündigung der Richter an, dass sein Mandant eine Beschwerde vor dem Obersten Gerichtshof Kroatiens einlegen werde. Das Gericht hat nun drei Tage Zeit für ein Urteil. Für den Fall, dass auch in dieser Instanz die Entscheidung über die Auslieferung bestätig wird, versprach Nobilo vorsorglich bereits eine weitere Beschwerde: vor dem kroatischen Verfassungsgericht.

Perkovićs Anwalt, in Kroatien einer der bekanntesten Strafverteidiger, behauptet, dass sein Mandant gar nicht an Deutschland ausgeliefert werden darf. Seine Argumentation: Für die Tat, die ihm in Deutschland vorgeworfen wird, ist in Kroatien die Verjährungsfrist schon abgelaufen. Gleichzeitig drückte Nobilo zum wiederholten Mal seine Befürchtungen aus, seinen Mandanten erwarte in Deutschland "kein fairer Prozess".

Perković auf einer Straße in Zagreb (Foto: Marko Lukunic)
Perković lebt unbehelligt in einem noblen Stadtteil von ZagrebBild: picture alliance/PIXSELL

"Kein fairer Prozess" in Deutschland

Im Gespräch mit Deutsche Welle erläutert Nobilo seine Zweifel an der deutschen Justiz. "Ich persönlich schätze die deutsche Justiz sehr. Aber was im Prozess gegen Krunoslav Prates passierte, kann man nicht als fair bezeichnen." Der Jurist spielt auch das Verfahren an, das zwischen 2006 und 2008 in München geführt wurde. Vor dem Oberlandesgericht wurde der kroatische Emigrant Krunoslav Prats wegen Mittäterschaft im Mord an Stjepan Đureković zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Josip Perković wurde in der Urteilsbegründung als Organisator bezeichnet..

Nobilo begründet seine Zweifel mit dem Hauptzeugen: Auch Vinko Sindičić war ein UDBA-Agent. Und wurde bereits wegen versuchten Mordes an einem anderen kroatischen Exilpolitiker in Großbritannien verurteilt, dort saß er dafür sieben Jahre lang im Gefängnis. Und weiterer Zeuge der Anklage, Bože Vukušić, wurde sogar in Deutschland wegen Anstiftung zum Mord zu sieben Jahre Haft verurteilt. Der Richter in dem Prozess gegen Prates, Bernd von Heintschel-Heinegg, verteidigte neulich im Gespräch mit der DW seine Entscheidung: Sindičić sei ein wichtiger Zeuge gewesen, von der Wahrhaftigkeit seiner Aussage sei er überzeugt gewesen.

Dass es um mehr als seinen Fall gehe, behauptete laut kroatischen Medien auch Perković vor Gericht: Die deutschen Behörden seien eigentlich an den Vorgängen im Jugoslawischen Krieg interessiert - und hier besonders an den illegalen Waffentransporten nach Kroatien während des UN-Embargos. Schon deshalb dürfe er nicht ausgeliefert werden, schließlich gehe es hier um die Interessen Kroatiens.

Porträtfoto des Richters Bernd von Heintschel-Heinegg (Foto: Thomas von Heintschel-Heinegg)
Richter Bernd von Heintschel-Heinegg möchte Perković vor einem deutschen Gericht sehenBild: Thomas von Heintschel-Heinegg

Prozess doch noch in Kroatien?

Dass der Oberste Gerichtshof dem Urteil der Hauptstadt-Richter folgt, ist nicht gesagt; in ähnlichen Fällen entschied es in der Vergangenheit auch gegen eine Auslieferung kroatischer Bürger an andere Staaten. Und auch die Regierung schien zuletzt entsprechende Weichen stellen zu wollen, zumindest interpretierte es so die Öffentlichkeit. So brachte Zagreb eine Verfassungsreform auf den Wege, die die Änderung von Verjährungsfristen möglich machen soll.

Auch der ehemalige Richter am Oberlandesgericht in München, Bernd von Heintschel-Heinegg, glaubt, dass die kroatischen Behörden "ein Interesse daran haben, das Verfahren Perković zumindest in Kroatien zu führen". Eine weitere Möglichkeit wäre laut Heintschel-Heinegg ein Prozess in Deutschland und die Vollstreckung eines möglichen Urteils in Kroatien.