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Heintschel-Heinegg: "Kroatien war nicht sehr hilfreich"

Nenad Kreizer 4. Januar 2014

Deutschland fordert die Auslieferung des kroatischen Ex-Geheimdienstchefs Josip Perković wegen eines Mordes in Bayern. Der ehemalige Richter Bernd von Heintschel-Heinegg erklärt die Hintergründe.

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Porträt des ehemaligen Richters Bernd von Heintschel-Heinegg (Foto: Thomas von Heintschel-Heinegg)
Bild: Thomas von Heintschel-Heinegg

DW: Der kroatische Ex-Geheimdienstgeneral Josip Perković ist an Neujahr in Zagreb verhaftet worden, wurde dann aber wieder freigelassen. Perković wird verdächtigt, an der Ermordung eines kroatischen Dissidenten in Bayern im Jahr 1983 beteiligt gewesen zu sein. Ausschlaggebend für diesen Fall ist der Prozess gegen einen anderen Ex-Geheimdienstler, Krunoslav Prates, bei dem Sie Vorsitzender Richter waren. Prates wurde wegen Mittäterschaft an diesem Mord zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch nach dem Prozess vertraten viele Medien die Meinung, dass die Hauptschuldigen noch auf freiem Fuß seien. Haben Sie Perković damals nur als Zeugen im Prozess wahrgenommen oder als möglichen Mittäter?

Bernd von Heintschel-Heinegg: Wir waren am Ende der Hauptverhandlung davon überzeugt, dass Perković Mittäter des Anschlags auf den Exil-Kroaten Stjepan Djureković war. Perković war derjenige, der das Kommando gegeben hat und der alles in der Hand hatte. Es war aber nicht so, dass er ein eigenes Interesse an der Tat hatte, sondern die Tat wurde eingefädelt von ganz weit oben. Was im Einzelnen mit der damaligen jugoslawischen Regierung gelaufen ist, ist uns allerdings nicht bekannt.

Der Hauptzeuge im Prozess gegen Prates war Vinko Sindičić. Viele Beobachter in Deutschland und Kroatien hatten Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit wegen seiner Rolle in den dunklen Machenschaften der Geheimdienste und auch wegen seines Verhaltens vor und nach dem Prozess. Er wurde nachher noch einmal in Deutschland verhaftet. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die Person Sindičić?

Vinko Sindičić war ein wichtiger Zeuge. Wir waren davon überzeugt, dass er in Bezug auf den Mord an Djureković die Wahrheit gesagt hat. Es trifft aber zu, dass er als Geheimdienstmitarbeiter auch einige Rechnungen offen hatte. Aber damit haben wir uns auseinandergesetzt und uns natürlich auch mit der Frage befasst: Bestehen denn nun Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage? Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angaben, die er bei uns gemacht hat, korrekt waren.

Sie haben nach diesem Prozess in München (2006-2008) der ganzen kroatischen Staatsführung eine mangelnde Bereitschaft zur Kooperation vorgeworfen. Damals war Kroatien noch nicht EU-Mitglied. Doch auch die jetzige Regierung hat einiges unternommen, um Perković nicht auszuliefern: Der Fall hat zu Verstimmungen zwischen Zagreb und Brüssel geführt, weil das kroatische Parlament unmittelbar vor dem EU-Beitritt ein Gesetz verabschiedete, das die Auslieferung mutmaßlicher Verbrecher an andere EU-Staaten verbietet, wenn diese ihre Taten vor 2002 verübt hatten. Erst nach massivem Druck aus Brüssel änderte Kroatien dieses Gesetz - somit ist eine Auslieferung Perkovićs erst jetzt möglich. Wie beurteilen Sie das Verhalten kroatischer Behörden damals und heute?

Wir hatten im Zuge der Hauptverhandlung mehrere Zeugen aus Kroatien in München und haben nach den Vernehmungen erfahren, dass sie anschließend Schwierigkeiten hatten wegen ihrer Teilnahme am Prozess - zum Beispiel im Beruf. Nach Abschluss des Verfahrens habe ich mich an die europäischen Behörden gewendet, um zu sagen: Die Zusammenarbeit, wie wir sie erlebt haben, entspricht nicht den Standards, die wir erwarten, wenn Kroatien Mitglied der EU wird. Was jetzt konkret in den vergangenen Monaten gelaufen ist, kann ich nur der Presse entnehmen. Es sind ja jetzt Bemühungen im Gange. Aber damals hatten wir den Eindruck, dass der kroatischen Regierung nicht daran gelegen war, die Sache vollständig aufzuklären.

Der kroatische Ex-Geheimdienstchef Josip Perkovic (Foto: EPA)
In Zagreb verhaftet: Josip PerkovicBild: picture-alliance/dpa

In Deutschland und in Kroatien gelten unterschiedliche Verjährungsfristen. Wie schätzen Sie als Jurist die Chancen ein, dass Perković überhaupt ausgeliefert wird?

Da bin ich überfragt, weil ich die Rechtslage in Kroatien nicht kenne. In Deutschland verjährt Mord nicht, deswegen besteht auch dieser europäische Haftbefehl. Es zeigt sich, dass die kroatischen Behörden doch ein Interesse daran haben, dass das Verfahren Perković zumindest in Kroatien geführt wird. Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass er sich dem Verfahren in Deutschland stellt und - für den Fall, dass es zu einer Verurteilung kommt - die Strafe dann in Kroatien vollstreckt wird.

Sie befanden sich beim Prates-Prozess auf einem neuem Terrain, die deutsche Öffentlichkeit wusste damals und weiß auch heute nicht besonders viel über Morde an Exil-Kroaten, die in der Bundesrepublik begangen wurden. Haben Sie sich als jemand gesehen, der Pionierarbeit leistet?

Es war unsere Aufgabe, den Sachverhalt aufzuklären. Nach der Anklageschrift war der Mord an Djureković in die Anschläge einzureihen, die auf die übrigen Exil-Kroaten in Süddeutschland verübt wurden. Und erst im Zuge der Hauptverhandlung stellte sich heraus, dass man seitens der Regierung in Jugoslawien genau diesen Anschein erwecken wollte. Aber tatsächlich ging es hier nicht so sehr um die politischen Aktivitäten von Djureković, sondern um eine persönliche Rechnung, die der damalige jugoslawische Ministerpräsident begleichen wollte. Zumindest wollte er Djureković mundtot machen, damit er keine Angaben macht.

Mit anderen Worten: Djureković wurde nicht ermordet, weil er politisch aktiv war, sondern weil er einfach zu viel wusste?

Das kann ich jetzt nicht sagen, vielleicht war es auch beides. Aber aus unserer Sicht war der Hauptauslöser, dass Djureković Interna kannte und man seitens der Regierung nicht wollte, dass diese nach außen dringen.

Bernd von Heintschel-Heinegg war Vorsitzender Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht in München. Er ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Regensburg und arbeitet seit 2010 als Rechtsanwalt.

Das Gespräch führte Nenad Kreizer.