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Kommentar: Hinrichtung schafft einen Märtyrer

Grahame Lucas (gh)13. Dezember 2013

Die Hinrichtung eines zum Tode verurteilten Kriegsverbrechers in Bangladesch hat heftige Kritik ausgelöst. Prozess und Urteil sind fragwürdig und lassen Respekt vor Rechtstaatlichkeit missen, meint Grahame Lucas.

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Grahame Lucas, Leiter der Bengali-Redaktion der Deutschen Welle. (Foto: DW)
Grahame Lucas, Leiter der Bengali-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Die Hinrichtung von Abdul Qader Molla, dem Führer der islamistischen Partei Jammat-e-Islami, wird eine große Menge Menschen in Bangladesch zufrieden stellen, die einen Schlussstrich unter ein blutiges Kapitel in der Geschichte ihres Landes ziehen wollen. Sie wollen, dass die Täter für die Gräueltaten bestraft werden, die sie im Unabhängigkeitskrieg 1971 begangen haben. Wenn man an die Millionen Menschen denkt, die damals ihr Leben verloren hatten und an die schätzungsweise 200.000 vergewaltigten Frauen - dann ist dieser Wunsch sehr gut nachvollziehbar.

Aber es kann kaum Zweifel daran geben, dass der Prozess vor dem sogenannten Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunal (ICT) sehr fragwürdig war. Die Opposition vermutet, dass er von Anfang an politisch motiviert und auf die Wünsche von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina zugeschnitten war. Deren Absicht sei, sich an der islamistischen Bewegung zu rächen und den jahrzehntelangen Konflikt zwischen beiden größten Parteien - ihrer eigenen Awami-Liga und der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) - zu beenden. Nach Ansicht von Hasinas Gegnern seien Molla und den anderen Mitangeklagten ein faires Verfahren und die Möglichkeit, sich selbst nach internationalen Standards zu verteidigen, verweigert worden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und die Vereinten Nationen teilen diese Einschätzung.

Die Kritik konzentriert sich auf verschiedene Aspekte des Verfahrens. Zum Beispiel gab es von Anfang an berechtigte Zweifel an den Zeugenaussagen zu Ereignissen, die schon mehr als 40 Jahre zurückliegen. Die Hauptkritik jedoch liegt im Strafprozess an sich. Ursprünglich war Molla schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Fall schien abgeschlossen zu sein.

Gegen das Urteil konnte die Staatsanwaltschaft keine Berufung einlegen, das wäre zum damaligen Zeitpunkt nur im Falle eines Freispruchs möglich gewesen. Der weitere Verlauf zeigt aber, dass die Regierung bereit war, auf die Massenproteste zu reagieren und alles zu tun, um die Todesurteile zu erreichen - sogar die Gesetze zu manipulieren.

Zunächst wurde die Verfassung dahingehend verändert, dass sie im Zusammenhang mit den Kriegsverbrecherprozessen rückwirkend eine Änderung der Gesetze zulässt. Dann wurde das entsprechende Gesetz über das Kriegsverbrecher-Tribunal so geändert, dass es bei einer Verurteilung zu lebenslanger Haft ein Berufungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft zulässt. Wegen des intensiven Drucks der Regierung und der Massenproteste ließ das Oberste Gericht eine Wiederaufnahme des Falls Molla zu - und verurteilte ihn im vergangenen September zum Tode.

Doch die Anstrengungen Sheikh Hasinas, ihr Wahlkampfversprechen von 2009 zu erfüllen, gingen noch weiter. In der Vergangenheit hatten die Gerichte von Bangladesch immer eine Revision zugelassen, wenn die Todesstrafe verhängt worden war. In diesem Fall jedoch argumentierte der Generalstaatsanwalt - ein enger politischer Verbündeter der Ministerpräsidentin - dass alle rechtlichen Maßnahmen für die Verteidigung ausgeschöpft seien. Molla wurde das Recht auf Berufung verweigert, obwohl es ihm nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) der Vereinten Nationen zusteht. Das Gericht ließ kurz vor dem geplanten Vollstreckungstermin zwar eine kurze Anhörung zu, wies die Berufung dann aber zurück. Mollah wurde hingerichtet - nur kurze Zeit vor den auf 5. Januar angesetzten Parlamentswahlen.

Die Opposition und ihre Verbündeten, die religiöse Rechte kritisierten das Gerichtsurteil und die Einmischung der Regierung scharf. Auch Deutschland und andere europäische Länder, die die Todesstrafe als grausame und inhumane Strafverfolgung ansehen, waren alarmiert. Regierungsanhänger in Bangladesch werfen dagegen dem Westen vor, sich von der Opposition beeinflussen zu lassen. Die Botschaft ist klar: Der Westen soll sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Bangladesch einmischen - nicht zuletzt weil er 1971 die Verbrechen im Unabhängigkeitskrieg nicht verurteilt hatte.

Was sagt uns das Ganze über den Zustand des südasiatischen Landes? Ohne Zweifel haben das Verfahren und die Hinrichtung von Molla einen dunklen Schatten auf die liberale Tradition des Landes geworfen. Die Motivation, ein sogenanntes Kriegsverbrecher-Tribunal einzurichten, erschien ehrenhaft. Es wurde argumentiert, das es höchste Zeit sei, ein dunkles Kapitel in der Vergangenheit des Landes zu schließen, alte Wunden zu heilen und längst überfällige Gerechtigkeit herzustellen.

Doch ein Verfahren unter diesen Umständen, das mit der übereilten Vollstreckung der Todesstrafe ohne Rücksicht auf die Rechte des Angeklagten endete, wird nicht dazu beitragen können. Es zeigt vielmehr, dass Demokratie und Rechtsstaat falsch verstanden werden. Mehr noch. Beide Parteien werden weiterhin die Justiz zu ihren Gunsten manipulieren, wenn sie an die Macht kommen. Das macht Molla zu einem Märtyrer der Islamisten und eröffnet somit ein neues dunkles Kapitel in der Geschichte Bangladeschs.