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Bangladesch hängt Kriegsverbrecher

Ana Lehmann13. Dezember 2013

In Bangladesch ist der erste zum Tode verurteilte Kriegsverbrecher hingerichtet worden. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Justiz-Verfahren. Sie warnen vor weiterer Instabilität vor den Wahlen.

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Abdul Quader Mollah (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Er war verhasst, bis heute, mehr als 42 Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg des heutigen Bangladesch von Pakistan. Abdul Qader Molla, auch "Schlächter von Mirpur" genannt, soll damals in dem Vorort der Hauptstadt Dhaka rund 350 unbewaffnete Zivilisten brutal getötet haben. Der hochrangige Politiker der Islamistischen Partei Jamaat e Islami (JI) befehligte paramilitärische Gruppen, die eine Abspaltung der damaligen Provinz Ostpakistan verhindern wollten. Sie terrorisierten die Zivilbevölkerung mit gezielten Hinrichtungen, Mord, Folter und Vergewaltigungen. Rund drei Millionen Menschen kamen laut Regierungsangaben in dem neunmonatigen Unabhängigkeitskrieg 1971 ums Leben.

Abdul Qader Molla hätte eigentlich bereits am Mittwoch (11.12.2013) für seine Kriegsverbrechen hingerichtet werden sollen. Seinen Versuch, im letzten Moment Berufung gegen das Todesurteil einzulegen, lehnte das Oberste Gericht ab. Am Donnerstag wurde er dann in einem Gefängnis der Hauptstadt Dhaka gehängt.

Menschen halten Kerzen auf einem Marsch durch die Hauptstadt Dhaka (Foto: Reuters)
Menschen feiern die Entscheidung des Obersten Gerichts, den Berufungsantrag Mollas abzulehnenBild: Reuters

"Schwerwiegende Konsequenzen"

Molla ist der erste Verurteilte, der wegen Verbrechen im Unabhängigkeitskrieg Bangladeschs hingerichtet wurde. Die islamistische Partei Jamaat e Islami hatte für den Fall seiner Hinrichtung mit" schwerwiegenden Konsequenzen" gedroht. "Damit ist eine massive Präsenz in den Straßen gemeint, Blockaden, Lahmlegung des Verkehrs, handgefertigte Bomben, Angriffe auf Sicherheitskräfte", erklärt Jasmin Lorch, Bangladesch-Expertin beim GIGA Institut für Asien-Studien. "Unter den Jamaat e Islami - Anhängern und den Mitgliedern des Studentenflügels der Partei finden sich viele gewaltbereite junge Männer. Es ist mit gewaltsamen Ausschreitungen zu rechnen."

Menschenrechtsorganisationen reagierten mit scharfer Kritik auf die Hinrichtung. "Wir lehnen die Todesstrafe unter allen Umständen ab", sagt Abbas Faiz von Amnesty International. Brad Adams, Direktor von Human Rights Watch, hält die Hinrichtung in der gegenwärtigen Lage für unverantwortlich: "Das Todesurteil hat bereits zu schweren Protesten und Gewalt geführt. Eine Hinrichtung in einem so kontroversen Fall und in einer politisch so aufgeladenen Situation vor den Wahlen wird zu einer großen Zahl von Toten und Verletzten führen. Die Regierung und die Anführer der Proteste sollten alle möglichen Schritte unternehmen, um Gewalt zu vermeiden."

Kritik am Verfahren

Ein Sondergericht, das von der Regierungspartei Awami Liga eingerichtete Kriegsverbrechertribunal, hatte Molla Anfang des Jahres zunächst zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch das Urteil war in den Augen vieler säkular orientierter Menschen zu milde gewesen. Viele Anhänger der ebenso orientierten regierenden Awami Liga wandten sich enttäuscht von ihrer Partei ab. Es kam zu Massenprotesten. Tausende forderten am zentralen Shabag Platz in Dhaka die Todesstrafe für Abdul Qader Molla und einen säkularen Staat. Unter dem Druck der Öffentlichkeit verhängte der Oberste Gerichtshof daraufhin die Todesstrafe.

Die oppositionelle Bangladesh Nationalist Party (BNP) und ihre islamistischen Verbündeten (JI) reagierten wütend. Sie warfen der Justiz vor, die Todesurteile seien politisch motiviert. Tatsächlich deute die Folge der Ereignisse darauf hin, dass es politischen Einfluss durch die Regierung gab, sagt Jasmin Lorch: "Das Urteil war gefällt, es gab dann eine öffentliche Bewegung, die die Todesstrafe verlangte, und daraufhin wurde das Urteil umgewandelt. Wäre die Justiz vollständig unabhängig, dürfte es natürlich nicht sein, dass ein Urteil aufgrund von politischem Druck geändert wird." Auch Internationale Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen kritisierten das Verfahren der Justiz in diesem Fall.

Polizisten vor dem Gefängnis in Dhaka (Foto: Getty Images)
Sicherheitskräfte bewachen das Gefängnis in Dhaka während der HinrichtungBild: Munir Uz Zaman/AFP/Getty Images

Viele Beobachter glauben nun, dass die Regierung mit der Hinrichtung Punkte sammeln will vor den für Anfang Januar geplanten Parlamentswahlen. So auch Bangladesch-Expertin Lorch: "Die Awami Liga hat vermutlich die Hoffnung, dass sie mit dieser Exekution die Unterstützung der Wähler aus dem säkularen Lager zurückgewinnen kann, dem ursprünglich die Kriegsverbrecherprozesse nicht weit genug gingen."

Konflikte überlagern sich

In Bangladesch überlagert sich der Konflikt zwischen der säkularen und der islamistischen Strömung auf der einen Seite mit dem Konflikt zwischen der regierenden Awami-Liga und der größten Oppositionspartei, der Bangladesh Nationalist Party (BNP).

Islamisten protestieren in Dhaka
Islamisten demonstrierten in Dhaka im Zusammenhang mit dem KriegsverbrechertribunalBild: Munir Uz Zaman/AFP/Getty Images

Die zutiefst verfeindeten Führerinnen der führenden Parteien Awami Liga und die Bangladesch Nationalist Party (BNP) wechseln sich seit drei Jahrzehnten mit der Regierung in Bangladesch ab. Die Partei an der Macht marginalisiert die Opposition. Das Parlament ist blockiert und es gibt keinen sachlichen Austausch zwischen den Parteien. Die Monate vor den Wahlen sind geprägt vom Streit über die Einsetzung und die Zusammensetzung einer Übergangsregierung, die die Parlamentswahlen vorbereiten soll. Noch ist offen, wie und ob der Urnengang tatsächlich stattfinden wird. Doch die Atmosphäre ist aufgeladen mit Spannung. "Allein schon, wenn kein Kompromiss zwischen den beiden großen Parteien erreicht wird, stehen Bangladesch Straßenschlachten und immer weiter gehende politische Instabilität bevor. Wenn das aber nun zusammenfällt mit Unruhen wegen der Kriegsverbrecherprozesse, dann entsteht eine hochexplosive Situation", meint Jasmin Lorch vom GIGA –Institut für Asien-Studien.

Wenn die Polarisierung zwischen den Parteien oder auch zwischen säkularem und islamistischem Lager zunehme, so Lorch weiter, dann könnte dies die Armee zum Einschreiten bewegen. Nicht erst in dieser Situation sei die internationale Gemeinschaft gefordert: "Sie könnte eine wichtige Rolle spielen, indem sie auf Gespräche drängt zwischen den politischen Kräften, aber gleichzeitig auch signalisiert, dass man eine Intervention des Militärs, wie es sie 2007 bereits einmal gegeben hat, ablehnt."