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Bangladesch: Faire Wahlen trotz Boykotts der Opposition?

Zobaer Ahmed
6. Januar 2024

Die Wahlen in Bangladesch sind heftig umstritten, denn die wichtigste Oppositionspartei wird nicht teilnehmen. Trotzdem seien die Wahlen frei und fair, insistieren sowohl die Regierungspartei als auch die Wahlbehörde.

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Wahlplakat der Awami-Liga
Die regierende Awami-Liga wird voraussichtlich an der Macht bleibenBild: Adnan Abidi/REUTERS

Die Straßenränder und engen Gassen von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, sind voll mit Wahlplakaten der Awami-Liga und der anderen Parteien, die unter ihrer Führung die Regierung bilden. Sagarika Rani Das verteilt mit einem kleinen Team Wahlwerbung an die Menschen an den Teeständen und in den belebten Straßen. "Wir fordern die Menschen auf, in die Wahllokale zu kommen und ihre Stimme abzugeben", sagt die 35-jährige Anhängerin der Awami-Liga.

Am 7. Januar wählt Bangladesch zum zwölften Mal ein neues Parlament. Fast 2000 Kandidaten, die 28 Parteien angehören, bewerben sich um die 300 Parlamentssitze. Doch die Wähler werden sich nicht für einen Kandidaten der Bangladesh Nationalist Party (BNP), entscheiden können. Die größte Oppositionspartei des Landes hat beschlossen, die Wahlen zu boykottieren, nachdem die Awami-Liga die Forderung ablehnte, die Wahlen unter einer neutralen Übergangsregierung durchzuführen. In den Monaten vor der Wahl gingen die Behörden zudem hart gegen die Führung und die Anhänger der BNP vor.

Faire Wahlen trotz Wahlboykott?

Obwohl die wichtigste Oppositionspartei nicht zu den Wahlen antritt, beharren Premierministerin Sheikh Hasina und die Führungsriege ihrer Partei darauf, dass die Wahlen repräsentativ und partizipatorisch seien. Schließlich nähmen 28 der 44 registrierten Parteien an den Wahlen teil.

Straßenszene mit Wahlplakaten
Wahlplakate eines Kandidaten der Awami-Liga in DhakaBild: Adnan Abidi/REUTERS

Ein Blick auf die Ergebnisse früherer Wahlen zeigt jedoch, dass viele der kleineren Parteien keinen signifikanten Anteil der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten. Sie werden bei den Wahlen 2024 also vermutlich keine große Rolle spielen. Von den mehr als 400 unabhängigen Kandidaten wiederum sind etwa zwei Drittel eng mit der Awami-Liga verbunden, wie die auflagenstarke Tageszeitung Prothom Alo auf ihrer Wahlbeobachtungs-Website feststellt.

"Die Oppositionspartei muss an den Wahlen teilnehmen. Wenn sie das nicht tut, sind diese Wahlen nicht demokratisch", sagt Dewan Jubayer Islam, ein Wähler in Dhaka, im Gespräch mit der DW.

In den Jahren 2007 bis 2012 war M Sakhawat Hossain Wahlleiter. Seiner Meinung nach zeichnet sich eine echte partizipatorische Wahl dadurch aus, dass der Wahlsieg ungewiss ist. "Es wird so getan, als sei es eine partizipatorische Wahl, wenn die Menschen, wenn die Wähler teilnehmen. Doch das stimmt nicht", sagt er zur DW.  "Wenn es keinen Wettbewerb zwischen den Parteien gibt, wenn die Wahl nicht in diesem Sinne partizipatorisch ist, wenn nicht verschiedene Parteien teilnehmen, dann ist die Wahlbeteiligung immer niedrig, egal, was Sie versuchen."

Oppositionspartei will Wahlen nicht legitimieren

Bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2018 gab es zahlreiche Vorwürfe der Wahlmanipulation. Damals gewann ein Bündnis unter Führung der Awami-Liga 96 Prozent der Sitze im Parlament.

Diesmal behauptet die BNP, etwa 20.000 ihrer Mitglieder seien in den vergangenen Monaten unter falschen Anschuldigungen festgenommen worden. Proteste, bei denen zehntausende ihrer Anhänger auf die Straße gingen, arteten häufig in Gewalt aus.

Polizeiaufgebot
Die BNP beklagt sich, dass viele ihrer Mitglieder verhaftet wurdenBild: Samir Kumar Dey/DW

Khaleda Zia, die achtundsiebzigjährige Vorsitzende der BNP, steht gegenwärtig unter Hausarrest. Andere Führungspersönlichkeiten der Partei befinden sich in Haft oder im Exil. Ein weiterer Wahlsieg ist Sheikh Hasina also gewiss, sagen Beobachter.

"Diese Wahl ist keine Wahl, sie ist eine Fiktion", sagt Abdul Moin Khan, führendes Parteimitglied der BNP, zur DW. "Das Ergebnis der Wahl wurde in der Hauptstadt bereits festgelegt." Auf die Frage, warum die BNP sich für einen Wahlboykott entschieden habe, meint er, die Partei wolle "diese illegalen, absurden und lächerlichen Wahlen der Awami-Liga" nicht legitimieren. "Natürlich sind wir immer bereit, an wirklich freien, fairen und partizipatorischen Wahlen teilzunehmen", fügt er hinzu.

Fünfte Amtszeit für Sheikh Hasina

Sheikh Hasina gehört zu den dienstältesten Premiers der Welt. 1996 trat sie ihre erste Amtszeit als Premierministerin an. 2009 wurde sie wiedergewählt; seither ist sie an der Macht.

Im Wahlkampf warb sie mit den wirtschaftlichen Erfolgen, die sie während ihrer Amtszeit verwirklichen konnte. Dazu zählen Infrastrukturprojekte wie die U-Bahn in Dhaka, Autobahnen und die längste Brücke des Landes, die Padma-Brücke, die 2021 von ihr eingeweiht wurde.

Hasina inszeniert sich als Anführerin einer verarmten Nation, die danach strebt, zu einem Land mit mittlerem bis hohem Einkommen zu werden. Die extreme Armut hat sich während ihrer Regierungszeit deutlich verringert.

Premierministerin Sheikh Hasina
Sheikh Hasina bei einer Rede an die NationBild: Government of Bangladesh

Seit Juni 2022 hat sich die wirtschaftliche Situation des Landes jedoch verschlechtert. Schuld daran sind auch die anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie und Russlands Krieg in der Ukraine. Doch auch das Missmanagement im Finanzsektor hat einen Anteil.

In ihrem Wahlprogramm legt die Awami-Liga den Schwerpunkt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda bildet ein Bekenntnis zur sozialen Sicherheit und verantwortungsvollen Regierungsführung. Übergreifendes Ziel ist es, bis 2041 ein "intelligentes Bangladesch" zu schaffen.

"Wenn das Land in der Lage ist, den Menschen Möglichkeiten zu bieten, dann ist das einer der wesentlichen Bestandteile einer Demokratie", sagt Mashiur Rahman, ein ehemaliger Berater von Sheikh Hasina, zur DW.

Trotz der wirtschaftlichen Erfolge, die Hasina und die Awami-Liga für sich verzeichnen können, wird das Bild getrübt durch die Sorge um demokratische Rückschritte und die Unterdrückung der politischen Opposition.

"Wir mögen glauben, dass wir eine Demokratie haben, wenn sich viele Personen um ein Mandat bewerben und die Parteien, die an der Macht sind, wechseln", meint Rahman. "Ich würde nicht sagen, das ist falsch, aber ich bin da etwas skeptisch. Wenn Sie eine radikale gesellschaftliche Umgestaltung anstreben, zählt nicht der Machtwechsel sondern die Stabilität."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.