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Bangladesch vor einer weiteren "einseitigen" Wahl?

Arafatul Islam
18. Dezember 2023

Die wichtigste Oppositionspartei in Bangladesch will die bevorstehenden Wahlen boykottieren. In den letzten Wochen wurden Tausende von Oppositionellen verhaftet.

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Bangladesch Dhaka Polizei und BGB  vor Wahlkommission
Die Polizei in Bangladesch hat zahlreiche Oppositionelle verhaftetBild: Mortuza Rashed/DW

Die regierende Awami-Liga unter Premierministerin Hasina wird voraussichtlich für eine weitere Amtszeit an der Macht bleiben. Die wichtigste Oppositionspartei Bangladeschs, die Bangladesch Nationalist Party (BNP), hat zusammen mit mehreren anderen Parteien beschlossen, die Parlamentswahlen am 7. Januar zu boykottieren.

Die gemäßigte BNP war die einzige Partei, die eine realistische Herausforderung für Hasinas vierte Amtszeit in Folge darstellen konnte. Die Partei erklärt, dass ihre gesamte Führung sowie Tausende von Aktivisten in den letzten fünf Wochen in einer beispiellosen Repressionsaktion verhaftet wurden. Die Verhaftungswelle habe nach einer großen BNP-Kundgebung am 28. Oktober in der Hauptstadt Dhaka ihren Anfang genommen.

Die Polizei gibt an, dass seit der Kundgebung sechs Menschen, darunter ein Polizist, bei Unruhen getötet worden seien. Die BNP und andere Oppositionsparteien behaupten jedoch, dass in den letzten Wochen etwa 20 Aktivisten getötet wurden.

Kayser Kamal, der Sekretär für Rechtsangelegenheiten in der BNP, sagte laut der Nachrichtenagentur AFP, dass fünf Menschen in Polizeigewahrsam gestorben seien, nachdem sie in einer landesweiten Razzia festgenommen wurden. Gefängnisbeamte behaupteten, die Häftlinge seien "eines natürlichen Todes gestorben" und widersprachen den Behauptungen der BNP, dass Häftlinge gefoltert worden seien.

Bangladesch | Pressekonferenz der Awami-Liga Partei
Die regierende Partei Awami-Liga bereitet sich auf die Wahlen vorBild: Nasir Hossain

Schwere Vorwürfe der Opposition

Viele Oppositionelle wurden unter dem Vorwurf von Brandanschlägen und Vandalismus verhaftet. Die BNP behauptet jedoch, dass die Anschuldigungen politisch motiviert sind. Abgesehen von den Verhaftungen wurden mindestens neun Parteimitglieder zum Tode verurteilt. 925 führende Mitglieder und Aktivisten wurden in den letzten Wochen wegen früherer Anklagen zu verschiedenen Haftstrafen verurteilt, sagte die Partei.

"Diese Fälle werden aus politischen Gründen erfunden. Die Polizei ist parteiisch und registriert fiktive Fälle, indem sie sich auf Vorfälle beruft, die nie stattgefunden haben. Es gibt sogar Verfahren gegen solche, die bereits gestorben sind oder Opfer des 'Verschwindenlassens' geworden sind", sagte AKM Wahiduzzaman, ein BNP-Sprecher, im Gespräch mit der DW. Er behauptete, dass ausschließlich polizeiliche Aussagen als Beweismittel vorgelegt wurden und fügte hinzu: "Diese vorsätzlichen Urteile unterstreichen den Verlust der Prinzipien von Gerechtigkeit, Fairness und Rechtsstaatlichkeit".

Die regierende Awami-Liga weist Vorwürfe einer Repression gegen die Oppositionsparteien zurück. "Unsere Position ist sehr klar. Gegen diejenigen, die an Sabotageakten oder Brandanschlägen beteiligt sind, die Polizisten angegriffen und getötet haben, wird aufgrund konkreter Anklagen ermittelt. Wir weisen klar ein angebliches Vorgehen gegen die Oppositionspartei zurück", sagte Mohammad A. Arafat, ein Abgeordneter der Awami-Liga, der Nachrichtenagentur Associated Press.

Besorgnis über den Verlust der Demokratie

Seit der Amtsübernahme von Sheikh Hasina im Jahr 2009 kann Bangladesch ein massives Wirtschaftswachstum verzeichnen. Gleichzeitig gibt es internationale Besorgnis über einen Abbau der Demokratie und dabei Tausender von außergerichtlichen Tötungen von Oppositionellen. Die letzten beiden umstrittenen Wahlen waren von Vorwürfen massiver Wahlmanipulation überschattet.

Bangladesch  BNP Protest
Anhänger der BNP Partei protestieren weiterBild: Samir Kumar Dey/DW

Der CIVICUS Monitor, eine in Johannesburg ansässige "globale Allianz der Zivilgesellschaft", stufte Bangladeschs "zivilen Raum" in einem letzten Bericht letzte Woche als "geschlossen" ein - seine schlechteste Bewertung. "Die Herabstufung ist das Ergebnis einer massiven Regierungskampagne gegen oppositionelle Politiker und unabhängige Kritiker im Vorfeld der nächsten Wahlen", sagte der CIVICUS in seinem neuesten Bericht über die Bedingungen im zivilen Raum in 198 Ländern und Gebieten.

Michael Kugelman, der Direktor des "South Asia Institute" am in Washington ansässigen "Woodrow Wilson International Center for Scholars", sagt, es sei klar, dass die Oppositionspartei BNP auch aufgrund eines repressiven Umfelds beschlossen habe, die Wahl zu boykottieren. Eine starke Wahlkampagne zu führen, sei es sehr schwer für die Partei. "Nach Ansicht der BNP wird dieses repressive Wahlumfeld nicht verschwinden, es sei denn, es wird eine Übergangsregierung eingesetzt, die die Wahlen überwacht. Und die Partei hat in dieser Hinsicht Recht", sagte er gegenüber DW. "Leider haben wir gesehen, dass die Regierung viele ihr zur Verfügung stehende rechtliche Mittel - Verhaftungen, Verurteilungen, die Verwendung von Gesetzen zur digitalen Sicherheit, den Rückgriff auf Vorwände des Terrorismus - ausgenutzt hat, um abweichende Meinungen auszubremsen", sagte Kugelman.

"Dies hat die Polarisierung verschärft, die Opposition verärgert und Bedingungen für den Mehrparteiendialog, der zur Bewältigung einer langjährigen politischen Krise erforderlich ist, nahezu unmöglich gemacht. Es geht um eine Krise, die sich nach der Wahl eher verschlimmern könnte", fügte er hinzu.

Rufe nach einem neutralen politischen Umfeld für die Wahlen

Bangladesch hatte vor 2011 ein "Übergangsregierung"-System, das dazu gedacht war, Manipulationen und Fehlverhalten bei Wahlen zu verhindern. Nach diesem System übernahm eine Übergangsregierung, bestehend aus Vertretern der Zivilgesellschaft, drei Monate lang die Kontrolle über staatliche Institutionen und führte Wahlen durch, wenn eine gewählte Regierung ihre fünfjährige Amtszeit abgeschlossen hatte. Unparteiische Übergangsregierungen führten 1996, 2001 und 2008 allgemeine Wahlen durch, und die Wahlen wurden von inländischen und internationalen Beobachtern als frei, fair und inklusiv bewertet.

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Die regierende Awami-Liga schaffte das System jedoch 2011 ab, nachdem das Oberste Gericht entschieden hatte, dass die Bestimmung verfassungswidrig sei und gegen die Prinzipien der repräsentativen Demokratie verstoße. Der Sprecher der BNP, AKM Wahiduzzaman, sagte, dass seine BNP-Partei nur unter einer unparteiischen neutralen Regierung an den Wahlen im Januar teilnehmen würde. Aber die Regierung von Hasina hat diese Forderung abgelehnt.

Beobachter erwarten eine einseitige Wahl

Jasmin Lorch, eine leitende Forscherin am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS), sagte, dass keine der Parteien, die an der Wahl im Januar teilnehmen, wirklich als Oppositionspartei betrachtet werden könne. "Sie sind entweder mit der Awami-Liga-Partei verbunden oder präsentieren sich als Oppositionsparteien, sind aber in Wirklichkeit der [regierenden] Partei nahe", sagte sie gegenüber der DW. "Es besteht bereits eine relativ große Einigkeit in den USA und Europa, dass die Wahlen wahrscheinlich nicht frei und fair sein werden", fügte sie hinzu.

Lorch sagte, die Europäische Union habe nach einer Erkundungsmission in Bangladesch beschlossen, im Januar keine Wahlbeobachtungsmission zu entsenden, weil die "Bedingungen für eine freie und faire Wahl nicht gegeben zu sein schienen". Der Südasienexperte Kugelman sagte, es sei "schwer vorstellbar, dass es zu einem anderen Ergebnis als zu einer einseitigen Angelegenheit kommt".

"Wenn die BNP ihren Boykott nicht rückgängig macht, die Awami-Liga einer Übergangsregierung Platz macht oder eine andere nicht-BNP-Wahlallianz erfolgreich gegen die Awami-Liga antritt - und lassen Sie uns klarstellen, dass dies alles fast unmögliche Szenarien sind -, dann steuert die Awami League auf einen einseitigen Sieg ohne bedeutende Opposition zu", sagte er.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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