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Zu spät, zu teuer, zu alt

Sven Pöhle13. April 2014

Rüstungsgüter kommen oft später als vereinbart, kosten mehr als geplant und können weniger als gefordert. Verteidigungsministerin von der Leyen will das Beschaffungsverfahren daher verbessern. Experten sind skeptisch.

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Bundeswehrsoldaten entladen im Dezember 2012 in Camp Marmal im afghanischen Mazar-i-Sharif einen Tiger-Helikopter aus einer Antonov-Transportmaschine (Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Bild: Reuters

Zu häufig war es bei Rüstungsprojekten in der Vergangenheit zu massiven Problemen gekommen, als dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen diese hätte ignorieren können. Ihren Vorgänger Thomas de Maizière hätten sie beinahe das Amt gekostet.

"Ich stelle fest, dass dieser Prozess der Klarheit und Transparenz bei Rüstungsvorhaben im Haus noch nicht gelebt wird und deshalb muss ich sowohl strukturelle als auch personelle Änderungen vornehmen", erklärte sie im Februar und handelte: Keinen der Statusberichte zu den 15 größten Rüstungsprojekten aus ihrem Ressort billigte die Ministerin - alle erschienen ihr unzureichend. Zudem enthob sie zwei führende Mitarbeiter im Rüstungsbereich ihrer Posten.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Senegal 05.02.2014 (Foto: Peter Steffen/dpa)
Ursula von der Leyen will die Probleme bei der Rüstungsbeschaffung in den Griff bekommenBild: picture-alliance/dpa

Rund sechs Milliarden Euro standen dem Verteidigungsministerium 2013 für militärische Beschaffungen sowie Forschung, Entwicklung und Erprobung zur Verfügung. Das ist etwas weniger als ein Fünftel des gesamten Verteidigungsetats. Über 1200 Rüstungsprojekte gibt es derzeit im Bundesverteidigungsministerium. Etwa 100 davon weisen ein Volumen von mehr als 25 Millionen Euro auf. Doch besonders die großen Rüstungsprojekte halten selten den Kosten- oder Zeitrahmen ein und gewährleisten zudem oft nicht die notwendige Ausrüstung der Streitkräfte.

Problemfall "Tiger"

Der Kampfhubschrauber "Tiger" ist ein prominentes Beispiel für die Probleme im Bereich der Rüstungsbeschaffung. In den 1980er-Jahren entschied Deutschland gemeinsam mit Frankreich, einen Kampfhubschrauber zu entwickeln. Ein Kauf des bereits existierenden US-Hubschraubers "Apache" kam für die Beteiligten damals nicht in Frage. Die mit 15 bis 20 Jahren veranschlagte Entwicklungsdauer entsprach allerdings nicht dem zu jener Zeit von Militärs gesehenen akuten Bedarf einer Abwehrmöglichkeit gegen Panzer aus dem Ostblock.

Als der Prototyp 1991 dann erstmals abhob, hatte sich der Bedarf nach dem Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Paktes allerdings deutlich verringert. Die erste Auslieferung des mehrfach umgebauten und inzwischen als Unterstützungshubschrauber geführten "Tiger" erfolgte 14 Jahre nach Projektbeginn. Technische Probleme hatten zu Verzögerungen geführt. 2011 erhielt der Helikopter die Verkehrszulassung durch das Luftfahrt-Bundesamt. Seit Dezember 2012 ist er im Einsatz.

Ein Kampfhubschrauber "Tiger" der Bundeswehr fliegt am 20.12.2012 bei Masar-i-Scharif über Afghanistan (Maurizio Gambarini/dpa)
Im Dezember 2012 absolvierte der "Tiger"-Hubschrauber seinen ersten Probeflug in AfghanistanBild: picture-alliance/dpa

Grundsatzprobleme bei Rüstungsprojekten

"Es ist die Vielfalt der Interessen und der politische Charakter von Rüstungsprojekten, der sie so schwierig macht", sagt Hilmar Linnenkamp von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). "Dies führt immer wieder dazu, dass die eigentlichen sachlogischen Abläufe und Zwänge übersteuert werden und es deshalb zu Kostenüberschreitungen, Zeitverzögerungen und auch Qualitätsmängeln kommt."

Die Rüstungsindustrie will ihre produzierten Güter verkaufen oder neue entwickeln. Im Interesse des Militärs liegt es naturgemäß, die bestmögliche Ausrüstung für die Truppen zu erhalten. Das Bundesverteidigungsministerium, aus dessen Mitteln der Bedarf gedeckt wird, teilt dieses Interesse zwar, muss aber den Spagat zwischen notwendigen Anschaffungen und den dafür aufzubringenden Kosten meistern. Im Fokus stehen daher vor allem Waffensysteme und Fahrzeuge, die einer großen Bandbreite von Aufgaben und Einsatzszenarien gerecht werden können. Die Rüstungsgüter sollen nach Möglichkeit den unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Truppenteile gleichermaßen gerecht werden.

Die "Wunschlisten" von Heer, Luftwaffe und Marine sind aber durchaus unterschiedlich. Auch, weil sich die Anforderungen an große und komplexe Systeme ständig verändern. Vor allem im IT-Bereich überholt die technische Entwicklung permanent die Entwicklung der Systeme. Doch neueste Technologie ist teuer und Modernisierungen nehmen ebenso wie Neuentwicklungen in der Regel viel Zeit in Anspruch.

Änderungswünsche - ganz gleich ob von Seiten des Militärs, der Regierung oder des Parlaments, dessen Zustimmung für alle Projekte über 25 Millionen Euro notwendig ist - sorgen allerdings immer wieder für Verzögerungen. "Diese Änderungsprozesse tragen erheblich dazu bei, dass auf der Kostenseite Probleme entstehen", sagt Georg Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Der Lobbyist fordert daher einen "Design-Freeze" - eine verbindliche Frist für Änderungswünsche, um Kostensteigerungen und Lieferverzögerungen zu vermeiden.

Ein Airbus A400M auf einer Landebahn im spanischen Madrid (Foto: EPA/CHEMA MOYA/dpa)
Die Auslieferung des Airbus A400M verzögerte sich um mehrere JahreBild: picture-alliance/dpa

Die bereits auf nationaler Ebene bestehenden Probleme vervielfältigen sich bei internationalen Rüstungsprojekten. Die an den Milliardenprojekten beteiligten Regierungen haben häufig ganz eigene Vorstellungen, in welcher Form und in welchem Zeitrahmen entwickelt und produziert wird.

"Die Abstimmung der verschiedenen Partner ist außerordentlich schwierig und führt immer wieder zu Verzögerungen und auch zu Schwierigkeiten in der Herstellung dessen, was die Streitkräfte eigentlich haben wollen", sagt Hilmar Linnenkamp. Am Ende einer Kette von Kompromissen steht häufig ein Produkt, dass den Anforderungen nicht in allen Bereichen gerecht wird.

Ist eine bessere Koordination möglich?

"Eine ganze Menge der bestehenden Probleme muss man wegen des Charakters der Rüstungsproduktion und der Rüstungsmärkte hinnehmen", glaubt Linnenkamp. Auf der anderen Seite sei es wichtig, den Wettbewerb in Europa zu fördern und zudem auch auf Seiten der politischen Leitung genauer zu prüfen, ob Produkte tatsächlich neu entwickelt werden müssen.

Ursula von der Leyen hatte im Februar angekündigt, die wichtigsten Rüstungsprojekte einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Helfen sollen dabei auf Wunsch der Ministerin auch externe Berater. Doch auf deren Verbesserungsvorschläge muss die Ministerin offenbar noch länger warten: Laut "Handelsblatt" werden Ergebnisse der Untersuchung voraussichtlich erst im Herbst vorliegen. Allein die Auftragsvergabe an externe Experten könne mehrere Wochen in Anspruch nehmen.