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Mandela und die zwiegespaltenen Deutschen

Vera Kern6. Dezember 2013

Terrorist oder Freiheitsikone? Unter deutschen Politikern war Nelson Mandela lange umstritten, deutsche Unternehmen machten mit dem Apartheid-Regime in Südafrika gute Geschäfte. Die Geschichte eines Sinneswandels.

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Nelson Mandela 1996 vor dem Brandenburger Tor in Berlin. (Foto: dpa/picture-alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

"Eine ganz große Persönlichkeit", "ein leuchtendes Beispiel", "ein Mensch voller Geduld, Liebe und Toleranz" - Nelson Mandela wird in Deutschland als Ikone des gewaltfreien Freiheitskampfes gewürdigt. Politiker aller politischen Parteien zollen dem Lebenswerk des südafrikanischen Ex-Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers großen Respekt.

Ein Blick zurück in die Geschichte zwischen Deutschland und Südafrika zeigt jedoch: Das war nicht immer so. In der Vergangenheit war mancher deutsche Politiker Mandela gegenüber misstrauisch.

Skepsis gegenüber Mandela

Bis in die 1980er Jahre waren die Bundesregierungen Mandela gegenüber vorsichtig - allen voran das konservative Lager. Rückblickend, findet der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), müsse so mancher seine Haltung von früher überdenken. Genscher selbst setzte sich schon in den 1980er Jahren vor den Vereinten Nationen für Mandelas Freilassung ein - in Deutschland war das damals durchaus umstritten. "Mir wurde vorgeworfen, dass ich mich für einen Mörder und Terroristen einsetze", so Genscher.

Demonstration in Deutschland gegen Apartheid-Regime. (Foto: Klaus Rose / picture-alliance)
Deutsche Protestbewegung gegen das Apartheid-Regime: "Freiheit für Südafrika"Bild: picture alliance/Klaus Rose

Die Position, dass Mandela ein "Staatsterrorist" sei, vertraten damals auch die USA und Großbritannien."Unbestritten hätte sich die Bundesrepublik wesentlich kritischer zu dem unmenschlichen Apartheid-System und der sehr unreflektierten amerikanischen und britischen Position verhalten können und müssen", meint Ludger Schadomsky, Afrika-Experte der Deutschen Welle.

Anti-Apartheid-Bewegung wächst

Jenseits der Politik entwickelte sich in den 1980er Jahren aber auch eine starke Anti-Apartheid-Bewegung. Wein oder Früchte aus Südafrika? Undenkbar für viele Kirchen, Bürgerinitiativen und Schulklassen, die zum Boykott südafrikanischer Produkte aufriefen. Offiziell gingen die Regierenden in Berlin zwar auf Distanz zum Apartheid-Regime, trugen aber diese Boykott-Bewegung selbst noch zum Ende der Apartheid nicht mit. Da habe es durchaus Politiker gegeben, die keine moralischen Probleme darin gesehen hätten, mit Südafrika freundschaftliche Beziehungen zu pflegen, kritisiert Uschi Eid, Grünen-Abgeordnete und Vize-Präsidentin der Deutschen Afrika-Stiftung.

Auch die deutsche Wirtschaft pflegte enge Beziehungen zu Südafrika. "Deutschland war wichtigster Handelspartner Südafrikas - und Südafrika umgekehrt für Deutschland Handelspartner Nummer eins in Afrika", sagt Ludger Schadomksy. So ist beispielsweise Volkswagen bis heute ein großer deutscher Arbeitgeber am Kap. Auch der Konzern Siemens ist ein wichtiger Investor. Als der internationale Druck Ende der 1980er Jahre wuchs, verlagerten jedoch viele deutsche Unternehmen ihren Standort, etwa nach Simbabwe.

Deutsche Wirtschaftsinteressen

Doppelmoral? Die könne man aus heutiger Sicht durchaus so manchem Konzern unterstellen, sagt Michael Monnerjahn vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Auf öffentlichen Plakaten prangerten die deutschen Firmen die vorherrschende Rassentrennung zwar an - Schwarze in Führungsetagen stellten sie dennoch nicht ein.

Volkswagen-Werk im südafrikanischen Uitenhage. (Foto: dpa/picture-alliance)
Südafrika: Wichtiger Wirtschaftsstandort für deutsche Unternehmene - trotz ApartheidBild: picture-alliance/dpa

Für die deutsche Wirtschaft brachte die politische Veränderung in Südafrika Ende der 1980er Jahre auch viel Verunsicherung. "Selbst wenn man Mandela damals als Unternehmenschef positiv betrachtete, hatte man trotzdem Zweifel, ob es ihm gelingen wird, das Land in ruhige Fahrwasser zu bringen", so Monnerjahn.

Allmählicher Wandel des Mandela-Bilds

Dass sich Südafrika nach dem Regierungswechsel 1989 langsam öffnete und die Abschaffung der Apartheid abzeichnete, begrüßten Deutschlands Politiker einhellig. Es war die Phase der "Pretoriastroika" - eine Anspielung auf Gorbatschows "Perestroika" in der damaligen Sowjetunion. Wie Mandela den friedlichen Wandel am Kap noch aus dem Gefängnis heraus im Schulterschuss mit dem amtierenden Präsidenten Frederik Wilhelm de Klerk moderierte, habe viel zu einem Bewusstseinswandel in der deutschen Politik beigetragen, so Schadomsky.

Was Mandela anging, gab es aber auch noch 1996 in der schwarz-gelben Regierung Skeptiker. Die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) lud ihn - der da schon zwei Jahre das Amt des südafrikanischen Präsidenten bekleidete, nach Bonn ein, um vor dem deutschen Parlament zu sprechen. "Bei bestimmten Politikern und Abgeordneten waren die Meinungen geteilt", erinnerte sich Süssmuth später in einem Radiointerview. Doch Mandela konnte dann doch im Bundestag sprechen. "Er stand im Parlament, sprach sehr ruhig aber sehr intensiv und hatte eine Ausstrahlung auf unsere Abgeordneten", so Süssmuth.

Nelson Mandela hält im Bundestag eine Rede. (Foto: dpa/picture-alliance)
Skepsis bei den Konservativen: Mandela 1996 im BundestagBild: picture-alliance/dpa

Vorbehalte und Skepsis - heute klingen diese Worte in einem Atemzug mit Nelson Mandela wie Relikte vergangener Zeiten. "Madiba", wie Mandela in seiner Heimat genannt wird, ist längst eine unsterbliche Freiheitsikone und auch für deutsche Politiker zur Symbolfigur avanciert. Letztlich, so Afrika-Experte Schadomksy, habe Nelson Mandela die skeptischen deutschen Industriechefs und Politiker bei seinen Deutschland-Besuchen auch mit seinem Charme für sich gewonnen.