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Frankreich versagt in Zentralafrika

Max Borowski9. Januar 2014

Vor einem Monat begann Frankreichs Operation "Sangaris". Das Ziel: eine humanitäre Katastrophe in der Zentralafrikanischen Republik stoppen. Doch die Gewalt eskaliert weiter. Eine Million Menschen sind auf der Flucht.

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Französische Soldaten in Bangui (Foto: MIGUEL MEDINA/AFP/Getty Images)
Bild: Miguel Medina/AFP/Getty Images

Die französische Militärmission in der Zentralafrikanischen Republik ist laut lokalen wie ausländischen Beobachtern weitgehend gescheitert. "Nach Angaben der Vereinten Nationen hat die Zahl der Flüchtlinge im Land seit Beginn der Intervention dramatisch zugenommen", sagt Ulrich Delius, Afrikareferent bei der deutschen Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker. "Das zeigt ja, dass es nicht funktioniert."

Den UN-Zahlen zufolge ist inzwischen rund ein Viertel der knapp fünf Millionen Einwohner der Zentralafrikanischen Republik auf der Flucht. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung kann aufgrund der immer weiter eskalierenden Gewalt nicht mehr für sich selbst sorgen und ist auf Hilfe von außen angewiesen.

Gespräch in Bangui (Foto: Rebecca Blackwell/AP)
Der französische Kommandeur Thomas Mollard wirbt bei einem muslimischen Lokalpolitiker in Bangui um VertrauenBild: picture-alliance/AP Photo

Anfang Dezember 2013 hatte Frankreichs Präsident Francois Hollande kurzfristig die Entsendung von rund 1200 zusätzlichen Soldaten in die ehemalige Kolonie befohlen. Sie sollten ihre bereits in der Hauptstadt Bangui stationierten rund 400 Kameraden sowie die etwa 3500 Soldaten der afrikanischen Friedenstruppe MISCA verstärken. Ziel sei es, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern", hatte Hollande gesagt und versprochen: "Diese Operation wird kurz sein." Frankreich reagierte mit der Intervention auf einen Hilferuf der Interimsregierung in Bangui und auf einen entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrats.

Zu wenig Soldaten

Die Lage in der Zentralafrikanischen Republik war bei Beginn der Operation “Sangaris“ - benannt nach einem afrikanischen Schmetterling - dramatisch. Der Konflikt zwischen den inzwischen regierenden "Séléka"-Rebellen und Anhängern des im März 2013 gestürzten Präsidenten Francois Bozizé war bereits in unkontrollierbare Gewalt zwischen ethnischen und religiösen Bevölkerungsteilen mit hunderten Todesopfern umgeschlagen. Warnungen vor einem Völkermord machten die Runde.

Zwar seien zuletzt keine weiteren Massaker mehr verübt worden, wie noch Anfang Dezember in Bangui. Insgesamt habe sich die Lage der Bevölkerung aber eher verschlechtert, bemängelt Delius. Rund 1000 Menschen wurden Schätzungen zufolge allein im vergangenen Monat getötet. "Es ist weder gelungen, Frieden zu schaffen, noch die Milizen zu entwaffnen."

Menschen warten auf Trinkwasser in Bangui (Foto: AP Photo/Rebecca Blackwell)
Die Hälfte der Einwohner der Zentralafrikanischen Republik ist auf Hilfe angewiesenBild: picture-alliance/AP Photo

Ein Grund für das Scheitern der Mission sei die zu geringe Zahl der Soldaten, sagt Jean-Claude Allard, Forschungsdirektor des französischen Instituts für Internationale und Strategische Beziehungen. "Wie kann man mit 1600 Soldaten auch nur in Bangui, das fast eine Million Einwohner zählt, die Rolle der Polizei übernehmen?" Selbst die geplante Aufstockung der MISCA-Soldaten auf 6000 werde nicht ausreichen, um Sicherheit herzustellen, so Allard.

Noch problematischer als die unzureichende Truppenstärke sei allerdings, dass "eine politische Lösung des Konflikts nicht in Sicht ist", sagt Allard. Wenn sie ihre Ziele noch erreichen wollten, müssten die internationale Gemeinschaft und Frankreich noch lange in Zentralafrika bleiben, glaubt Allard. Von einem "kurzen" Einsatz - die Pariser Regierung hatte von etwa sechs Monaten gesprochen - könne keine Rede sein. Auch Menschenrechtler Delius glaubt, dass eine Militärintervention ohne eine begleitende politische Strategie zum Scheitern verurteilt sei. "Es ist richtig zu intervenieren. Aber man kann nicht gleichzeitig bei der Regierung, die überhaupt nicht in der Lage ist, das Land zu regieren, alles beim Alten belassen, und einfach so tun, als ob die Probleme gelöst seien."

Zentralafrika: französische Truppen sind machtlos

"Wie ein Sheriff im Western"

Gleich zu Beginn ihres Einsatzes hatten die französischen Truppen mit der Entwaffnung der mehrheitlich muslimischen "Séléka"-Rebellen in Bangui begonnen. Damit schufen sie jedoch ein Machtvakuum, das christlichen Milizen - den "Anti-Balaka" - ermöglichte, ungestört Übergriffe auf die muslimische Minderheit in der Stadt zu verüben. Inzwischen soll die Hälfte der Einwohner der Hauptstadt aus Angst vor Gewalt der jeweils anderen Gruppe auf der Flucht sein. Der Einfluss von Übergangspräsident Michel Djotodia, der sich auf die Séléka stützte, reicht kaum mehr über das Militärlager, in dem er sich aufhält, hinaus.

Der ehemalige Bürgermeister von Bangui, Joseph Bendounga, macht die Ex-Kolonialmacht Frankreich mitverantwortlich für diese ungebremste Eskalation. In Paris habe man die Probleme vorher gekannt, aber dennoch kein entsprechendes Konzept entwickelt. So sei die grundlegende Annahme, "Sangaris" würde die einheimischen Sicherheitskräfte bei deren Arbeit unterstützen, unrealistisch. Stattdessen versuchten die Franzosen nun, die Probleme der Zentralafrikanischen Republik im Alleingang zu lösen. "Frankreich führt sich auf wie ein Sheriff in einem Western-Film", kritisiert Bendounga.

7. Januar 2014: Menschen verlassen Bangui (Foto: Reuters/ Emmanuel Braun)
Immer mehr Menschen fliehen aus der Hauptstadt BanguiBild: Reuters

In der Pflicht sieht Ulrich Delius allerdings nicht nur Frankreich. Das Desinteresse der internationalen Gemeinschaft an der humanitären Situation sei "schockierend". Während die Zahl der Flüchtlinge weiter zunehme, zögen sich aufgrund der Gewalt mehr und mehr Hilfsorganisationen aus der Zentralafrikanischen Republik zurück. “Wenn man die Situation in der Zentralafrikanischen Republik mit dem Krieg im Südsudan vergleicht, dann gibt es eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung“, sagt Delius. “Die internationale Gemeinschaft ist viel stärker interessiert am ölreichen Südsudan.“