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Kriegsverbrechen in Syrien schwer zu ahnden

Andreas Gorzewski3. Februar 2014

Bislang ist wegen der Kriegsverbrechen in Syrien keine Anklage erhoben worden. Der Völkerrechtler Hans-Joachim Heintze erklärt im DW-Interview, warum die juristische Aufarbeitung so schwierig ist.

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Bevölkerung von Homs zwischen Ruinen (Foto: DPA)
Bild: Reuters

DW: Wie steht der Internationale Strafgerichtshof zu den Kriegsverbrechen in Syrien?

Hans-Joachim Heintze: Der Internationale Strafgerichtshof wurde auf der Basis eines internationalen Vertrages geschaffen. Ein internationaler Vertrag ist verbindlich für die Länder, die ihn ratifiziert haben. Das sind im Augenblick etwa 110 Staaten. Darunter ist Syrien nicht. Deshalb muss man argumentieren: Der Internationale Strafgerichtshof ist nicht berechtigt, sich mit Syrien zu befassen.

Gibt es keinen Weg für den Strafgerichtshof, vielleicht doch zu Syrien zu ermitteln?

Dieser völkerrechtliche Vertrag enthält eine Klausel, die es doch möglich machen würde, dass der Strafgerichtshof sich mit Syrien beschäftigt. Das wäre dann der Fall, wenn der UN-Sicherheitsrat den Vorgang an den Strafgerichtshof verweist mit der Begründung, hier bestehe eine Gefährdung des Weltfriedens, des regionalen Friedens. Das ist bislang zweimal passiert, einmal in Bezug auf den Sudan, und dasselbe geschah auch im Fall von Libyen. In beiden Fällen hat dann der Staatsanwalt des Strafgerichtshofs ermittelt und festgestellt, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden.

Porträt - Prof. Dr. Hans-Joachim Heintze (Foto: privat)
Hans-Joachim HeintzeBild: privat

Ist damit aktuell keine Institution für die Kriegsverbrechen in Syrien zuständig?

Natürlich beschäftigen sich die Vereinten Nationen damit und natürlich werden die Informationen gesammelt, die erreichbar sind, weil man immer prüfen muss, wie wir gegen Verbrechen vorgehen können, die dort begangen werden. Und selbst wenn der Internationale Strafgerichtshof nicht zuständig ist, muss man feststellen, dass auch andere Staaten gegen Menschen, die dort Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, tätig werden könnten, wenn es einen Anknüpfungspunkt gibt. Der Anknüpfungspunkt könnte sein, dass sich solch eine Person, die Verbrechen begangen hat, zum Beispiel auf deutschem Staatsgebiet befindet. Dann könnte sich auch die deutsche Rechtsprechung mit diesen Verbrechen beschäftigen. Also, sie müssen stets damit rechnen, dass sie abgestraft werden können durch Gerichte auf dieser Welt, die dafür eine Zuständigkeit haben. Und die Gerichte dieser Welt haben eine Zuständigkeit, weil diese Verbrechen - Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - nicht nur gegen die syrische Rechtsordnung verstoßen, sondern auch gegen das Völkerrecht.

Also könnten mutmaßliche Kriegsverbrecher aus Syrien auch in Deutschland angeklagt werden, wenn sie hierher kämen?

Richtig, das ist beispielsweise auch bei Kriegsverbrechern aus dem früheren Jugoslawien der Fall gewesen. Die wurden dann hier in Deutschland abgestraft. Wir haben derzeit vier Personen in deutschen Gefängnissen, die sich solcher Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben und alle aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen.

Hat das Völkerrecht in einem Fall wie Syrien versagt?

Das würde ich nicht sagen, denn die große Bedeutung des Strafrechts liegt meines Erachtens darin, dass es präventiv wirken soll. Es soll Leute abschrecken, die eventuell solche Verbrechen begehen würden, wenn sie nicht wüssten, dass eventuell doch die Strafgerichtsbarkeit sie erreichen könnte.

Hat die internationale Gemeinschaft eine Verantwortung für den Schutz der syrischen Bevölkerung?

Es gab eine Entwicklung im Hinblick darauf, dass man gesagt hat: Ja, die Staaten haben Verantwortung, die Menschenrechte zu respektieren, aber wenn das nicht funktioniert, dann könnte die internationale Gesellschaft eventuell einschreiten. Das hat man in Libyen auch versucht. Aber in Libyen war die Situation insofern anders, als man da feststellen konnte, welche Parteien an diesem Konflikt beteiligt waren. Und bei Syrien ist es eben eine Mischung von Parteien, die in diesen Konflikt involviert sind, so dass man gar nicht mehr richtig identifizieren kann, welche Gruppen einander bekämpfen. Leider ist es im Falle Syriens so, dass alle Parteien, die involviert sind, verheerende Verbrechen begangen haben. Hinzu kommt natürlich das politische Interesse der Großmächte, die dort selbst in gewisser Weise involviert sind.

Hans-Joachim Heintze lehrt als Professor am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Universität Bochum. Der Jurist ist unter anderem auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen und auf Menschenrechte spezialisiert.