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Verzweifelte Jäger

Jens Krepela (dw/sid)5. Februar 2014

Vor Beginn der Olympischen Winterspiele ist das Thema Doping wieder in den Blickpunkt gerückt. IOC-Präsident Bach vertraut den Doping-Jägern. Ein deutscher Experte ist sicher: Mehr als die Hälfte der Sportler dopt.

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Versiegelbare Transportzylinder für Urinproben (Foto: Marius Becker/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Stärkere, effektivere Muskeln aus dem Labor, das verspricht der Wachstumsfaktor Full Size MGF. Es ist das jüngste Wundermittel, das vor den Olympischen Spielen in Sotschi von deutschen Journalisten aufgedeckt wurde. Bei Dopingproben ist es nicht nachweisbar. In der Diskussion dieses Fundes gehen die Einschätzungen weit auseinander. IOC-Präsident Thomas Bach wollte sich kaum eingehender damit beschäftigen: "Ich habe von dem Fall gehört und habe volles Vertrauen in die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA)."

Nachtests als schärfste Waffe?

Dr. Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti-Doping-Agentur in Deutschland (NADA), bemühte sich im DW-Interview, die Entdeckung positiv zu sehen: "Es ist gut, dass die Substanz jetzt schon im Kölner Anti-Doping-Labor vorliegt. Jetzt muss in Abstimmung mit der WADA möglichst schnell ein Nachweisverfahren etabliert werden." Zudem sei die Substanz bereits verboten. Nur, wem nützt das Verbot, wenn die Substanz bei den angekündigten rund 2400 Kontrollen in Sotschi überhaupt nicht auffällt? Mortsiefer verweist auf mögliche Nachkontrollen: "Wir haben die Möglichkeit, die Dopingproben acht Jahre lang einzufrieren, um die Sportler dann, wenn ein Analyseverfahren vorliegt, auch überführen zu können." Es ist ein Dilemma der Dopingjäger, dass sie den neuesten Mitteln und Methoden so gut wie immer hinterherhinken.

Dr. Lars Mortsiefer, Vorstand der NADA (Foto: NADA)
Mortsiefer (l.) baut auf NachtestsBild: NADA

Die Nachtests, so sie denn überhaupt in ausreichender Zahl durchgeführt werden, werden oft als "schärfste Waffe" der Dopingjäger bezeichnet, sind jedoch bisher längst nicht so abschreckend wie erhofft. Eine mit einigen Jahren Verzögerung daraus folgende Strafe übt nicht genügend Druck auf die dopenden Sportler aus, um ihr Verhalten zu ändern. Und: Bisher wurden nach Recherchen des WDR-Magazins "Sport Inside" seit 2004 weniger als ein Prozent der Dopingproben tatsächlich nachgetestet. Nun will das WADA reagieren: Die Dopingproben von Sotschi werden für zehn Jahre eingefroren, um mit neuen Analysemethoden nachträglich untersucht werden zu können - zwei Jahre länger als bisher.

Simon: Alle Sportarten betroffen

Das erklärt die kritische Bewertung des Sportmediziners Perikles Simon. Er prophezeit,dass mehr als die Hälfte der Athleten bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi gedopt in die Wettkämpfe gehen werden. "Bis zu 60 Prozent aller Olympia-Teilnehmer werden gedopt sein, quer durch alle Sportarten", sagte Simon in einem Interview des Internetportals t-online.de. Dabei würden selbst in Fun- oder Trendsportarten Teile der Athleten ihre Leistung auf verbotene Weise steigern. "Es wäre verrückt anzunehmen, dass zum Beispiel im Curling oder im Freestyle nicht gedopt wird", sagte Simon. Mit pharmakologischen Möglichkeiten könne in allen Sportarten ein leistungssteigernder Effekt erzielt werden. "Deshalb denke ich, dass in Sotschi in allen Sportarten der Leistung auf unerlaubte Art und Weise nachgeholfen wird."

Sportmediziner Perikles Simon (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa/lrs)
Hat große Zweifel: Sportmediziner SimonBild: picture-alliance/dpa

In keinem guten Licht erscheint unmittelbar vor Beginn der Winterspiele ausgerechnet Gastgeber Russland. Erst vorige Woche wurden drei Biathletinnen suspendiert. Der nun aufgetauchte Wachstumsfaktor wurde in staatlichem Auftrag in einer Moskauer Forschungseinrichtung entwickelt. Ein Wissenschaftler bot die synthetisch hergestellte Substanz mit entsprechender Doping-Anleitung für umgerechnet 100.000 Euro zum Verkauf an. Das legt den Verdacht nahe, dass Spitzensportler den Wachstumsfaktor bereits einsetzen, um ihre Leistung zu steigern.