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PolitikHaiti

UN-Sicherheitsrat genehmigt Eingreiftruppe in Haiti

3. Oktober 2023

Haiti wird seit Jahren von wachsender Bandenkriminalität und Gewalt heimgesucht. Auf Bitten des verarmten Karibikstaats hat der UN-Sicherheitsrat nun endlich beschlossen, eine bewaffnete Polizeitruppe zu entsenden.

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Haiti Protest gegen Ministerpräsident Ariel Henry
Großes Selbstbewußtsein: Bewaffnete Mitglieder der kriminellen Bande "G9 und Familie" protestieren im September 2023 in Port-au-Prince gegen Premierminister Ariel Henry Bild: Ralph Tedy Erol/REUTERS

Das sonst so häufig gespaltene mächtigste Gremium der Vereinten Nationen votierte mit 13 Stimmen für den Einsatz, nur Russland und China enthielten sich. Die multinationale Mission soll von Kenia angeführt werden. Ziel des Einsatzes soll es sein, die prekäre Sicherheitslage in dem Krisenstaat zu stabilisieren. Die Mission wurde zunächst für einen Zeitraum von zwölf Monaten gebilligt, nach neun Monaten soll es eine Überprüfung geben. Zudem verhängte der Sicherheitsrat ein allgemeines Kleinwaffen-Embargo für Haiti

Die Regierung in Port-au-Prince fordert bereits seit einem Jahr die Entsendung einer Mission. In den vergangenen Wochen hatten die Pläne für die Eingreiftruppe zunehmend Gestalt angenommen. Kenia hatte sich bereit erklärt, 1000 Polizisten zu entsenden und die Truppe anzuführen. Auch Jamaika, die Bahamas und Antigua erklärten sich zur Teilnahme an der Mission bereit. Die USA stellten finanzielle Unterstützung in Höhe von 100 Millionen Dollar in Aussicht.

Haitis Regierung erleichtert

"Ich begrüße die Resolution des Sicherheitsrats zur Entsendung einer multinationalen Mission", schrieb Haitis Premierminister Ariel Henry nach der Entscheidung in New York auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter. "Dank an das Bruderland Kenia, das sich bereit erklärt hat, das Kommando über diese Mission zu übernehmen. Vielen Dank bereits jetzt an alle Länder, die dieser Truppe beitreten."

Haiti Premierminister Ariel Henry
Haitis Premierminister Ariel Henry (Archivbild)Bild: Richard Pierrin/AFP

Der haitianische Außenminister Jean Victor Généus sprach angesichts der Resolution von einem "Hoffnungsschimmer für die Menschen, die schon zu lange unter den Folgen einer schwierigen, sozioökonomischen, sicherheitspolitischen und humanitären Situation leiden".

Es handele sich nur um den ersten Schritt, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield. Jetzt beginne die Arbeit, um die Mission in Gang zu bringen. Der Resolution zufolge soll die Truppe der haitianischen Nationalpolizei "operative Unterstützung" bieten. Auch sollen die Bedingungen für Wahlen in dem Inselstaat geschaffen werden - seit 2016 gab es in Haiti keine Wahlen mehr.

Ambivalentes Verhältnis zu den UN

Bei der Mission handelt es sich nicht um einen Einsatz der Vereinten Nationen selbst, sondern um eine Entsendung unter kenianischem Kommando, die der Sicherheitsrat offiziell unterstützt. Haiti hat ein ambivalentes Verhältnis zu den UN: Zwar ist das bitterarme Land auf internationale Entwicklungshilfe angewiesen. Andererseits schleppten Blauhelmsoldaten nach Einschätzung von Experten nach dem verheerenden Erdbeben 2010 auch die Cholera ein. Zudem sollen Blauhelm-Soldaten während ihres 13 Jahre langen Einsatzes immer wieder Haitianerinnen vergewaltigt, missbraucht oder sexuell ausgebeutet haben.

Millionen müssen hungern

Haiti liegt zwischen Nord- und Südamerika auf der Insel Hispaniola. In der Osthälfte der Insel befindet sich die Dominikanische Republik. Haiti ist das ärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Der Karibikstaat leidet seit Jahren unter einer humanitären Krise, zu der neben Bandengewalt auch politische Instabilität und wirtschaftliche Stagnation beitragen. Als größtes Problem gelten die blutigen Kämpfe zwischen Banden, die einen Großteil der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren und die Bevölkerung mit großer Brutalität und auch sexueller Gewalt terrorisieren. Die Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Jahr 2021 verschlimmerte die Sicherheitslage dramatisch.

Allein zwischen dem 1. Januar und dem 15. August 2023 wurden laut UN durch Gewalt mindestens 2.439 Menschen getötet. Auch die Zahl der Entführungen ist drastisch gestiegen. Zuletzt kam es zu einer Selbstjustiz-Bewegung der Bewohner gegen die Banden. Die Gewalt verschärft auch die ohnehin schon prekäre Versorgungslage.

Haiti Port-au-Prince Protest Sicherheit
Eine Protestkundgebung in der Hauptstadt gegen die grassierende BandenkriminalitätBild: Odelyn Joseph/AP Photo/picture alliance

Fast die Hälfte der elf Millionen Bewohner leidet laut Vereinten Nationen unter akutem Hunger. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, UN-Angaben zufolge verdoppelt. Landesweit gibt es nach Angaben der Organisation für Migration (IOM) fast 200.000 Vertriebene. Hinzu kämen rund 100.000 Haitianer, die in diesem Jahr aus umliegenden Ländern abgeschoben worden seien. 

kle/se (afp, dpa, rtre, epd)