1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neuer Druck auf Erdogan-Regierung

11. Januar 2014

Zehntausende Menschen haben in der türkischen Hauptstadt gegen die beispiellose Säuberungsaktion von Ministerpräsident Erdogan demonstriert. Die Proteste verliefen friedlich - im Gegensatz zur Debatte im Parlament.

https://p.dw.com/p/1ApCG
Zehntausende demonstrieren in Ankara gegen Erdogan (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist nicht ganz ungefährlich, sich in diesen Zeiten in der Türkei lautstark gegen die islamisch-konservative Regierungspartei AKP und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zu erheben. Dennoch folgten in Ankara wieder zehntausende Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften und gingen aus Protest auf die Straße. Der jüngste Coup der Regierung sieht vor, ihr weitaus mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten zu geben.

Die Protestierenden trugen Plakate auf denen "Tschüss Tayyip" oder "Großer Dieb" und "Lügner" stand. Andere Demonstranten hielten vergrößerte Dollar-Scheine mit dem Konterfei Erdogans in die Höhe.

Der türkische Premier steht angesichts der massiven Korruptionsaffäre vor der größten Herausforderung seiner elfjährigen Amtszeit. Um dem Skandal Herr zu werden, nimmt er neben dem Polizeiapparat, aus dem bereits hunderte Beamte zwangsversetzt wurden, auch die Justiz verstärkt ins Visier. Staatsanwälte und Richter werden unter Druck gesetzt. Erdogan betrachtet die Ermittlungen als Verschwörung regierungsfeindlicher Kräfte mit dem Ziel, der AKP vor den Kommunalwahlen Ende März zu schaden.

Viele haben von Premier Erdogan die Nase voll: "Großer Dieb" steht auf dem Plakat (Foto: rtr)
Viele haben von Premier Erdogan die Nase voll: "Großer Dieb" steht auf dem PlakatBild: Reuters

Prügeleien im Parlament in Ankara

Beratungen im Parlament über den umstrittenen Gesetzentwurf zur Kontrolle der Justiz endeten am Samstag in Tumulten und einer Schlägerei. Laut Augenzeugen sprang ein Abgeordneter auf einen Tisch und trat nach einem Kollegen. Daraufhin hätten mehrere Parlamentarier aufeinander eingedroschen und mit Akten, Wasserflaschen und einem Tablet-Computer um sich geworfen. Die Handgreiflichkeiten waren ausgebrochen, nachdem ein Vertreter des Juristenverbandes vergeblich versucht hatte, eine Petition einzubringen, in der die Reform als verfassungswidrig bezeichnet wird.

Justizminister Bekir Bozdag signalisierte im privaten TV-Sender NTV, das Kabinett wolle die Pläne zur Kontrolle der Justiz überdenken. Sollten die Fraktionen im Parlament einen Konsens erzielen, "könnte der Vorschlag zurückgezogen werden", meinte er. Allerdings wird die Abgeordnetenkammer von Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) dominiert.

Regierung will über Schlüsselposten entscheiden

Der Gesetzesentwurf der AKP sieht vor, die Befugnisse des nominell unabhängigen Justizkontrollgremiums "Hoher Richterrat" massiv einzuschränken. So soll dem Justizministerium unter anderem das letzte Wort bei der Besetzung von Schlüsselposten im Justizwesen gegeben und dem Rat das Recht entzogen werden, Regierungsdekrete zu genehmigen.

Der Richterrat hat das Vorhaben als verfassungswidrig zurückgewiesen. Auch die US-Regierung und der Europarat in Straßburg warnten vor einer Beschneidung des Rechtsstaats.

se/gri (rtr, afpe, dpa)