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Erdogan will Justiz kontrollieren

10. Januar 2014

Die Korruptionsvorwürfe lasten schwer auf der türkischen Regierung: Premier Erdogan wehrt sich und will nach den Schikanen gegen die Polizei nun auch Richter und Staatsanwälte einschüchtern. Das Parlament debattiert.

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Türkischer Ministerpräsident R. T. Erdogan bei einer Rede (foto: gettyimages)
Bild: Getty Images

Ein neuer Gesetzesentwurf zur Kontrolle der Justiz und offensichtliche Pläne zur Zensur des Internets bringen die türkische Regierung in zusätzliche Erklärungsnot. Das Parlament begann am Freitag mit Beratungen über ein Gesetzesvorhaben der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, das laut Presse die Befugnisse und Freiheiten des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte (HSYK) beschränken soll. Nach Zeitungsberichten will sich die Regierung unter Recep Tayyip Erdogan außerdem das Recht nehmen, Internetseiten ohne vorherigen Gerichtsbeschluss sperren zu lassen.

Rechtsstaat am Ende?

Der Hohe Richterrat protestierte in scharfer Form gegen das Vorhaben Erdogans, das etwa eine Berichtspflicht des nominell unabhängigen Gremiums an das Justizministerium vorsieht. Der HSYK stufte den Gesetzentwurf als "verfassungswidrig" ein. "Diese Regelungen über die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit von Richtern (...) wären eine Verletzung der Verfassung", heißt es zum Beispiel in einer 66-seitigen Analyse des HSYK-Vize Ahmet Hamsici für den zuständigen Parlamentsausschuss.

Tagelange Proteste gegen die Erdogan-Regierung und ihre Verwicklung in die Korruptionsaffäre (foto: dpa/EPA)
Tagelange Proteste gegen die Erdogan-Regierung und ihre Verwicklung in die KorruptionsaffäreBild: picture-alliance/dpa

Der Entwurf der Regierung sieht zudem vor, dem Justizministerium das letzte Wort bei der Besetzung juristischer Schlüsselfunktionen zu geben und dem HSYK das Recht zu entziehen, Regierungsdekrete zu genehmigen. Erdogans AKP hat im Parlament eine sichere Mehrheit, die Opposition warnt also vermutlich vergebens vor einer "Beschneidung des Rechtsstaats".

EU und USA befürchten einen gravierenden Rückschlag bei den von der Türkei geforderten Reformen. EU-Kommission und Europarat zeigten sich "beunruhigt" über die Entwicklungen beim Beitrittsbewerber Türkei. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums verwies auf die große Bedeutung "eines Rechtssystems, das höchste Standards in Sachen Fairness, Effizienz und Transparenz bei Zivil- und Strafangelegenheiten erfüllt".

Im Sumpf der Korruption

Hintergrund ist die Korruptionsaffäre gewaltigen Ausmaßes: Istanbuler Staatsanwälte hatten Mitte Dezember dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter die Söhne von zwei Ministern. Bei dem Skandal geht es unter anderem um bestochene Politiker, verheimlichte illegale Goldgeschäfte der staatlichen Halkbank mit dem Iran, und um rechtswidrige Bauvorhaben. Im Zuge der Affäre wurden hunderte Polizisten strafversetzt und fast das halbe Kabinett ausgetauscht. Erdogan nannte die Ermittlungen eine " Verschwörung regierungsfeindlicher Kräfte" im Staatsapparat mit dem Ziel, der AKP zu schaden.

Offenbar will die Regierung auch die Kontrolle über das Internet verschärfen und Webseiten ohne Gerichtsbeschluss sperren dürfen. Mehrere türkische Medien berichten, vorgesehen sei zudem ein Recht für die Behörden, die Surf-Gewohnheiten von Internetnutzern aufzuzeichnen und zwei Jahre lang zu speichern. Schon unter dem derzeit geltenden Internetgesetz können viele Websites relativ einfach gesperrt werden, allerdings nur mit Gerichtsbeschluss.

SC/rb (afp, rtre, APE)