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Kanzlerin blockiert zum Schutz der Industrie

28. Juni 2013

Die Bundesregierung blockiert eine Verschärfung der EU- Abgasnormen für Neuwagen. Die Opposition in Berlin spricht von einem Skandal, doch Angela Merkel begründet ihre Haltung mit dem Schutz deutscher Arbeitsplätze.

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Abgas kommt aus dem Auspuff eines Autos ( Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Umweltschützer und Oppositionspolitiker werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, dem Druck der Automobillobby nachgegeben und die Klimaschutzziele der Gemeinschaft aufgegeben zu haben. Am Freitag äußerte sich die Kanzlerin dazu und sagte beim EU-Gipfel in Brüssel: "Da geht es auch um Beschäftigung."

Am Freitag bestätigte Merkel Meldungen, die Bundesregierung habe eine Abstimmung über verschärfte Grenzwerte beim CO2-Ausstoß von Autos verhindert: "Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Abstimmung nicht stattgefunden hat." Deutschland benötige mehr Zeit, dass zur Abstimmung vorliegende Papier zu studieren. Merkel: "Wir haben die Ergebnisse der Verhandlungen sehr kurzfristig bekommen."

Deutsche haben Umweltbewusstsein

Am Donnerstag hatte der Botschafterausschuss aller 27 EU-Mitgliedsstaaten über schärfere Abgasrichtlinien in Europa abstimmen sollen. Grundlage der Abstimmung war ein Kompromiss, den Vertreter der Mitgliedsstaaten mit EU-Parlamentariern am Montag erreicht hatten. Demnach sollte die CO2-Höchstgrenze für den Durschnitt aller Modelle eines Herstellers bis 2020 auf 95 Gramm sinken. Bis 2015 gilt ein Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer. Durch die Intervention der Bundesregierung kann nun frühestens in der zweiten Jahreshälfte über die Verschärfung der Emissionswerte abgestimmt werden.

Heftige Kritik und Lob vom Partner

Die Blockadehaltung der Bundesregierung rief scharfe Proteste hervor. Die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland kommentierte das Verhalten der Bundesregierung mit den Worten: "Die Bleifußkanzlerin hintertreibt den Klimaschutz."

Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, Renate Künast, warf der Kanzlerin vor, sie betreibe "Lobbyarbeit für Daimler, BMW und Volkswagen und torpediert die EU-Klimapolitik". Für die Grünen ist die Blockadehaltung der Bundesregierung "skandalös".

Als erster signalisierte bereits am Donnerstag der Koalitionspartner von Angela Merkels CDU in der Bundesregierung, die FDP, ihre Zustimmung zur deutschen Blockade. Partei-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler twitterte: "Gute Entscheidung – hätte sonst der deutschen Autoindustrie und den Arbeitsplätzen geschadet. Jetzt nochmal ran."

Taktisches "Nein"

In Berlin bestätigte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter, das sich die Regierung und die Kanzlerin für die Interessen der deutschen Automobilindustrie einsetzen. Die Blockadehaltung der Regierung führe nicht zu einer "Absage, sondern zu einer Verschiebung", so Streiter. Der Verkehrssektor müsse einen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten, doch Deutschland brauche "eine faire Lösung, die den Besonderheiten der deutschen Industrie Rechnung trägt".

Beobachter in Brüssel halten die Verhinderung der Abstimmung für ein taktisches Manöver Berlins. Zurzeit hätte Angela Merkel nicht genügend Unterstützer, um die EU-Abgasnormen verhindern zu können. Mit dem Beitritt Kroatiens am 1. Juli wird die Union ab der nächsten Woche 28 Mitglieder haben. Die Nachrichtenagentur AFP zitiert einen EU-Diplomaten, der es für möglich hält, dass Deutschland dann mit der Hilfe Kroatiens eine Sperrminorität gegen die verschärften Abgasnormen auf die Beine stellt.

dk/gmf (afp, dpa, rtr)