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Zunehmende Gegensätze

Christoph Hasselbach15. März 2013

Beim EU-Gipfel treten die unterschiedlichen Positionen der Staats- und Regierungschefs offen zutage: bei der Wirtschaftspolitik wie bei Syrien. Vor allem das deutsch-französische Duo fällt durch Disharmonie auf.

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Francois Hollande und Angela Merkel in Brüssel (Foto: Reuters)
Francois Hollande und Angela Merkel in BrüsselBild: Reuters

Arbeitslosigkeit, soziale Not und Rezession beherrschen die EU, und das seit Jahren. Es scheint, als traue sich kaum noch ein Regierungschef, das Wort Konsolidierungspolitik in den Mund zu nehmen. Auch in Brüssel demonstrierten Tausende gegen die Sparpolitik, während die Staatenlenker im Ratsgebäude debattierten. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, bisher als eiserne Sparkanzlerin verschrien oder bewundert, hält sich zurück - und gibt indirekt zu, wie weit die Positionen in Europa auseinanderliegen: "Wir können die Ziele, die wir uns selbst gesetzt haben - Wachstum und vor allem Beschäftigung für möglichst viele Menschen in Europa, natürlich auch solide Haushalte - nur erreichen, wenn wir auch ein gemeinsames Verständnis von der Wirtschaftspolitik entwickeln." Genau an diesem gemeinsamen Verständnis mangelt es.

Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande fordert "Geschmeidigkeit" bei der Einhaltung der Defizitziele, in eigenem Interesse: Frankreich wird auch 2013 ein höheres Haushaltsdefizit haben als in den Stabilitätsregeln vorgeschrieben. Er dürfte von der Kommission, die die Einhaltung überwacht, wohl einen einjährigen Aufschub bekommen.

Demonstration in Brüssel (Foto: Reuters)
Genug gespart! Demonstration in BrüsselBild: Reuters

Es muss nicht immer Sparen sein

Doch nicht alle schweigen dazu. Einer, der sich traut, die Dinge beim Namen zu nennen, ist der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt. Er erinnert daran, wie mühsam sich die EU-Staaten auf die Konsolidierungsregeln geeinigt haben. Sie sollten weiter gelten. Länder mit hohen Defiziten sollten ihre Haushalte ausgleichen, sonst würden sie von den Finanzmärkten bestraft. Will heißen: dann müssen diese Staaten hohe Risikoaufschläge für Staatsanleihen zahlen.

Reinfeldt stört es auch, dass der Konsolidierungskurs immer mit Sparen in Verbindung gebracht werde: "Man kann auch vieles machen, was nichts mit Sparpolitik zu tun hat: Man kann Freihandelsabkommen mit den USA und Japan schließen; man kann seinen Arbeitsmarkt reformieren; man kann die Korruption bekämpfen." Doch solche Ratschläge gehen bei diesem Gipfel ziemlich unter.

Parlament macht nicht mehr mit

Die Staats- und Regierungschefs bekommen es aber nicht nur mit Protesten ihrer Bevölkerung gegen die Sparpolitik zu tun, sondern auch mit dem Europäischen Parlament. Auch dabei geht es ums Geld, in dem Fall um den Siebenjahreshaushalt der EU für den Zeitraum 2014 bis 2020. Die Regierungen hatten sich im Februar nach schwierigen Verhandlungen auf einen Vorschlag geeinigt. Der sah deutliche Kürzungen gegenüber dem Vorschlag der Kommission vor. Doch es gab auch eine Lücke zwischen Zahlungsbereitschaft und eingegangenen Verpflichtungen. Das wollte das Europaparlament nicht mittragen und hat den Haushaltsentwurf abgelehnt.

Parlamentspräsident Martin Schulz warnt: "Verpflichtungen einzugehen und das Geld nicht dafür zu haben und am Ende es über Schulden zu finanzieren, ist genau der Weg, der eine Reihe von Mitgliedsstaaten in die Krise geführt hat. Diesen Weg wollen wir nicht mitgehen." Jetzt wird es neue Haushaltsverhandlungen mit dem Parlament geben.

Gebäude des EU-Parlaments in Straßburg (Foto: DW)
Das EU-Parlament leistet WiderstandBild: DW/P.Böll

Syrien-Waffenembargo beenden?

Frankreichs Präsident Hollande hat aber nicht nur mit seinen wirtschaftspolitischen Ansichten für Aufsehen beim Gipfel gesorgt - die waren eigentlich keine Überraschung. Überrascht hat er die meisten anderen Gipfelteilnehmer aber mit der Forderung, das über Syrien verhängte Waffenembargo aufzuheben. Bisher hatte die EU dazu eine einstimmige Haltung: Das Waffenembargo soll vorerst bestehen bleiben.

Doch Frankreich und Großbritannien könnten jetzt aus dieser Linie ausscheren. Ihr Argument: Die syrischen Aufständischen haben ohne Waffenlieferungen keine Chance gegen die von Russland und dem Iran ausgerüsteten Regierungstruppen. Hollande meinte bei seiner Ankunft in Brüssel: "Wir haben gesagt, dass wir, Briten und Franzosen, für die Aufhebung des Embargos sind, weil wir glauben, dass heute ein Volk in Gefahr ist." Wenn beide Staaten Ernst damit machen, wäre das ein schwerer Schlag für eine einheitliche EU-Außenpolitik.

Orban: Verfassungsänderung nicht undemokratisch

Politische Probleme hat die EU aber auch in ihren eigenen Reihen. Mehrere Regierungschefs und zahlreiche Europaabgeordnete werfen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban vor, gegen europäische Werte zu handeln. Orbans Regierung hatte mit ihrer gewaltigen Mehrheit im Parlament vor wenigen Tagen eine Verfassungsänderung beschlossen und dabei das Verfassungsgericht weitgehend entmachtet.

Orban wehrte sich in Brüssel gegen die Vorwürfe. Es gebe keine Beweise, dass die Änderungen "der Demokratie zuwiderlaufen". Er sei aber bereit, darüber zu reden. "Wenn jemand ein Problem damit hat, gibt es Prozeduren und Institutionen, mit denen wir diesen Punkt diskutieren können", so Orban vor Journalisten. Die EU-Kommission will prüfen, ob Ungarn gegen europäisches Recht verstößt. Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat aber bereits große Sorge geäußert.