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Moldau in Alarmbereitschaft

Vitalie Călugăreanu / Robert Schwartz7. Mai 2014

Wegen der Eskalation in der Ukraine und aus Angst vor möglichen Provokationen hat die Republik Moldau die Sicherheitskräfte an der moldauisch-ukrainischen Grenze in Alarmbereitschaft versetzt.

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Im Zentrum der moldawischen Hauptstadt Chisinau (Foto: DW /Yulia Semenowa)
Im Zentrum der moldawischen Hauptstadt ChisinauBild: DW /Y. Semenowa

Als Ende April die EU-Visafreiheit für moldauische Staatsbürger in Kraft trat, gab es ein leichtes Aufatmen bei den pro-europäischen Moldauern. Viele sprachen von einem historischen Ereignis und einem klaren Zeichen des Westens, der die Bemühungen des Landes zur europäischen Integration ernst zu nehmen schien. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer, zu stark hatte sich der drohende ukrainische Bürgerkrieg den Staatsgrenzen der Republik Moldau genähert.

Die Unruhen in Odessa, der ukrainischen Hafenstadt am Schwarzen Meer, nur 120 km von der moldauischen Hauptstadt Chişinău und 60 km vom nächsten moldauisch-ukrainischen Grenzübergang entfernt, wurden von der westlich orientierten Regierung in der moldauischen Hauptstadt mit größter Besorgnis registriert.

Präsident Nicolae Timofti traf am Montag (5.05.2014) zu einer Sondersitzung mit Parlamentspräsident Igor Corman, Premierminister Iurie Leancă und den führenden Vertretern von Militär und Sicherheit zusammen, um anschließend die Armee im Grenzgebiet in Alarmbereitschaft zu versetzen. Der russische Botschafter wurde am Dienstag ins moldauische Außenministerium bestellt.

Heldendenkmal in Tiraspol - Ein kleiner Junge ist auf das Heldendenkmal in Tiraspol geklettert (der Panzer) und blickt auf die Plattenbauten der Stadt. (Copyright: DW/Alexandra Scherle )
Heldendenkmal in TiraspolBild: DW/A. Scherle

Russische Propaganda

Hintergrund der erhöhten Alarmbereitschaft sind nicht nur die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine, sondern auch erwartete Provokationen am 9. Mai in der Republik Moldau. Ein Teil der moldauischen Gesellschaft will an diesem Freitag den Europa-Tag feiern, ein anderer Teil den Tag des Sieges über den Faschismus. "Es kann zu schlimmen Unruhen kommen", schätzt der ehemalige moldauische Botschafter in Moskau, Anatol Ţăranu.

Die pro-russischen oppositionellen Kommunisten und Sozialisten haben angekündigt, am 9. Mai auf dem Platz der Großen Nationalversammlung aufzumarschieren, um den Tag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg zu feiern. Das ist der Platz, an dem traditionsgemäß die pro-europäischen Parteien den Europa-Tag feierlich begehen. "Wir müssen unseren Bürgern erklären, dass sie Opfer russischer Propaganda geworden sind", sagt Ţăranu.

Seit Tagen wird die moldauische Öffentlichkeit mit Propaganda bombardiert, mit der die Gesellschaft offensichtlich weiter entzweit werden soll. In den pro-russischen TV-Sendern treten russische Meinungsmacher, pensionierte KGB-Offiziere und sogar Vertreter der separatistischen Republik Transnistrien auf, die auf der schwarzen Liste der EU stehen. Sie sprechen offen über einen drohenden Krieg in der Republik Moldau, sollte das Land sich einer Föderalisierung widersetzen.

Moldawien und die ehemaligen europäischen Sowjetrepubliken (Copyright: DW)
Moldawien und die ehemaligen europäischen SowjetrepublikenBild: DW

Ruhe signalisieren

Durch die erhöhte Alarmbereitschaft der Sicherheitskräfte will die pro-europäische Führung der Republik Moldau zeigen, dass sie in der Lage ist, auf mögliche Provokationen im Inland zu reagieren. Dazu gehört sicherlich auch die Einberufung des russischen Botschafters Farit Muhametschin ins moldauische Außenministerium. Dieser sollte die Hintergründe des bevorstehenden Besuchs des russischen Vizepremiers Dmitri Rogosin in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol am 9. Mai erklären.

Rogosin, ehemaliger NATO-Botschafter Russlands und enger Vertrauter des russischen Präsidenten Vladimir Putin, hatte in sozialen Netzwerken seinen Besuch angekündigt. Er wolle jene Menschen beglückwünschen, denen der 9. Mai als Tag des Sieges heilig sei und bei denen der Tag Europas nur für Verwirrung sorge, schrieb Rogosin.

Rogosin hatte in einem seiner Bücher zugegeben, 1992 auf Seiten der abtrünnigen Region Transnistrien gegen die Armee der Republik Moldau gekämpft zu haben. Die separatistische Republik Transnistrien, von keinem Staat international anerkannt, gehört völkerrechtlich weiter zur Republik Moldau, wird aber offen von Moskau unterstützt. In der Region sind seit der Abspaltung immer noch rund 2.000 russische Soldaten stationiert. Nach Ausbruch der Krise in der Ukraine und der Annexion der Krim durch Moskau hat Transnistrien den Beitritt zur Russischen Föderation beantragt.

Zuerst Transnistrien, dann Gagausien?

Nach Einschätzung des moldauischen Politologen Oazu Nantoi hat Moskau aber zur Zeit kein großes Interesse daran, Transnistrien durch einen Krieg in die Russische Föderation einzugliedern. Russland habe mit Hilfe Transnistriens die Republik Moldau sowieso weiterhin in seinem Einflussbereich. Viel mehr sieht Nantoi die Gefahr separatistischer Bestrebungen in dem anderen autonomen Gebiet in der Republik Moldau, das unter russischem Einfluss steht: in Gagausien. Dort leben etwa 155.000 Menschen; die meisten davon gehören dem christlichen turkstämmigen Volk der Gagausen an.

Gebietsgrenze in Gagausien (Foto: Simion Chiochina/DW)
Gagausien ist eine autonome Region im Süden MoldausBild: DW/Simion Chiochina

Anfang 2014 haben sich fast 99 Prozent der Gagausen in einem Referendum gegen das Assozierungsabkommen mit der EU und für eine Zollunion mit Russland ausgesprochen. "Wir müssen uns auf separatistische Provokationen im Süden der Republik Moldau, in der autonomen Region Gagausien gefasst machen", sagt Nantoi. Der Politologe ist davon überzeugt, dass die moldauischen Parlamentswahlen im November 2014 ein entscheidender Test für die Demokratie seines Landes sein werden. Moskau werde mit aller Kraft versuchen, in Chişinău pro-russische Parteien an die Macht zu bringen, um dann mit deren Hilfe die Föderalisierung des Landes mit drei Teilrepubliken - der Moldau, Transnistrien und Gagausien - zu verwirklichen und somit jegliche Chance eines EU-Beitritts der Republik Moldau zu vereiteln.

Parlamentswahlen – entscheidend für die Zukunft

Diese Gefahr scheint auch der moldauische Parlamentspräsident und frühere Botschafter seines Landes in Berlin (2004-2009), Igor Corman, erkannt zu haben. Kürzlich sagte er, 2014 brauche die Republik Moldau mehr denn je Versöhnung und politische Stabilität. Im gegenwärtigen komplizierten geopolitischen Kontext und noch vor den Parlamentswahlen sei die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU von zentraler Bedeutung.

"Wir müssen dieses Abkommen unterzeichnen und ratifizieren. Es ist wichtig, dass die pro-europäischen Parteien die nächsten Parlamentswahlen gewinnen, damit das Abkommen auch umgesetzt wird und die Republik Moldau den EU-Kandidatenstatus bekommt", unterstrich Corman. Das Assoziierungsabkommen der EU mit der Republik Moldau soll Ende Juni unterzeichnet werden.