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Republik Moldau im Schatten der Krim-Krise

Alexandra Scherle5. April 2014

Auch in der Republik Moldau wächst die Angst vor einer Fortsetzung der russischen Expansionspolitik. Das Assoziierungsabkommen mit der EU soll bald unterzeichnet werden. Doch die Bevölkerung ist gespalten.

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Ansicht der moldauischen Hauptstadt Chisinau (Foto: DW)
Die moldauische Hauptstadt ChişinăuBild: DW/C. Springer

"Wir leben auf Treibsand", warnt der moldauische Journalist und Schriftsteller Vitalie Ciobanu. "Russland gefährdet die nationale Sicherheit der Republik Moldau." Der Chefredakteur der Zeitschrift "Contrafort" und Vorsitzende des PEN-Club in der Moldau ist mit dieser Meinung nicht allein. Auch im Westen wächst nach der Annexion der Krim die Sorge vor neuen Gebietsansprüchen Russlands in anderen Regionen der ehemaligen Sowjetunion.

Die Republik Moldau erklärte 1991 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Vor dem Zweiten Weltkrieg war der Großteil ihres Gebiets ein Teil Rumäniens - mit Ausnahme von Transnistrien. Diese Region hat sich Anfang der 1990er Jahre mit russischer Hilfe von der Republik Moldau abgespalten, wird aber international von keinem einzigen Staat anerkannt. In Transnistrien sind weiterhin russische Truppen stationiert. Politisch und wirtschaftlich wird die Region von Moskau unterstützt, die Mehrheit der Bevölkerung ist russischsprachig, während in der Republik Moldau Rumänisch die Amtssprache ist.

Die russischen Streitkräfte an der Ostgrenze der Ukraine seien so stark, dass sie im Konflikt um die abtrünnige Region Transnistrien auch eine Bedrohung für die Republik Moldau darstellen könnten, erklärte NATO-Oberkommandeur Philip Breeedlove. Vor dem Hintergrund der Krim-Krise und der angespannten Lage in der Region sollten die moldauischen Politiker mit dem Westen über Sicherheitsgarantien für die Republik Moldau verhandeln, fordert Vitalie Ciobanu im DW-Interview. "Das würde nicht bedeuten, dass wir Russland provozieren, sondern einfach, dass wir unsere Bürger schützen." Er sei traurig und enttäuscht, "dass unsere Politiker nicht den Mut dazu haben, solche Garantien auszuhandeln."

Der moldauische Journalist und Schriftsteller Vitalie Ciobanu (Foto: DW)
Vitalie Ciobanu: Politiker sollten mit dem Westen Sicherheitsgarantien aushandelnBild: DW/A. Scherle

Bedrohliche russische Truppenpräsenz

Auch Anatol Ţăranu, ehemaliger Botschafter der Moldau in Moskau, schließt eine militärische Intervention Russlands in der Moldau nicht aus. Die russischen Truppen in Transnistrien haben in den vergangenen Wochen Militärübungen durchgeführt. "Solche Manöver gab es zwar auch früher, doch im Kontext der aktuellen Krise in der Region haben sie eine zusätzliche Dimension: Die russische Truppenpräsenz in Transnistrien könnte zu einer unmittelbaren Bedrohung für die Moldau werden", erklärt Ţăranu im Gespräch mit der DW. Wenn Russland einen Vorwand suchen würde, um in die Moldau einzumarschieren, sei der leicht zu finden, gibt der ehemalige Botschafter zu bedenken: "Zum Beispiel wenn Moskau die separatistischen Kräfte in Transnistrien dazu anstiften würde, moldauische Sicherheitskräfte anzugreifen." Schließlich seien russlandtreue separatistische Regimes wie jenes in Transnistrien "Mechanismen, um Länder weiterhin unter russischem Einfluss zu halten".

Auch das autonome Gebiet Gagausien im Süden Moldaus ist pro-russisch: Im Januar sprach sich die große Mehrheit der Bevölkerung in einem Referendum dafür aus, sich der von Russland gegründeten Zollunion anzuschließen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise sollte sich die Republik Moldau weder in Richtung Westen noch nach Osten orientieren, meint Igor Dodon, Vorsitzender der Sozialistischen Partei der Republik Moldau. "Eine gute Kompromisslösung wäre die Föderalisierung der Moldau mit Transnistrien und Gagausien als eigenen Föderationssubjekten."

US-Hilfe für die Sicherung der Landesgrenzen

Nach eigenen Angaben strebt Moskau kein militärisches Eingreifen in Transnistrien oder der Moldau an. Doch das scheint die Angst vor der russischen Expansionspolitik in der Region nicht gelindert zu haben: Am Sonntag (30.03.2014) sagte die US-Europabeauftragte Victoria Nuland der Republik Moldau zehn Millionen Dollar (etwa 7,3 Millionen Euro) für die Sicherung der Landesgrenzen zu.

Das Parlament in Tiraspol, der Hauptstadt der separatistischen Region Transnistrien (Foto: DW)
Der "Oberste Sowjet", das Parlament der abtrünnigen Region TransnistrienBild: DW/A. Scherle

Gleichzeitig hat die Krise in der Ukraine dazu geführt, dass die Europäische Union offener gegenüber der Moldau sei, betont Valeriu Munteanu, Abgeordneter der Liberalen im Parlament in Chişinău. Das Assoziierungsabkommen mit der EU soll schneller unterzeichnet werden, als ursprünglich geplant - voraussichtlich im Frühsommer. Der Kandidat der Europäischen Volkspartei für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker, hatte in einem Interview mit der deutschen Zeitung "Die Welt" gefordert, das Abkommen mit der Moldau solle schon "in den nächsten Wochen" unterschrieben werden. Wladimir Putin müsse wissen, dass er dort nicht tun darf, was er auf der Krim getan hat. "Wir haben das Gefühl, dass Brüssel den moldauischen Politikern vor dem Hintergrund der aktuellen Krise in der Region viele Fehler einfach verziehen hat und uns einen großen Vorschuss an Vertrauen bietet", so der Abgeordnete Valeriu Munteanu. Jetzt müsse man in Chişinău beweisen, dass dieses Vertrauen berechtigt sei.

"Ein Drittel der Bürger für EU-Beitritt"

Wünscht sich die Bevölkerung eine Annäherung an die EU? Die Gesellschaft sei gespalten, gibt der Politikanalyst Oazu Nantoi zu bedenken. Der ehemalige Abgeordnete der Demokratischen Partei ist Programmdirektor im Bereich Konflikte beim Institute for Public Policy in Chişinău. "Etwa ein Drittel der Bürger möchte einen EU-Beitritt der Moldau", erklärt er. "Ein weiteres Drittel ist pro-russisch und lässt sich von den Moskauer Versprechen von billigem Gas beeindrucken. Und einem Drittel der Bevölkerung ist das alles gleichgültig, es geht sowieso nicht wählen." Außerdem würden die russischen Staatsmedien - die in der Moldau sehr verbreitet sind - ein negatives EU-Bild vermitteln und Europa stets "am Rande des Abgrunds" darstellen. Gleichzeitig würden viele Pfarrer in der Moldau - die zur russisch-orthodoxen Kirche gehören - unter den Gläubigen die Auffassung verbreiten, dass die Europäische Union "den Verfall von Moral und Familie" mit sich bringt.

Der moldauische Politikanalyst Oazu Nantoi (Foto: DW)
Nantoi: Russische Staatsmedien vermitteln negatives EU-BildBild: DW/A. Scherle

Die Republik Moldau ist ein sehr armes Land, "es gibt hier kaum eine Familie, in der nicht wenigstens ein Mitglied im Ausland arbeitet", betont Journalist Vitalie Ciobanu. Wenn Menschen nicht genug zu essen hätten, sei es schwierig, "sie mit Diskursen über unsere Zugehörigkeit zur europäischen Zivilisation" zu überzeugen. Die Politiker in Chişinău haben aus seiner Sicht zu wenig getan, um der Bevölkerung die Vorteile eines EU-Kurses zu vermitteln. Das Ergebnis einer aktuellen Umfrage unter den Bürgern der Republik Moldau stimmt ihn sehr nachdenklich: Unter allen ausländischen Politikern ist Putin am beliebtesten.