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Büttner: "Kinder leiden in Konflikten am meisten"

Rachel Baig5. Februar 2014

In Syrien begehen Regierung und Opposition Verbrechen an Kindern. Sie werden als Soldaten eingesetzt und gefoltert. Der jetzt vorliegende UN-Bericht dazu ist erschütternd, meint Wolfgang Büttner von Human Rights Watch.

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Luftangriff in Aleppo (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Ein UN-Bericht, der vom Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki Moon im Sicherheitsrat vorgestellt wurde, enthüllt, wie die Bürgerkriegsparteien Kindern unendliches Leid antun. Das 18-seitige Papier macht nicht nur der Regierung, sondern auch den Oppositionskämpfern schwere Vorwürfe. Der "unverhältnismäßige und rücksichtslose" Einsatz schwerer Waffen durch die Regierung habe zum Tode vieler Kinder geführt. Regierungstruppen seien auch für die Festnahme, Misshandlung und Folter von Kindern verantwortlich, heißt es in dem Bericht. Die Rebellen im syrischen Bürgerkrieg setzen nach Angaben der Vereinten Nationen Kindersoldaten ein, traumatisieren sie und setzen deren Leben aufs Spiel.

DW: Wie schwierig ist es, an verlässliche Informationen aus einem Krisengebiet wie Syrien zu kommen?

Wolfgang Büttner: Die Vereinten Nationen führen Gespräche mit Kindern aus der Region und mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen und versuchen auf dieser Grundlage, Daten zu sammeln. Sie sprechen dabei auch mit Regierungsverantwortlichen und Deserteuren. Danach versuchen sie dann, zu Schlüssen zu kommen.

Wie sehr kann man sich darauf verlassen, dass die Geschichten wahr sind?

Wir können uns auch nur auf die Daten der UN verlassen. Wir hören seit Beginn des Konflikts, also seit 2011, dass Kinder in Gefängnissen von Sicherheitsdiensten gefoltert werden. Die Verlässlichkeit der Information prüft man dadurch, dass man über Telefoninterviews sicherstellt, dass die Opfer das auch tatsächlich erlebt haben. Wenn man vor Ort ist versucht man, die Betroffenen zu erreichen. Also spricht man auch in Flüchtlingslagern mit Kindern, die Opfer von Folter geworden sind. Man versucht dann, die Information gegenzuprüfen, möglichst viele Stimmen zu bekommen. Auf dieser Grundlage stellt man dann die Berichte zusammen.

In Syrien weisen sich beide Seiten die Schuld für diese Verbrechen zu. Wie können solche Gräueltaten als politisches Instrument genutzt werden?

Sie können dazu benutzt werden, um abschreckend zu wirken, zum Beispiel, um Kinder davon abzuhalten, Oppositionskräfte zu unterstützen. Gleichzeitig wird Folter benutzt, um relevante Informationen zu erhalten. Wir konnten bis jetzt nur Folter von Kindern in syrischen Gefängnissen durch einheimische Geheimdienste dokumentieren.

Welche Information haben Sie zum Missbrauch von Kindern in Syrien durch die Opposition?

Wir arbeiten zurzeit an Berichten, dass es von Seiten der Opposition den Einsatz von Kindersoldaten gibt. Da gibt es auch einige glaubwürdige Belege, dass es tatsächlich stattfindet. Dazu kommt natürlich, dass es auch von Rebellengruppen zu willkürlicher Gewalt gegen Kinder kommt. Wir denken aber, dass es auf keinen Fall in dem Ausmaß geschieht wie durch die Regierungstruppen.

Gibt es vergleichbare Konflikte, in denen es zu ähnlichen Misshandlungen von Kindern gekommen ist?

Es gibt immer wieder Vorfälle, bei denen Kinder Opfer von Konflikten werden. Das passiert in allen Ländern, in denen bewaffnete Konflikte stattfinden, zum Beispiel in der Zentralafrikanischen Republik. Eigentlich leiden Kinder immer am meisten unter diesen kriegerischen Auseinandersetzungen, weil sie der schwächste Teil der Gesellschaft sind. Je länger der Konflikt andauert, umso größer ist die Generation derer, die traumatisiert werden.

Was wird oder kann nach der Veröffentlichung des Berichts der UN erwartet werden?

Die Informationen sind ja nicht neu. In Syrien werden Kinder seit Beginn des Konflikts missbraucht. Wichtig ist jetzt, dass es im Sicherheitsrat zu einer Entscheidung kommt. Es muss humanitäre Hilfe in die Gebiete kommen, die am stärksten betroffen sind. Dann ist es sehr wichtig, dass es ein Waffenembargo gibt. Außerdem muss der Sicherheitsrat sich dazu durchringen, die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.

Wie die Friedensverhandlungen in Genf gezeigt haben, ist es sehr schwierig, zwischen den Konfliktparteien zu verhandeln oder Lösungen zu finden. Die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass es im Sicherheitsrat Länder gibt, die entsprechende Resolutionen blockieren.

Wolfgang Büttner ist Pressesprecher für Human Rights Watch in Deutschland und beschäftigt sich mit der Verletzung von Menschenrechten weltweit.