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Al-Baschir soll Freie Syrische Armee stärken

Andreas Gorzewski20. Februar 2014

Mit einem neuen Generalstabschef reagiert die oppositionelle Freie Syrische Armee auf Rückschläge. Der Wechsel deutet Beobachtern zufolge auch auf die neuen Kräfteverhältnisse unter den Geldgebern der Rebellen.

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Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee geht im August 2013 in Aleppo in Deckung (Foto: Reuters)
Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee in AleppoBild: Reuters

Die Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) brauchen dringend wieder Erfolgsmeldungen. Niederlagen im Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad und ein heftiger Streit unter den Befehlshabern setzen den moderaten Regimegegnern zu. Nach dem Scheitern der Syrien-Friedensgespräche in Genf entschied sich der oberste Militärrat der FSA für einen neuen Kurs und entließ Generalstabschef Salim Idriss. Neuer Kommandeur ist Abdel Illah al-Baschir. Doch Idriss lehnte seine Absetzung am Mittwoch (19.02.2014) ab. Einige Rebellenkommandeure sprachen von einem "Putsch".

In den vergangenen Monaten war die FSA als bewaffneter Arm des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition (SNC) in mehrfacher Hinsicht unter Druck geraten. Einerseits verlor sie Boden an die Regierungstruppen und an radikale Islamisten, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahe stehen. Andererseits sagten sich einige verbündete Milizen von der FSA los und schlossen sich anderen Oppositionsgruppen an. Außerdem stellten die USA und Großbritannien im Dezember 2013 ihre Lieferungen von "nicht tödlichem" Gerät ein, nachdem Islamisten ein Depot der FSA gestürmt hatten.

Abdel Illah al-Baschir, der neue Kommandeur der Freien Syrischen Armee (Foto: AP)
Wird Al-Baschir die Reihen der moderaten Kräfte zusammenhalten können?Bild: picture alliance/AP Photo

Schwere Vorwürfe gegen abgesetzten Kommandeur

Die Kritik an Idriss war seitdem immer lauter geworden. Auch aus den eigenen Reihen war der Vorwurf zu hören, der desertierte Offizier der syrischen Regierungsarmee koordiniere die Waffenverteilung schlecht und treffe Fehlentscheidungen. Außerdem soll er sich mit dem Verteidigungsminister der oppositionellen Übergangsregierung, Assad Mustafa, zerstritten haben.

Nach Einschätzung des Syrien-Experten Yezid Sayigh vom Nahost-Büro der Carnegie-Stiftung wollten vor allem die USA und Saudi-Arabien einen neuen Mann an der FSA-Spitze. Durch den Wechsel sollten die Oppositionsverbände schlagkräftiger werden. "Das ist umso nötiger geworden, als die Genfer Gespräche keine Ergebnisse gebracht hatten", sagt Sayigh im DW-Gespräch.

Die Ablösung des Oberbefehlshabers markiert eine Verschiebung der Gewichte unter den Geldgebern der in zahllose Gruppen zersplitterten Regimegegner. "Salim Idriss, der seinen Sitz in der Türkei hatte, besaß keine echte Basis vor Ort. Er verkörperte die frühere Verbindung zu Katar", erklärt Sayigh. Die neue militärische Führung um Al-Baschir stehe dagegen den Saudis näher. Auch der Vorsitzende der Nationalen Syrischen Koalition, Ahmad al-Dscharba, gilt als Mann der Saudis. Mit Al-Baschir als Generalstabschef könnten die Abstimmungen zwischen politischer und militärischer Führung des Bündnisses daher leichter werden.

Der ehemalige Generalstabschef Idriss (Archivfoto: Xinhua)
Idriss wurde vorgehalten, strategische Fehlentscheidungen zu treffenBild: imago/Xinhua

Verlagerung der Operationen in den Süden

Unter der neuen Führung sei es möglich, dass die Kommandostrukturen von der Türkei nach Jordanien verlagert werden, mutmaßt die libanesische Zeitung Al-Akhbar. Ein Grund dafür könnte sein, dass die FSA die wichtigsten Grenzübergänge zwischen Syrien und der Türkei an islamistische Kämpfer verloren hat. Von Jordanien aus lassen sich die Rebellengebiete im Süden Syriens mit Waffen und Nachschub versorgen. Dazu passt, dass Al-Baschir zuvor die FSA-Operationen in der südsyrischen Provinz Kuneitra befehligte. Dort war 2013 auch sein Sohn bei Gefechten mit der syrischen Armee getötet worden, wie Al-Akhbar berichtete.

Desertierte Soldaten und Offiziere der syrischen Regierungsarmee hatten die FSA im Sommer 2011 gegründet. Sie wird als moderate Gruppe vor allem vom Westen und den arabischen Golfstaaten unterstützt. Ihr stehen andere Rebellengruppen wie die Islamische Front oder der Islamische Staat in Irak und Syrien (ISIS) gegenüber. Charles Lister, Experte für den Syrien-Konflikt bei der US-Denkfabrik Brookings, schätzt die Zahl der Kämpfer auf wenige Zehntausend. "Die FSA ist eher ein Markenname oder eine Dachorganisation als eine strukturierte militärische Kraft", erklärt er.

Ein Kämpfer der Freien Syrische Armee mit Zigarette im Mai 2013 in Aleppo (Foto. Reuters)
Niederlagen und interner Streit haben die Freie Syrische Armee geschwächtBild: Reuters

Rebellen erhalten nun vielleicht moderne Waffen

Mit einer neuen Generalstabsspitze erhalten die moderaten Rebellen nun vielleicht die modernen Waffen, die sie schon lange einfordern. Bislang zögerten die USA und andere Staaten, Flugabwehrraketen zu liefern. Washington befürchtet, dass die Waffen Islamisten in die Hände fallen könnten. Doch nun will vor allem Saudi-Arabien angeblich High-Tech-Gerät bereitstellen: "Es gibt Andeutungen, dass tragbare Boden-Luft-Raketen an die Rebellen im Süden des Landes gehen könnten", berichtet Brookings-Experte Lister. Das könnte das militärische Kräfteverhältnis zumindest in diesem Teil des Bürgerkriegslandes verändern.

Das Hauptproblem der Rebellen ist aus der Sicht von Sayigh aber nicht die unzureichende Bewaffnung, sondern ihreinternen Konflikte. Noch immer sei die Fähigkeit begrenzt, Kräfte auf verschiedenen Schlachtfeldern zu koordinieren. Ob ein neuer Generalstabschef die Geschlossenheit stärkt, ist nicht sicher. Einzelne Feldkommandeure kündigten nach der Idriss-Ablösung dem FSA-Militärrat die Gefolgschaft. Deshalb bezweifelt Lister, dass der neue Mann an der Spitze die Reihen zusammenhalten kann: "Was als Versuch begann, die moderaten Kräfte innerhalb Syriens weiter zu vereinen, könnte sich als Aktion herausstellen, die mehr spaltet als verbindet."