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Übergriff war ein Einzelfall

Günther Birkenstock 2. März 2013

Der Angriff auf einen Vorgesetzten mit thailändischen Wurzeln auf einem deutschen Marineboot hat Aufsehen erregt. Für den Hauptmann d. R. Ntagahoraho Burihabwa ist das kein Symptom von Fremdenfeindlichkeit in der Truppe.

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Das Schnellboot "Hermelin", auf dem Soldaten einen Vorgesetzten geknebelt und bemalt haben (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vier Marine-Soldaten der Bundeswehr haben auf einem Schnellboot im Libanon-Einsatz einen Vorgesetzten gefesselt und mit Farbe beschmiert. "Hier wohnen die Mongos" sollen sie dem Bootsmann, einem Deutschen thailändischer Herkunft, auf ein Bein geschrieben haben. Das Bundesverteidigungsministerium trat Vermutungen, der Übergriff könne möglicherweise einen rassistischen Hintergrund haben, deutlich entgegen. Nach bisherigen Erkenntnissen soll es ein persönlicher Racheakt gewesen sein, weil der Bootsmann seine Untergebenen provoziert habe.

Ntagahoraho Burihabwa, Hauptmann der Reserve, war zwölf Jahre im Bundeswehrdienst und hat 2010 den Verein "Deutscher Soldat" gegründet, einen Verband von Soldaten mit Migrationshintergrund. Burihabwas Eltern stammen aus dem ostafrikanischen Burundi. Er selbst ist in Deutschland geboren und seit seinem dritten Lebensjahr deutscher Staatsbürger. Wir haben mit ihm über Fremdenfeindlichkeit in der Bundeswehr gesprochen.

Deutsche Welle: Herr Burihabwa, wie schätzen Sie den Übergriff auf einen Marinesoldaten in Beirut ein?

Hauptmann d.R. Ntagahoraho Burihabwa Vorsitzender Deutscher Soldat e.V. Foto: Dominik Wullers Verein Dt. Soldat e.V. via Günther Birkenstock, DW
Hauptmann d.R. Ntagahoraho BurihabwaBild: Dominik Wullers

Ntagahoraho Burihabwa: Für mich ist das in erster Linie ein Angriff auf einen Vorgesetzten gewesen. Laut Einsatzführungskommando ist es so, dass bislang keine Hinweise bestehen, dass diese Tat einen rassistischen Hintergrund hat. Und da ich keinerlei andere Information habe, habe ich auch vollstes Vertrauen, dass die Bundeswehr vernünftig ermittelt hat und das, was das Einsatzführungskommando sagt, auch der Wahrheit entspricht.

Haben Sie in Ihrer Laufbahn ähnliche Dinge erlebt? Waren Sie persönlich Diskriminierungen ausgesetzt?

Nein, so etwas habe ich nicht erlebt. Das ist ja schon extrem, wenn Untergebene ihren Vorgesetzten fesseln und ihm etwas aufs Bein schreiben. Ich habe die eine oder andere Erfahrung in punkto Rassismus bei der Bundeswehr gemacht, allerdings muss ich sagen, dass das überhaupt nicht symptomatisch ist für die Bundeswehr und dass ich die schlimmsten Erfahrungen mit Rassismus außerhalb der Bundeswehr gemacht habe. Und dort habe ich auch weitaus mehr negative Erfahrungen gemacht als in der Bundeswehr. Meine Erfahrungen in der Bundeswehr lagen nicht daran, dass die Bundeswehr die Bundeswehr ist, sondern daran, dass Rassismus noch ein gesellschaftliches Problem ist und sich das in allen Bereichen der Gesellschaft widerspiegelt.

Was unternimmt man in der Bundeswehr, um Fremdenfeindlichkeit und Gewalt zu vermeiden?

In der Bundeswehr gibt es eine große Sensibilität für dieses Thema. Das fängt schon in der Grundausbildung im Rahmen der politischen Bildung an. Da wird im Unterricht ganz deutlich gemacht, dass dieses Gedankengut innerhalb der deutschen Streitkräfte keinen Platz hat und auch entsprechend dagegen vorgegangen wird.

Gibt es einen Aufnahmecheck in der Truppe, um Personen mit rechtsextremer Gesinnung auszusortieren?

Für die Laufbahn der Offiziere und Unteroffiziere sicher schon. Man führt ja auch Gespräche unter anderem mit Psychologen, wo es darum geht, den Charakter der Person näher kennenzulernen. So gesehen ist das dort integriert. Bei den Mannschaftsdienstgraden, die freiwillig zur Bundeswehr kommen, ist das meines Wissens auch schon so. Bei der Wehrpflicht war es nicht möglich, das so gezielt zu erfragen. Aber wir haben ja den Militärischen Abschirmdienst und wenn wir einen Verdacht gegen eine Person haben, die eingezogen wurde, dann wurde das natürlich überprüft und diese Soldaten wurden dann aus dem Dienst entfernt oder haben ihren Dienst erst gar nicht angetreten.

Wie sehen Ihre persönlichen Erfahrungen mit Diskriminierung aus?

Innerhalb der Bundeswehr waren die Fälle in erster Linie verbale Beleidigungen, die sich gegen mein Aussehen richteten. Das wurde gemeldet und dagegen ist man dann auch vorgegangen. Außerhalb der Bundeswehr habe ich die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht, angefangen mit verbalen Beleidigungen als Nigger oder auch, dass man mir Affengeräusche hinterher gerufen hat. Und es ist schon so, dass ich sehr oft von der Polizei angehalten wurde, und nach meinem Ausweis gefragt wurde. Einmal ist mir das sogar in Uniform passiert, was mich sehr verletzt hat. Das sind subtile Erlebnisse, die sicher viele Menschen mit anderer Hautfarbe in Deutschland machen.

Wenn Sie einen Verein für deutsche Soldaten mit Migrationshintergrund gründen, sieht das so aus, als ob sie auf Probleme dieser Soldaten aufmerksam machen wollen.

Nein, das ist ein häufiges Missverständnis. Wir sind kein Selbsthilfe-Verein für Soldaten mit Migrationshintergrund, die auf eine erhöhte Sensibilität in den Streitkräften hinarbeiten wollen. Unser Verein möchte aus der Bundeswehr heraus in die Gesellschaft einen positiven Impuls geben in die Integrationsdebatte, die wir als sehr undifferenziert und einseitig betrachten. Insbesondere geht es darum, das Klischee und den Vorwurf der mangelnden Integrationsbereitschaft bei Migranten in Deutschland zu konfrontieren mit der Realität unserer Biografien. Wir sind Soldaten mit Migrationshintergrund, die sich zu 100 Prozent mit Deutschland identifizieren und sogar bereit sind, im schlimmsten Fall, für Deutschland ihr Leben zu lassen.

Es geht darum, der deutschen Gesellschaft zu zeigen, dass es auch Menschen hier gibt, die eine andere Hautfarbe und eine andere Religion haben und das kein Hindernis ist, sich in ihrer deutschen Heimat zu Hause fühlen und sie auch bereit sind, dafür einzustehen.