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Öffentlicher Dienst streikt in Spanien

8. Juni 2010

Für 24 Stunden legen die Beamten und Beschäftigten im Öffentlichen Dienst Spaniens die Arbeit nieder. Sie protestieren gegen Gehaltskürzungen. Damit könnte eine Protestwelle gegen die sozialistische Regierung beginnen.

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Gewerkschaftsanhänger demonstrieren gegen die Wirtschaftskrise Barcelona (Archivfoto, dpa 2009)
Gewerkschaftsanhänger demonstrieren gegen die Wirtschaftskrise (Archivfoto)Bild: picture-alliance/ dpa

Die Gewerkschaft CCOO, bisher eher Verbündete der sozialistischen Minderheitsregierung, lehnt die von Ministerpräsident José Zapatero vorangetriebene Reform des Arbeitsmarktes ab. Bis Ende Juni will Zapatero ein Gesetzespaket zur Änderung des Kündigungsschutzes schnüren und die Gehälter der 2,7 Millionen Staatsbediensteten um fünf Prozent kürzen. Außerdem sollen die Renten eingefroren werden. Die Gewerkschaften steuern auf einen Generalstreik zu, der die gesamte spanische Wirtschaft lähmen würde. Ein Streik würde das Vertrauen der Finanzmärkte in das stark verschuldete Spanien womöglich weiter erschüttern.

Arbeitsmarktreform wird zur Gretchenfrage

Spaniens Regierungschef Zapatero (Foto: AP)
Spaniens Regierungschef Zapatero muss sparenBild: AP

Schafft es Ministerpräsident Zapatero nicht bis Ende Juni eine Reform der verkrusteten Arbeitsmärkte mit ihrem rigiden Kündigungsschutz zu bringen, wäre seine Regierung wahrscheinlich am Ende. Im Parlament in Madrid verfügt die sozialistische Partei nicht über eine eigene Mehrheit, sondern ist auf Regionalparteien oder die Opposition angewiesen. Der Oppositionsführer, Mariano Rajoy von der konservativen Partei, wirft Zapatero vor, dem Volk nicht die Wahrheit über die schlechte Wirtschaftslage zu sagen. Diejenigen, die die Krise nicht verursacht haben, müssten sie jetzt ausbaden. Käme es zu Neuwahlen, würden nach Meinungsumfragen die Konservativen gewinnen. 81 Prozent aller Spanier glauben, dass die sozialistische Regierung die falschen Antworten auf die Finanzkrise gibt.

Teure Staatsanleihen

Arbeitslose stehen bei einer Arbeitsvermittlung in Madrid an (Foto: AP)
Arbeitslose stehen bei einer Arbeitsvermittlung in Madrid anBild: AP

Vor kurzem hatte Zapatero Einsparungen von 15 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf den Weg gebracht. Er muss die Neuverschuldung in drei Jahren auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken, um die Regeln der Europäischen Union wieder einzuhalten. 2009 lag die Neuverschuldung wegen Bankenrettung und Konjunkturpaketen bei über elf Prozent. Das Vertrauen der Finanzmärkte in den spanischen Staat schwindet zusehends. Inzwischen muss Spanien für seine Staatsanleihen 4,56 Prozent Zinsen an Anleger zahlen. Das sind zwei Prozent mehr als Deutschland für seine Anleihen ausgeben muss. Der Abstand zwischen deutschen und spanischen Anleihen hat sich innerhalb von vier Wochen verdoppelt. Ratingagenturen senkten die Bonität Spaniens. Für den spanischen Staat wird es damit teurer, seine Schulden zu finanzieren. Die Anleger begründeten ihre Zweifel ironischerweise mit den ehrgeizigen Sparzielen der Regierung. Diese seien wahrscheinlich nicht durchzusetzen. Die Regierung könnte scheitern, heißt es an den Börsen.

Deutsche Bank-Chef als Berater

Bereits zweimal ist der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, in den letzten Wochen mit dem spanischen Ministerpräsidenten, Zapatero, in Madrid zusammengetroffen. Private Besuche seien das gewesen, so ein Regierungssprecher. Zapatero wird Ackermann sein Leid über das Verhalten der Finanzmärkte geklagt haben. Die Deutsche Bank spielt eine entscheidende Rolle bei der Platzierung spanischer Staatsanleihen. Mitte Juni muss Spanien acht Milliarden Euro für kurzfristige Staatsanleihen aufbringen. Ende Juli werden noch einmal 16 Milliarden Euro fällig. Auch der ausgelobte Rettungsschirm von Internationalem Währungsfonds und Europäischer Union für bedrohte Länder in der Eurozone in Höhe von 750 Milliarden Euro hat für Spanien den Abwärtstrend nicht aufhalten können.

Hohe Arbeitslosigkeit

Spaniens Oppositionsführer Mariano Rajoy (Foto: AP)
Der spanische Oppositionsführer Mariano RajoyBild: AP

Die Spanier spüren die Krise vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Die Quote liegt knapp unter 20 Prozent. Junge Leute unter 25 Jahren haben sogar zu 40 Prozent keinen Job. Diejenigen, die einen ergattern können, werden meist nur befristet angestellt und verdienen selten mehr als 1000 Euro. Viele junge Berufstätige sind auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Die spanische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal nur minimal um 0,1 Prozent. Allerdings erholt sich der Bau- und Immobiliensektor wieder. Das abrupte Ende des Baubooms hatte vor drei Jahren die Wirtschaftskrise in Spanien ausgelöst.

Autor: Bernd Riegert (zurzeit Barcelona)
Redaktion: Reinhard Kleber