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Zypern am Zug

Christoph Hasselbach20. März 2013

Die EU reagiert bisher überraschend zurückhaltend auf die schroffe Ablehnung des Hilfsangebots im zyprischen Parlament. Doch die Bereitschaft wächst, an dem Land ein Exempel zu statuieren.

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Zyprische Eineuromünze (Foto: k.a.)
Bild: picture-alliance/Stephan Persch

Die Eurogruppe hatte sicher mit Widerstand auf Zypern gerechnet. Aber dass am Ende kein einziger Abgeordneter dem Hilfsangebot zustimmte, scheint sie kalt erwischt zu haben. Jetzt ist die Ratlosigkeit groß, wie es weitergehen soll. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble gab noch am Dienstagabend (19.03.2013) eine Stellungnahme heraus. Darin bleibt er hart in der Sache, aber freundlich im Ton. Sein oberstes Ziel scheint zu sein, die gesamte Eurozone zu beruhigen: Er bedaure die Entscheidung, heißt es, das Angebot bleibe aber "auf dem Tisch". Zypern sei aufgrund der Größe des Finanzsektors "ein sehr spezieller, einzigartiger Fall" in der Währungsunion - eine Anspielung darauf, dass eine Beteiligung privater Sparer in anderen Ländern ausgeschlossen bleiben soll.

Doch der deutsche Finanzminister scheint auch bereits an die Möglichkeit zu denken, dass keine Lösung gefunden wird. "Wir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die Entscheidung auf Zypern keine negativen Auswirkungen auf den Rest der Eurozone haben wird." Vorübergehend springt erneut die Europäische Zentralbank als Retter ein. Sie will Zypern erst einmal mit frischem Geld versorgen, solange die Suche nach einer Lösung im Gange ist.

Kommission: Nikosia hat Schonung von Kleinsparern verhindert

Die Finanzminister der Eurogruppe halten sich für ein weiteres Treffen bereit. Doch für sie ist jetzt Zypern am Zug. So sieht es auch die Kommission. Ihr Sprecher Olivier Bailly sagte am Mittwoch (20.03.2013), es sei nun "Sache der zyprischen Regierung, ein Alternativszenario vorzulegen". Das müsse aber die Kriterien der Schuldentragfähigkeit beachten. Mit anderen Worten: Zypern muss den geforderten Eigenanteil von 5,8 Milliarden Euro aufbringen, wenn nicht bei den Sparern, dann anders. Und auch wenn ein Alternativvorschlag vorliegt, so Kommissionssprecher Bailly, müsse die Eurogruppe zustimmen.

Abgeordnete heben die Hand Photo: AFP/Freier Fotograf
FÜR das Hilfsangebot wollte niemand die Hand heben.Bild: AFP/Freier Fotograf

Die Kommission hat auch noch einmal die Verantwortung für die Beteiligung von Kleinsparern mit Einlagen bis 100.000 Euro klar der zyprischen Regierung zugeschoben. Vor allem dieser Vorschlag hatte einen Aufschrei in ganz Europa bewirkt. Die Kommission, so Bailly, habe eine Schonung von Vermögen bis 100.000 Euro gefordert. Doch "die zyprische Regierung hat dieses Alternativszenario nicht akzeptiert".

Vier Szenarien

Es sind nun im wesentlichen vier verschiedene Möglichkeiten denkbar:

1. Das zyprische Parlament schluckt, nachdem es sich des Ernstes der Lage vielleicht erst jetzt bewusst ist, doch noch die Bedingung, dass auch auf private Einlagen auf Zypern eine Zwangsabgabe entrichtet werden muss. Dann käme das Hilfspaket der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zustande. Oder Zypern bringt das Geld anders auf. Ob die Eurogruppe einem Plan B zustimmt, hinge von der Art dieser neuen Geldquellen ab.

Die Rolle des deutschen Wahlkampfs

2. Die EU befürchtet ein Übergreifen der Krise auf andere Euro-Staaten, beißt deshalb in den sauren Apfel und übernimmt selbst die fehlenden 5,8 Milliarden ganz oder teilweise. Die Summe ist, verglichen mit den hunderten Milliarden, die bereits in verschiedene Rettungspakete und -schirme gesteckt wurden, winzig klein. Trotzdem scheint diese Option unwahrscheinlich. Bei einer Zypern-Hilfe scheint es in vielen Geberländern politisch nicht mehr durchsetzbar, dass fremde Steuerzahler die Vermögen russischer Oligarchen schützen. Gerade in Deutschland, wo im September die Bundestagswahl stattfindet, könnte sich keine Partei mit so einer Position blicken lassen.

Zyperns Finanzminister Sarris spricht in Mikrophone Photo: ALEXANDER NEMENOV/AFP/Getty Images
Zyperns Finanzminister Sarris verhandelt in MoskauBild: ALEXANDER NEMENOV/AFP/Getty Images

Die EU sähe eine russische Hilfe gar nicht gern

3. Zypern lässt sich von Russland helfen, schont die Vermögen, erhält damit seine Attraktivität für ausländische Anleger und räumt Russland als Gegenleistung zum Beispiel Förderrechte für seine Erdgasvorkommen ein. Die beiden Staatspräsidenten, Nikos Anastasiades und Wladimir Putin, haben am Dienstagabend (19.03.2013) miteinander telefoniert. Dabei hat Putin offenbar Anastasiades gewarnt, er solle den Interessen russischer Einzelpersonen und Unternehmen nicht schaden. Zyperns Finanzminister Michalis Sarris ist an diesem Mittwoch (20.03.2013) in Moskau.

Rettung aus Russland wäre aber ärgerlich für die EU. Sie will verhindern, dass Russland über eine Hilfe zu viel Einfluss in einem EU-Staat bekommt. Die EU versucht im Gegenteil gerade in der Energiepolitik, sich unabhängiger von Russland zu machen. Ende der Woche reist eine Delegation der Kommission nach Moskau. Das Treffen war lange vor der Zypern-Krise geplant. Das Thema wird aber eine wichtige Rolle spielen.

Das bisher Undenkbare wird allmählich salonfähig

4. Die EU lässt Zypern pleitegehen. Es wäre ein dramatischer Wendepunkt in der bisherigen Politik. Denn bisher gab es einen Konsens, alle Mitglieder in der Währungsunion zu halten und dafür fast jeden Preis zu zahlen. Doch Zweifel sind in letzter Zeit immer wieder geäußert worden, ob das kleine Zypern wirklich systemrelevant für die gesamte Eurozone ist und damit eine Voraussetzung für Hilfe erfüllt. Es könnte inzwischen sein, dass sich die Eurogruppe diesmal auf das Risiko einer Staatspleite einlässt und hofft, dass die Auswirkungen sich in Grenzen halten. Dafür, dass sie begrenzt bleiben würden, könnte die Tatsache sprechen, dass die Aktienindizes in einigen wichtigen Börsen wie Frankfurt und London am Tag nach der Ablehnung nicht etwa gefallen, sondern gestiegen sind.

Kunden vor Bankautomat Photo: Reuters
Nur kleine Beträge: Zyperns Banken bleiben bis auf weiteres geschlossen.Bild: Reuters

Angst vor Kapitalflucht

Inzwischen gibt es auch unorthodoxe Angebote von orthodoxer Seite. Die Orthodoxe Kirche Zyperns hat sich bereiterklärt zu helfen, indem sie auf ihr Vermögen Hypotheken aufnimmt und Staatsanleihen kauft. Wieviel dabei zusammenkäme, ist unklar. Die Banken auf Zypern bleiben unterdessen wohl bis auf weiteres geschlossen, doch die Menschen können an Bankautomaten kleine Beträge abheben. Auch nach Öffnung der Banken könnten Auslandsüberweisungen aber gesperrt bleiben. Die Regierung will verhindern, dass Vermögensbesitzer ihre Konten räumen. Ein massiver Kapitalabfluss dürfte aber unausweichlich sein, sobald die Bankhäuser wieder öffnen.