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Mein erster Wirbelsturm

Brigitte Osterath23. Februar 2015

Oft habe ich über tropische Wirbelstürme geschrieben, noch öfter Bilder von den verheerenden Verwüstungen gesehen, die sie hinterlassen. Dann bin ich plötzlich selbst betroffen.

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Starke Regenfälle nach Zyklon in Australien (Foto: DW/B. Osterath).
Zyklon Marcia brachte viel Regen nach QueenslandBild: DW/B. Osterath

Eigentlich glaubte ich, alles über tropische Wirbelstürme zu wissen: warum und wo sie entstehen, dass sie ganze Regionen dem Erdboden gleich machen und dass Forscher noch immer nicht sicher sagen können, ob Wirbelstürme aufgrund des Klimawandels häufiger werden oder ihr vermehrtes Auftreten in letzter Zeit nur Zufall ist.

Aber eines wusste ich nicht: Wie man sich fühlt, wenn man selbst betroffen ist. Dann erfuhr ich, dass ein Zyklon auf Australiens Nordostküste zukam - in etwa da, wo ich mich gerade aufhielt.

Zwei Zyklone gleichzeitig

Am Donnerstag (19.02.2015) fegten gleich zwei Zyklone auf Australien zu: "Lam" im Norden in der Nähe von Darwin, "Marcia" im Nordosten, an der Küste Queenslands.

Lam ließ mich einigermaßen kalt, denn Darwin ist weit weg. Aber Marcia machte mir Angst - große Angst. Obwohl ich durchaus keine ängstliche Person bin. Aber im Gegensatz zu freiwilligen Aktionen wie Fallschirmspringen, Reisen in den Urwald Afrikas und Tauchen auf 40 Meter Tiefe, hatte ich diesmal keine Wahl.

Der Zyklon würde kommen, ob ich nun wollte oder nicht - ich war ihm vollkommen ausgeliefert. Regenfluten, Überschwemmungen, zerstörende Winde, Stromausfälle - ich musste dem harren, was kam. Und ich befürchtete, dass ein tropischer Wirbelsturm ein anderes Kaliber hatte als die Stürme, die wir in Deutschland kennen.

Australier bleiben gelassen

Die Einheimischen im Städtchen Bundaberg lassen sich allerdings nicht aus der Ruhe bringen - obwohl auch Bundaberg im Warngebiet lag. "Das ist doch mal was Neues - Zyklone habt ihr in Deutschland nicht, oder?" sagt eine Verkäuferin und lacht. Ob das ernst gemeint war oder nur der Sarkasmus der Australier, den ich schon so oft erlebt habe, ist mir bis heute nicht klar.

Steve, der Touristen durch die Rum-Destillerie führt und direkt an der Küste wohnt, hat lediglich Sorgen um sein Fenster. Da regne es bei einem starken Sturm manchmal rein, sagt er.

Barkeeper Sam ergänzt, dass die Einheimischen Überschwemmungen am meisten fürchten. Heftiger Wind macht ihnen offensichtlich weniger Sorgen. Vielleicht liegt das daran, dass seit 1985 laut Bauordnung alle neu erbauten Häuser in Zyklon-Gebieten für starke Winde gerüstet sein müssen. Marcia ist schon der fünfte Zyklon in den letzten fünf Jahren, der über Queensland hinwegfegt.

Schlimmer als zunächst erwartet

Auch wenn einige Australier den bevorstehenden Sturm locker sehen - ich beschließe, aus dem Warngebiet zu flüchten, und mache ich mich auf den Weg nach Süden, in die Zwei-Millionen-Stadt Brisbane.

Eine weise Entscheidung. Denn Marcia, die erst als Sturm der Kategorie 2 vorhergesagt war, wird noch am Donnerstagabend vom meteorologischen Dienst auf Kategorie 5 hochgestuft - der höchstmöglichen Warnstufe mit Windgeschwindigkeiten von mindestens 250 Kilometer pro Stunde und oft katastrophalen Auswirkungen. Im australischen Fernsehen sagen Reporter, dass sie noch nie über einen Zyklon berichtet haben, der sich so schnell intensiviert hat.

Gut vorbereitet

Auf meiner mehrwöchigen Reise durch Down Under habe ich oft darüber gelacht, wie übertrieben sicherheitsbewusst die Australier sind - jetzt bin ich froh drum. Es gibt mir das Gefühl, dass die Australier auch auf einen Zyklon vorbereitet sind und alles tun werden, was in ihrer Macht steht.

Australien Zyklon Marcia Immer neue Autos reihen sich ein, um Sandsäcke abzuholen Immer neue Autos reihen sich ein, um Sandsäcke abzuholen.
Die Schlange wird nicht kürzer. Immer neue Autos reihen sich ein, um Sandsäcke abzuholen.Bild: DW/B. Osterath

Als ich am Freitagmorgen (20.2.2015) aufwache, ist der Zyklon bei Shoalwater Bay, etwa 600 Kilometer nördlich von Brisbane aufs Land getroffen und braust Richtung Süden.

Im Fernsehen laufen Berichte und Warnungen rauf und runter. Queenslands gerade frisch vereidigte Ministerpräsidentin Annastacia Palaszczuk und Sicherheitsbeamte warnen die Zuschauer, ihr Haus nicht zu verlassen und sich am besten im Badezimmer - dem sichersten Ort im Haus - einzuquartieren. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten stehen Notquartiere zur Verfügung.

Die Stadt Brisbane füllt pausenlos Sandsäcke und gibt insgesamt 190.000 kostenlos an seine Bürger ab. Die Menschen hier wissen, was sie erwartet: Erst 2011 gab es in Brisbane eine große Überschwemmung.

Australien Zyklon Marcia: Straße aufgrund von Überschwemmung gesperrt (Foto: DW/B. Osterath).
In Australien heißt es: "if it is flooded, forget it" - nicht unbedingtBild: DW/B. Osterath

Nur noch tropisches Tief in Brisbane

Während Marcia übers Land nach Süden jagt, verliert sie relativ schnell an Gewalt. Als sie am Samstagmorgen (21.2.2015) Brisbane erreicht, gilt sie schon nicht mehr als Zyklon, nur noch als tropisches Tief. Alles, was ich mitbekomme, ist eine Menge Regen und überschwemmte Straßen - das war's.

Weiter nördlich allerdings hat der Zyklon mächtig gewütet: Über 500 Häuser sind durch Wind und Wasser beschädigt, vor allem in den Städten Rockhampton und Yeppoon. Etwa 60.000 Haushalte sind ohne Strom. Die gute Nachricht aber: Es gibt keine Toten - nicht mal Verletzte. Meine erste Erfahrung mit einem tropischen Wirbelsturm war am Ende also halb so schlimm. Und da bin ich wirklich froh drum.