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Das Politjahr 2013

Bernd Gräßler1. Januar 2013

Wer wird künftig Deutschland regieren? Der Kampf um den Einzug in den Bundestag wird in den kommenden Monaten die deutsche Politik bestimmen. Doch auch Themen des vergangenen Jahres bleiben aktuell.

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Angela Merkel (Foto:Geert Vanden Wijngaert/AP/dapd)
Bild: dapd

"Stress lass nach!" Unter diesem Motto hat die Linkspartei kürzlich eine Kampagne gegen psychische Belastung im Arbeitsalltag gestartet - und dürfte damit ausnahmsweise einmal Zustimmung im Berliner Regierungsviertel ernten. Denn eines ist sicher: Auch 2013 wird die Eurokrise das Nervenkostüm, den Reise-Etat und das Zeitbudget des Berliner Politikbetriebes auf eine harte Belastungsprobe stellen. Fünf von 17 Euroländern sind inzwischen auf Hilfen angewiesen, Deutschland ist der größte Bürge und Zahlmeister. "Wir hängen alle zusammen im Euroraum, und das prägt meine Arbeit. Europa-Arbeit ist auch immer innenpolitische Arbeit", verkündete Kanzlerin Angela Merkel in ihrer monatlichen Videobotschaft im Dezember.

Das gilt umso mehr für das Bundestagswahljahr 2013, wenn die Krise erstmals direkt den Bundeshaushalt hierzulande belasten wird und neue Hilferufe drohen. Für Merkel höchste Alarmstufe: Sollten die Deutschen das Vertrauen in ihre Künste als "Euro-Retterin" verlieren, geriete ihre dritte Kanzlerschaft ernsthaft in Gefahr.

Aber neun Monate vor dem Wahltermin sieht es für die amtierende Kanzlerin ziemlich gut aus. Zwar hat ihre Koalition laut jüngsten Umfragen keine Mehrheit mehr. Doch zum einen muss der Niedergang des liberalen Koalitionspartners nicht anhalten, zum anderen hat Merkel andere Optionen. Denn ihre Christen-Union ist klar die stärkste Kraft. Weil  es für SPD und Grüne zusammen nicht reicht, sie aber nicht mit der Linken koalieren wollen, geht aus derzeitiger Sicht nichts ohne die Merkel-Union.

Große Koalition - mit Merkel, ohne Steinbrück?

Eine sogenannte Große Koalition aus Union und SPD unter Merkel im Herbst scheint deshalb nicht ausgeschlossen. Die Ankündigung des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, er stehe dafür nicht zur Verfügung, bedeutet lediglich, dass er dem Kabinett dann nicht als Vizekanzler angehören würde und an seiner Stelle Frank-Walter Steinmeier einspringen könnte. Spekuliert wird in Berlin auch über eine Bundesregierung aus Union und Grünen. Das erste schwarz-grüne Regierungsexperiment scheiterte allerdings vor zwei Jahren kläglich im Stadtstaat Hamburg. Alle jetzigen Rechnungen durchkreuzen könnte - neben Katastrophen à la Fukushima – ein Einzug der jungen Piraten-Partei in den Bundestag. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.

Als früher Test für die Bundestagswahl wird die Wahl im Bundesland Niedersachsen betrachtet. Dort läuft die mit der CDU regierende FDP Gefahr, aus dem Landtag zu fliegen. Das wäre ein schlechtes Omen für die Berliner Koalition und womöglich das Ende von Philipp Rösler als FDP-Chef.

Der deutsche Wahlkampf wird auch den Kampf gegen die Euro-Krise nicht verschonen. Die Bundesregierung will Risiken für den deutschen Haushalt auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben, z.B. die Direktfinanzierung von Banken durch die EZB oder einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland.

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Euroähnliche Münze mit der Abbildung Angela Merkels Foto:Archiv
Angela Merkel - Miss Euro?Bild: picture-alliance/John Greve

Gelingt die Energiewende?

Ganz oben auf der Prioritätenliste von Finanzminister Wolfgang Schäuble steht die weitere Regulierung der Finanzmärkte. Dazu gehören vor allem die sogenannten Bankentestamente zur Abwicklung angeschlagener Geldhäuser und die Absicherung der Geldgeschäfte der Banken mit mehr Eigenkapital, um zu vermeiden, dass dafür stets der Steuerzahler einspringt.

Die mit dem Ausstieg aus der Atomenergie eingeleitete "Energiewende" wird für die Deutschen im neuen Jahr teuer: Die Strompreise steigen, für einen Vier-Personen-Haushalt kann das 125 Euro mehr im Jahr bedeuten. Damit wird u.a. der Aufbau von Windenergie-Anlagen auf hoher See und von neuen Leitungsnetzen gefördert. Deutschland ist eine Art Pionier beim Verzicht einer hochentwickelten Volkswirtschaft auf Atomstrom, doch die Frage, ob das Experiment gelingt, ist noch nicht beantwortet, meint die Mehrheit der Top-Entscheider der deutschen Wirtschaft in einer Umfrage des Wirtschafts-Magazins "Capital".

Arabellion, Syrien und Afghanistan

Außenpolitisch steht schon bald ein schwieriger Besuch ins Haus: Der ägyptische Präsident Mohamed Mursi wird in Berlin erwartet, inmitten der erbitterten Auseinandersetzung zwischen islamistischen und säkularen Kräften in Ägypten. Die Folgen der mit viel Sympathie begleiteten "Arabellion" hatte man sich in Europa sicherlich anders vorgestellt. Doch die Regierung will trotzdem mit diesem bedeutenden arabischen Land im Gespräch bleiben.

Ägyptens Präsident Mursi (Foto:Maya Alleruzzo/AP/dapd)
Ägyptens Präsident Mursi will 2013 nach Berlin kommenBild: AP

Gleiches gilt auch für das Ursprungsland der "Arabellion", Tunesien, wo ebenfalls Islamisten und Liberale um die Macht kämpfen und im Juni Parlamentswahlen anstehen. Eine weitere Herausforderung für die deutsche Außenpolitik bleibt Syrien, an dessen  Grenze im neuen Jahr 400 Bundeswehrsoldaten mit zwei Luftabwehrsystemen vom Typ "Patriot" in Stellung gehen werden, um den Bündnispartner Türkei zu schützen. Die Bundeswehr wird damit über 7000 Soldaten im Auslandseinsatz haben, wobei die Zahl durch den 2013 beginnenden Rückzug aus Afghanistan sinken könnte. 

Neue Arbeit für NSU-Aufklärer?

Innenpolitisch wird der Rechtsextremismus vermutlich erneut Schlagzeilen produzieren. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass bereits 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht ein Urteil über den Verbotsantrag des Bundesrates gegen die rechtsextreme NPD fällt. Aber im Frühjahr wird in München der Prozess gegen Beate Zschäpe erwartet, das einzige überlebende Mitglied des Trios "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), das jahrelang unerkannt geraubt und zehn Menschen getötet hatte. Sollte die 37-Jährige doch noch ihr Schweigen brechen, könnte das womöglich ganz neue Erkenntnisse bringen - und damit neue Arbeit für die Aufklärer, darunter den Bundestags-Untersuchungsausschuss.

Sicher ist, dass auch 2013 wieder täglich das Murmeltier grüßen wird. Nicht nur die Eurokrise, auch die "permanente Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus" bleibt den Deutschen erhalten. Und die Schuldenuhr beim Bund der Steuerzahler wird mit jeder Sekunde eine um rund 1300 Euro vergrößerte Staatsschuld anzeigen. Die Milliarden-Dollar-Frage für die deutsche Hauptstadt könnte 2013 lauten: Wird die bereits dreimal verlegte Eröffnung des Berliner Hauptstadtflughafens tatsächlich am 27. Oktober 2013 stattfinden, oder wird sie erneut verschoben?