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Zwischen Assimilation und Integration

Zoran Arbutina12. Januar 2013

Kroaten gehören zu den Migrantengruppen, die am längsten in Deutschland gelebt haben. Sie versuchen, ihre nationale Identität zu bewahren – doch die jüngere Generation spricht inzwischen besser Deutsch als Kroatisch.

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--- DW-Grafik: Peter Steinmetz

"Ich habe mich dem deutschen Stil angepasst, bin aber im Herzen ein Kroate geblieben", sagt Robert Buljat lächelnd. Geboren ist der 36-Jährige in Deutschland, wo er auch heute lebt, die ersten elf Jahre seines Lebens verbrachte er aber bei der Großmutter in Kroatien. Nachdem 1968 das Anwerbeabkommen für ausländische Arbeitskräfte mit dem damaligen Jugoslawien abgeschlossen worden war, kamen seine Eltern mit nur zwei Koffern in die Bundesrepublik. Deutsch konnten sie nicht. Sie waren aber fleißig und bald führten sie selbst ein Restaurant in Ludwigshafen am Bodensee, einen der damals in Deutschland sehr verbreiteten "Balkan-Grills". Das eigene Lokal lief gut und das Ehepaar hatte so viel zu tun, dass es den Sohn "nach Hause“ zu den Großeltern schickte.

Das war so üblich unter den jugoslawischen Gastarbeitern in Deutschland. Sie haben sich schließlich selbst als "vorübergehende Arbeiter" gesehen, wollten nur kurz im Ausland etwas Geld verdienen und dann in ihr Heimatland zurückkehren. Doch die  Eltern von Robert Buljat verlängerten ihren Aufenthalt in Deutschland immer wieder. Als er schon elf Jahre alt war und sie nach Bonn zogen, erkannten sie, dass aus dem Vorübergehenden etwas Dauerhaftes geworden war. Robert ging in Bonn zur Schule und machte eine Ausbildung als Energieelektroniker.

Zufrieden in Deutschland

Die doppelte Identität, so wie Buljat sie hat, sei unter den Kroaten in Deutschland sehr verbreitet, erklärt die Berliner Soziologin Inga Stampfer. Für eine Studie über die Integrationsleistung der Kroaten in Deutschland hat sie Migranten aus dieser Gruppe befragt. "Mehr als 80 Prozent der Befragten fühlen sich in Deutschland sehr gut angenommen und über 60 Prozent sind mit ihrer Lebenssituation zufrieden“, erklärt die Soziologin. "Obwohl 13 Prozent der Befragten auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, haben nur zwei Personen bei der Umfrage angegeben, dass sie sich als Deutsche identifizieren", sagt Stampfer. Ihre Schlussfolgerung: "Sie haben sich in wesentlichen Punkten der deutschen Mehrheitsgesellschaft angeglichen, ohne ihre kroatische Identität zu verlieren".

Allerdings gibt es da Unterschiede: während die erste Generation der Gastarbeiter ihre kroatische Identität noch als vorrangig ansieht, fügt die zweite und noch mehr die dritte Generation dieser kroatischen Identität ihre deutsche Identität als gleichberechtigt hinzu. Auch für Robert Buljat ist das selbstverständlich: "Meine Muttersprache ist Kroatisch, aber auf Deutsch kann ich mich oft besser ausdrücken", sagt er.

Eine gemeinsame Kommunikationsplattform

Dieses Phänomen kennt Adolf Polegubic gut. Er ist Chefredakteur des in Frankfurt herausgegebenen Magazins "Ziva zajednica" ("Die lebendige Gemeinde"). Das Kirchenblatt ist vor 30 Jahren gegründet worden - mit der Absicht, die Gläubigen über die Kroatische Katholische Kirche in Deutschland zu informieren. "Längst sind aber viele kroatischen katholische Gemeinden zu kroatische Kulturzentren geworden", erklärt Polegubic. "Sie sind sowohl im religiösen Bereich aktiv als auch in dem der kroatischen Kultur oder Sprache."

Die Studie der Soziologin Inga Stampfer hat aber gezeigt, dass "Kroaten eine sehr heterogene Gruppe sind". Und gerade deswegen versucht das Blatt "Ziva zajednica", eine gemeinsame Kommunikationsplattform, ein Medium für den Austausch über das gesellschaftliche Leben zu sein. Allerdings wird ein Teil des Blattes in deutscher Sprache publiziert: "Wir wollen alle Generationen erreichen, haben aber gesehen, dass wir das nur durch die kroatische Sprache nicht schaffen, weil die Jüngeren besser Deutsch sprechen als Kroatisch", erklärt Chefredakteur Polegubic.

Kroaten gelten in Deutschland meistens als unauffällig und sehr gut integriert. Gleichzeitig beharren viele auf ihrer mehrfachen Identität. Schätzungsweise leben in der Bundesrepublik etwa 350.000 Menschen mit einem kroatischen Migrationshintergrund. Im Schnitt haben sie knapp 30 Jahre in Deutschland verbracht – sie gehören zu den Migranten mit der durchschnittlich längsten Aufenthaltsdauer. Trotzdem haben 225.000 von ihnen immer noch ihren kroatischen Pass behalten.  Das passt zu der Schlussfolgerung der Studie von Inga Stampfer: "Kroaten zeigen, dass man nicht zwangsläufig assimiliert sein muss, um durchaus integriert zu sein."

Mehrfache Identität

Auch Robert Buljat lebt inzwischen seit mehr als 25 Jahren in Deutschland, hat  seinen kroatischen Pass aber nie abgegeben: "Ich wollte es nie, habe nie daran gedacht. Ich habe es nie gebraucht." Nach der Ausbildung arbeitete er 13 Jahre lang als Elektroniker. Die ganze Zeit träumte er aber einen anderen Traum: "Jeder, der mich kannte, wusste, dass das nichts für mich ist. Ich war 13 oder 14, da hatte ich den Wunsch, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Und das hat sich bis heute nicht geändert." Bei der Verwirklichung seiner Pläne war der kroatische Pass kein Hindernis. Sogar seine Bank, die für Gastronomie grundsätzlich kein Geld übrig hat, fand seine Geschäftsidee gut, und bewilligte ihm einen Kredit – getarnt als Kredit für einen Autokauf.

Und diese Geschäftsidee hat weder mit Kroatien noch mit Deutschland viel zu tun: Robert Buljat ist überzeugt, dass die Zeit der "Balkan-Grills" vorbei ist, und hat ein spanisches Restaurant aufgemacht - eine Tapas-Bar und Bodega in Bonn. Inzwischen ist sein Restaurant immer ausgebucht, ohne Reservierung ist es kaum möglich, einen Platz zu finden. Dass er als Deutsch-Kroate ein spanisches Restaurant führt, findet Robert Buljan nicht widersprüchlich. Seiner doppelten Identität ist er sich bewusst, der Rest ist ein Geschäftskonzept: eine moderne Haltung.

Symbolbild Deutschland Kroatien (Foto: dpa)
Viele fühlen sich inzwschen als Deutsche und KroatenBild: picture alliance / Stephanie Pilick
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Kroatische Schule in DeutschlandBild: DW