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Zweifel an Willen zur Versöhnung

Gabriel Dominguez/AL27. Februar 2014

Der Druck auf Sri Lanka, Bürgerkriegs-Verbrechen aufzuarbeiten, wächst. Colombo erwägt eine "Wahrheitsfindungs- Kommission", doch es gibt Zweifel am Motiv der Regierung.

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Sri Lanka: Mutter mit Kind (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: LAKRUWAN WANNIARACHCHI/AFP/Getty Images

Die Regierung Sri Lankas steht wegen ihres Umgangs mit der eigenen Vergangenheit international in der Kritik: Sie habe mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen während des mehr als 25 Jahre dauernden Bürgerkriegs nicht angemessen untersucht, und sie habe versäumt, nach dem Ende des blutigen Konflikts den Versöhnungsprozess mit der Minderheit der Tamilen voranzutreiben, so die Vereinten Nationen und westliche Staaten.

In der vergangenen Woche wurden Pläne der Regierung Sri Lankas bekannt, einen Prozess nach dem Vorbild der Aufarbeitung des südafrikanischen Apartheit-Systems einzuleiten. Eine hochrangige fünfköpfige Delegation wurde nach Südafrika entsandt, um nach Worten ihres Sprechers Nimal Siripala de Silva "zu schauen, welche Lektionen wir von der südafrikanischen 'Wahrheits- und Versöhnungskommission' lernen können."

In den Gesprächen mit südafrikanischen Beamten informierte sich die Delegation über "Vorgehensweisen und Erfahrungen der Kommission", die vor knapp zwanzig Jahren ins Leben gerufen worden war, um politisch motivierte Verbrechen während der Zeit der Apartheid zu untersuchen. Ziel des Besuchs ist laut sri-lankischen Medienberichten, nach Möglichkeiten zu forschen, den Mechanismus Südafrikas auch für den Versöhnungsprozess in Sri Lanka anzuwenden. Er soll mutmaßliche Kriegsverbrecher identifizieren und sie ermutigen, ihre Schuld öffentlich einzugestehen und so einer Anklage zu entgehen. Noch hat die Regierung in Colombo allerdings nicht offiziell verkündet, ob sie tatsächlich eine entsprechende Wahrheitsfindungskommission einsetzen wird.

Sri Lankas Wassermanagement-Minister Nimal Siripala De Silva (Foto: AFP/Getty Images)
Sri Lankas Wassermanagement-Minister Nimal Siripala De Silva (li.) ist nach Südafrika gereistBild: LAKRUWAN WANNIARACHCHI/AFP/Getty Images

"Aufarbeitung gescheitert"

Sri Lanka hatte ein Jahr nach dem Ende Bürgerkriegs (2010) eine sogenannte "Lessons Learnt and Reconciliation Commission" (LLRC) zur Aufarbeitung von Kriegsgräueln einberufen. Deren Empfehlungen seien jedoch nicht ausreichend umgesetzt worden, kritisierte die US-Staatssekretärin für Süd-und Zentralasien, Nisha Biswal, kürzlich nach einem Besuch in Sri Lanka. "Die Regierung hat nicht genug getan, um mutmaßliche Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen und für Gerechtigkeit zu sorgen."

Navi Pillay, Menschenrechts-Hochkommissarin der Vereinten Nationen, erklärte jüngst in einem Entwurf für den Menschenrechtsrat, die interne Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen in Sri Lankas Bürgerkrieg sei gescheitert. Der Rat hatte das südasiatische Land bereits zweimal durch eine Resolution zur Untersuchung von Kriegsgräueln gedrängt. Im März tritt der Rat in Genf wieder zusammen. Es wird erwartet, dass die USA eine Resolution einbringen, die eine internationale Untersuchung der letzten Phase des Bürgerkrieges fordert.

Präsident Mahinda Rajapaksa lehnt UN-Untersuchungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs ab. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, Sri Lankas eigener Vergangenheits-Aufarbeitung zu vertrauen.

"UN-Resolution unterlaufen"

Alan Keenan, Sri-Lanka-Experte bei der auf Analysen und Lösungsvorschläge zu internationalen Konflikten spezialisierten "International Crisis Group", hält die Entsendung der Delegation nach Südafrika zum jetzigen Zeitpunkt für einen Versuch Colombos, in letzter Minute eine solche Resolution zu unterlaufen und zu behaupten, man sei bereits selbst mit der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen beschäftigt. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass dieser Schritt die Kritiker der Regierung überzeugen werde.

Stehen Schlange: Tamilische Flüchtlinge in Sri Lanka (Foto: AFP/Getty Images)
Tamilische Flüchtlinge warten vergebens auf einen überzeugenden VersöhnungsprozessBild: INDRANIL MUKHERJEE/AFP/Getty Images

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International kritisieren das bisherige Vorgehen der Regierung und fordern eine internationale Untersuchungskommission für Sri Lanka. Es könne zum jetzigen Zeitpunkt keinen glaubwürdigen "Wahrheits und Versöhnungsprozess" in dem südasiatischen Staat geben, so Human Rights Watch, denn dafür gebe es in der Regierung "keinen politischen Willen."

Kriegsgräuel auf beiden Seiten

Mehr als 25 Jahre dauererte der Bürgerkrieg in Sri Lanka, der zwischen der sri-lankischen Armee und tamilischen Separatisten, den "Befreiungstigern von Tamil Eelam" (LTTE) ausgetragen wurde. Die militanten Separatisten forderten, aus den tamilischen Siedlungsgebieten im Norden und Osten der ansonsten singhalesisch dominierten Insel einen unabhängigen Staat Tamil Eelam zu bilden. Im Mai 2009 eroberte die Armee die letzten von der LTTE kontrollierten Gebiete zurück und beendete einen Bürgerkrieg, der bis zu 100.000 Menschen das Leben gekostet hatte – allein rund 40.000 wurden in den letzten fünf Monaten des Konflikts getötet.

Menschenrechtsorganisationen bezichtigen sowohl die Armee als auch die LTTE-Separatisten, während der langen Bürgerkriegsjahre Kriegsverbrechen begangen zu haben, darunter gezielte Angriffe auf Zivilisten, Entführungen sowie Hinrichtungen von Kämpfern und Gefangenen.

Autoritäre Züge

Darüber hinaus entwickele das politische System zunehmend autoritäre Züge, kritisiert Amnesty International: "Die sri-lankische Regierung überwacht, bedroht und diffamiert systematisch Kritiker", heißt es in einem am 26.02. veröffentlichten Bericht. "Wer in Sri Lanka die Aufarbeitung der mutmaßlichen Kriegsverbrechen während des Bürgerkriegs verlangt, muss damit rechnen, von Regierungsvertretern, staatlichen Sicherheitskräften, Behörden oder nationalen buddhistischen Gruppierungen bedroht oder angegriffen zu werden", so Verena Harpe, Asienexpertin bei der Deutschen Sektion von Amnesty International in einem Statement. Ähnlich hatte sich die UN-Menschenrechts-Hochkommissarin Navi Pillay kürzlich geäußert: "Der Krieg mag zwar vorüber sein, aber seit dessen Ende vor fünf Jahren wurde die Demokratie in Sri Lanka untergraben und die Rechtsstaatlichkeit aufgeweicht. Immer mehr Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und normale Bürger sind wachsender Schikane durch das Militär ausgesetzt."

Zeitungen ausgebreitet in einem Kiosk in Sri Lanka (Foto: Miriam Klaussner/DW)
Die Presse in Sri Lanka wird zensiert oder übt sich, aus Furcht vor Repressionen, in SelbstzensurBild: DW/Miriam Klaussner

Die Regierung wies solche Einschätzungen zurück und bezeichnete sie als "voreingenommen" und "Einmischung in die internen Angelegenheiten eines souveränen Staates". In der staatseigenen Zeitung Daily News weist Palitha Kohona, Sri Lankas Vertreterin bei den Vereinten Nationen, auf Errungenschaften bei der Resozialisierung von Flüchtlingen, dem Wiederaufbau der Infrastruktur und der Einrichtung einer Versöhnungs-Kommission (LLRC) hin: "Die Liste all unserer Erfolge in der kurzen Zeit seit 2009 ist noch länger, aber sie scheint all diejenigen nicht zufriedenzustellen, die nun noch eine weitere Resolution in Genf einbringen wollen."