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Zuwanderer dringend gebraucht!

Klaus Ulrich7. Januar 2014

Über Zuwanderer aus den ärmsten EU-Staaten Bulgarien und Rumänien wird in Deutschland heftig diskutiert: Sind es in erster Linie Armutsmigranten oder beleben sie den Arbeitsmarkt?

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Ausländische Experten in einem Labor (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Jahr 2013 ging mit günstigen Erwartungen für den Arbeitsmarkt zu Ende. Die Zahl der Arbeitslosen wuchs weniger stark als sonst um diese Jahreszeit – um 67.000 auf 2.873.000. Damit stieg die Arbeitslosenquote bundesweit um 0,2 Punkte auf 6,7 Prozent.

Die vergleichsweise gute Lage auf dem Arbeitsmarkt spiegele die hohe Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wider, erklärt der Arbeitsmarktexperte Gerhard Bosch von der Universität Duisburg-Essen im Gespräch mit der DW. Neben den brummenden Exporten habe auch die Konsumfreudigkeit hierzulande aufgrund von kräftigen Lohnsteigerungen zugenommen.

"Das Problem ist allerdings, dass 2013 nicht viel investiert wurde, weil die Unternehmen Sorge hatten, wie die langfristigen Aussichten sind", so Bosch. Durch Beschlüsse der neuen Regierung sei allerdings Besserung in Sicht, da mehr Geld für Infrastruktur und Bildung ausgeben werden soll. Auch der Konsum werde durch Rentenerhöhungen und Mindestlohn gestärkt.

Sinkt die Arbeitslosenzahl weiter?

Für 2014 erwarten die Experten der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg wieder eine leicht sinkende Arbeitslosenzahl.

Skeptischer sind da Stimmen aus dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. Aus der aktuellen Umfrage unter den großen Wirtschaftsverbänden zum Jahreswechsel gehe zwar hervor, dass die Stimmung insgesamt recht gut sei, so Institutsleiter Michael Hüther. Trotzdem entstehen nach seiner Ansicht keine neuen Jobs. "Da kommt nicht viel hinzu. Wir haben einen historisch hohen Beschäftigungsstand mit 42 Millionen Erwerbstätigen. Aber die Dynamik läuft jetzt aus."

Streit um Zuwanderung

Debatte um Zuwanderung

Gelassen sieht man bei der Bundesagentur für Arbeit die Debatte um eine mögliche verstärkte Zuwanderung von Arbeitssuchenden aus den beiden ärmsten EU-Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien. Auch in den vergangenen Jahren kamen Menschen aus diesen Ländern schon auf den deutschen Arbeitsmarkt: als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft oder in Bereichen, die händeringend Personal suchen, wie Gesundheitswesen, Pflege und Gastronomie.

"Die meisten Bulgaren und Rumänen, die hier in Deutschland leben, sind Arbeitszuwanderer und keine Armutszuwanderer", sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung gegenüber der DW. Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), warnt vor Schäden für die Wirtschaft durch die aktuelle Zuwanderungsdebatte. In einem Interview sagte er, "die Zuwanderung insgesamt darf nicht durch eine aufgeheizte politische Diskussion in ein schlechtes Licht gerückt werden".

Deutschland brauche aufgrund seiner demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren bis zu 1,5 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland. Diese würden dabei helfen, "Wachstum zu sichern und die Sozialsysteme zu stabilisieren", so Wansleben. Die aktuelle Diskussion zeige jedoch Handlungsbedarf in der deutschen Gesellschaft: "Wir müssen weiter an einer Willkommenskultur für Zuwanderer arbeiten. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Politik, Kirche, Gewerkschaften, Wirtschaft, alle müssen ihren Beitrag leisten."

Bessere Integration nötig

155.000 Rumänen und Bulgaren sind derzeit in Deutschland erwerbstätig, ihre Arbeitslosenquote liegt unter der aller ausländischen Arbeitnehmer insgesamt. Jetzt können Rumänen und Bulgaren in allen Branchen Arbeit aufnehmen. "Von daher haben wir auch bessere Integrationschancen für Menschen aus diesen beiden Ländern, für die jetzt ab 1. Januar Freizügigkeit gilt", sagt Heinrich Alt vom Vorstand der Bundesagentur.

Alt, der an der Spitze der Arbeitsagentur für die Jobcenter und damit für den Bereich Hartz IV (Sozialhilfe) verantwortlich ist, will allerdings nicht verschweigen, "dass wir derzeit ein Problem haben, dass die Zuwanderung aus diesen beiden Ländern sich in bestimmten Regionen bündelt, und dort Probleme entstehen, die von den Kommunen Duisburg, Dortmund, Berlin, Mannheim, Offenbach nicht alleine gelöst werden können."

Problemkommunen leiden

In den Problemkommunen arbeiten nach Aussagen von Experten nur etwa zehn bis 20 Prozent der Zuwanderer. Allerdings beziehen dort auch nur wenige soziale Leistungen. Aber diese Menschen, die weder Leistungen beziehen, noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt arbeiten, "stellen natürlich ein großes Problem dar", so Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Betrachte man die Rumänen und Bulgaren in Deutschland insgesamt, "tragen sie aber zu den Renten und Versicherungssystemen bei, so dass der Sozialstaat gewinnt."

Bei der Arbeitsagentur in Nürnberg hat man jedenfalls mit der Akquisition von neuen Fachkräften begonnen: Noch fehlen Verwaltungsspezialisten und Sozialpädagogen mit guten rumänischen und bulgarische Sprachkenntnissen, um Arbeitssuchende aus diesen beiden Ländern erfolgreich beraten zu können.