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Zum Tode von Claudio Abbado

Marita Berg20. Januar 2014

Er war Nachfolger von Herbert von Karajan bei den Berliner Philharmonikern. Seit Längerem schon war er krank. Nun ist der italienische Stardirigent Claudio Abbado in Bologna gestorben.

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Claudio Abbado (Foto: imago/Granata Images)
Bild: imago/Granata Images

Er galt als einer der größten Dirigenten. 2011 wurde Claudio Abbado in einer Umfrage des Musikmagazins "Classic Voice" unter 100 Dirigenten gar zum bedeutendsten noch lebenden Dirigenten gewählt. Dabei wollte er eines niemals werden: Maestro. Er habe eigentlich nie die Absicht gehabt, Dirigent zu werden, hat er einmal in einem Interview erklärt. Aber die "Magie des Musikmachens" habe ihn immer schon fasziniert, spätestens seit dem Tag, als er im Alter von sieben Jahren in der Mailänder Scala die "Nocturnes" von Claude Debussy gehört habe.

Aufeinander hören

Abbado wurde am 26. Juni 1933 in Mailand als Sohn einer Musikerfamilie geboren. Er studierte zunächst am Konservatorium Giuseppe Verdi in Mailand Orchesterleitung, Klavier und Komposition und wechselte dann zu Hans Swarowsky an die Wiener Musikakademie, wo er neben Zubin Mehta als wichtigster Schüler des großen Wiener "Dirigentenmachers" galt. 1968 wurde Claudio Abbado leitender Dirigent der Mailänder Scala.

Anders als Arturo Toscanini, der an der Mailänder Scala gefürchtet war, suchte er stets den Dialog mit den Musikern: "Das Wichtigste ist, dass alle aufeinander hören", sagte er. Denn nur so, davon war er überzeugt, könne auch in größeren Orchestern ein kammermusikalisches Zusammenmusizieren entstehen, bei dem jeder auf die Stimmen der anderen achtet.

"Zuhören" war das vielleicht wichtigste Wort für Claudio Abbado, das Wort, das er auf seinen Orchesterproben am häufigsten benutzte. Nein, nicht auf ihn sollten die Musiker hören, sie sollten auf die Musik hören, wie er immer wieder sagte: "Viele Menschen lernen zu sprechen, aber sie lernen nicht, zuzuhören. Das Sich-Gegenseitig-Zuhören ist eine ganz wichtige Sache im Leben. Und die Musik lehrt genau das."

Grenzen überwinden

In den folgenden Jahren war Claudio Abbado auf allen großen Podien der Welt zu erleben, in Mailand, London und Chicago. 1984 gab Abbado sein Debüt an der Wiener Staatsoper, wurde Generalmusikdirektor der Stadt und gründete 1988 das interdisziplinäre Festival "Wien Modern" für zeitgenössische Musik, bildende Kunst, Tanz und Film.

Im Oktober 1989 wurde Abbado von den Berliner Philharmonikern als Künstlerischer Leiter des Orchesters zum Nachfolger von Herbert von Karajan gewählt. Heute mag man das kaum glauben, aber damals reagierte man auf die Berufung Abbados mit Skepsis: "Ein antiautoritärer Italiener auf diesem deutschen Dirigenten-Chefsessel?", war oft zu hören. "Einige Dirigenten wollen gern Diktatoren sein. Für mich zählt die Liebe zur Musik und das gegenseitige Zuhören", antwortete Abbado damals den Skeptikern und läutete mit innovativen Programmen und zeitgemäßen Interpretationen bei den Berliner Philharmonikern eine neue Ära ein. Nach der Wende 1989 setzte Abbado bewusst auf Grenzüberwindungen zwischen Ost und West, wollte neue Brücken im nun wiedervereinigten Berlin bauen, um so die Künste in alle Winkel der Gesellschaft zu tragen. Denn, so erklärte er, "Theater, Bibliotheken, Museen und Kinos sind wie viele kleine Aquädukte."

Kämpferisch mit leisen Tönen

Für Abbado war Musik immer auch politisches Statement. So bekannte er sich in seiner Heimat Italien offen zur Opposition gegen den - wie er sagte - Kulturbanausen Silvio Berlusconi und verlas im italienischen Fernsehen ein Manifest gegen die Kulturpolitik der Regierung: "Mit der Kultur besiegt man soziale Ungleichheit. Die Kultur befreit von der Armut".

In derselben Sendung erzählte er aber auch von seinem Krebs, an dem er im Jahr 2000 erstmals erkrankte - ein tiefer Einschnitt in Abbados Leben. Die Arbeit mit den Berliner Philharmonikern gab er auf, er wollte auch nach der vorläufigen Genesung keine Verpflichtungen mehr eingehen.

2003 galt er als geheilt. Er begann wieder zu dirigieren, aber nicht mehr so oft wie früher. Stattdessen verbrachte er viel Zeit mit seiner Familie in seinem Haus auf Sardinien: "Die Musik war sehr wichtig dabei, meine Krankheit zu überwinden. Aber noch entscheidender waren doch meine Familie, die Unterstützung und die Liebe, die ich in meinem privaten Umfeld von Verwandten und Freunden erfahren habe."

Vor wenigen Monaten kehrte die Krankheit zurück. Claudio Abbado sagte alle Konzerte ab. Am 20. Januar ist er im Alter von 80 Jahren in Bologna gestorben.

Claudio Abbado bei den Proben mit dem Luzern-Festival-Orchester in Paris (Foto: Fred Toulet/Leemage)
2010 in Paris - von der Krankheit gezeichnetBild: picture-alliance/Fred Toulet/Leemage
Der Maestro bei der Arbeit mit Martha Argerich am Klavier 1968 in Mailand (Foto: Erich Auerbach/Getty Images)
Der Maestro bei der Arbeit mit Martha ArgerichBild: Getty Images/Erich Auerbach
Claudio Abbado im Oktober 1966 (Foto: Erich Auerbach/Getty Images)
Claudio Abbado im Oktober 1966Bild: Getty Images/Erich Auerbach