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Betteln, um zu überleben

6. September 2011

Mosambik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Besonders die älteren Menschen leben häufig in Armut. Das Sozialsystem des Landes kann sie nicht auffangen. So bleibt ihnen oft nur eines: betteln, um zu überleben.

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Ein Bäcker verteilt Brot an wartende ältere Menschen (Foto: Carla Fernandes)
Viele Senioren sind auf Spenden wie diese angewiesenBild: DW

Es ist Freitag. In Quelimane ist das für viele arme Menschen ein besonderer Tag: Es ist der Tag, an dem sie meist erfolgreich auf der Straße und in Geschäften um eine kleine Spende betteln. Denn Quelimane hat eine große muslimische Gemeinde. Viele Bedürftige wissen, dass Muslime am Freitag aus religiösen Gründen fast immer etwas spenden. Vor einer Bäckerei stehen bereits Dutzende Menschen und warten. "Ich brauche etwas zu essen", sagt ein alter Mann. Gemeinsam mit den anderen hofft er auf ein wenig Brot.

 

Rentner ohne Rente

 

Fast die Hälfte der Mosambikaner lebt an der Armutsgrenze: Sie müssen mit weniger als 1,50 Euro am Tag auskommen. Besonders betroffen sind Rentner. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die Mindestrente 1620 Meticais im Monat beträgt, umgerechnet etwa 33 Euro. Das bedeutet, dass viele ältere Menschen von etwa einem Euro am Tag leben müssen. Doch nicht alle haben Anspruch auf dieses Geld. Nur wer Steuern gezahlt hat, erhält auch eine Rente.

 

Eine Frau hält 150 Meticais in die Kamera (Foto: Carla Fernandes)
Der Zuschuss zum Essen reicht vorne und hinten nichtBild: DW

Wer keine Steuern gezahlt hat, weil er keine Arbeit hatte oder sich als Straßenhändler durchgeschlagen hat, muss sehen, wie er überlebt. Eine Möglichkeit, einen finanziellen Zuschuss zu erhalten, ist die Behörde für Frauen und Sozialhilfe: Hier können Senioren einen monatlichen Zuschuss von 100 bis 150 Meticais - zwischen zwei und drei Euro - und einen Essenskorb erhalten.

 

Viele Menschen in Mosambik haben kaum genug Geld zum Leben. 80 Prozent der Mosambikaner sind Bauern. Die meisten können auf ihren Feldern nur so viel produzieren, dass es zum Überleben reicht. Wenn ein Bauer in neue Maschinen, Saatgut oder Dünger investieren will, um seinen Ertrag zu verbessern, scheitert er, weil die Banken ihm kein Geld leihen. Außerdem machen extreme Wetter den Bauern das Leben schwer: Von April bis Dezember regnet es kaum und von Januar bis März zu viel. Die Bauern und ihre Ernten leiden unter diesen Bedingungen. Hunderte von armen Menschen sterben oder verlieren alles, was sie haben.

 

Unzureichendes Sozialsystem

 

Senioren sitzen am Tisch und essen gemeinsam (Foto: Carla Fernandes)
Oft sind Senioren von kosten- losen Mahlzeiten abhängigBild: DW

Oft sind Rentner davon betroffen, die keine Kraft mehr haben, von vorne anzufangen. Für diese Leute setzt sich Raul André Piloto ein. Der 76-Jährige arbeitet seit elf Jahren als Regional-Sekretär von APOSEM, ein Verein für Rentner in Mosambik. Er will die Gesellschaft für das Thema absolute Armut sensibilisieren. "Die Bekämpfung der Armut ist für uns eine Mission, die man erledigen muss, auch wenn man in den reiferen Jahren ist", sagt er. APOSEM verteilt Lebensmittel an Senioren, die in Armut leben. Viele sind auf solche Hilfe von außen angewiesen.

 

Das Sozialsystem in Mosambik ist jung: Es stammt aus dem Jahr 1989 und ist noch nicht ganz ausgereift. "Die Probleme haben auch mit Steuerschulden zu tun", sagt Dora Simoes de Almeida Couto, regionale Vertreterin für Soziale Sicherheit in der Provinz Zambesia. Es gebe immer noch Menschen, die keine Steuer zahlen, oder Arbeitgeber, die weniger Arbeiter anmelden als sie tatsächlich beschäftigen. Die Steuerbehörde in Mosambik hat im April 2010 bekannt gegeben, dass nur zehn Prozent der Erwerbstätigen tatsächlich Steuern zahlen. Das bedeutet: Eine Millionen Arbeiter zahlen Steuer - in einem Land mit mehr als 21 Millionen Einwohnern. Doch ohne die Steuereinnahmen hat der Staat kein Geld, mit dem er die Bedürftigen unterstützen kann. "Sie denken nicht an die Vorteile, die das System ihnen anbieten kann", sagt Dora Simoes de Almeida Couto.

 

Zu wenig für zu viele

 

Celestino steht in seinem Friseursalon (Foto: Carla Fernandes)
Celestino gehört zu den wenigen, die Steuern zahlenBild: DW

Celestino gehört zu den Menschen, die ihre Steuern zahlen - und zwar schon seit 20 Jahren. Vom Sozialsystem habe er bislang aber nicht sehr profitiert, erzählt der Herrenfriseur. Als er einmal für ein paar Tage krankgeschrieben war, bekam er für diese Tage, an denen er nicht arbeiten konnte, kein Geld. "Ich hoffe, dass wenigstens mein Kind etwas bekommt, wenn ich sterbe", sagt er. Die Sozialversicherungsabgaben betragen in Mosambik sieben Prozent des Gehalts: Drei Prozent zahlt der Arbeitnehmer, vier Prozent soll der Arbeitgeber übernehmen.

 

Sérgio Mamudo, Journalist bei Radio Mosambik, kennt die Schwächen des sozialen Systems. "Es funktioniert nicht. Erstens kann das Sozialsystem nicht alle bedürftige Menschen erreichen. Es sind zu viele", sagt der Journalist. Außerdem erhielten die Menschen, die vom Staat unterstützt werden, zu wenig Geld. "Es gibt 100,150 Meticais als Zuschuss zur Ernährung. Das sind nicht mal drei Euro. Stell dir vor, du müsstest mit drei Euro im Monat leben." Das Geld komme auch nicht regelmäßig, niemand könne sich darauf verlassen. "Es gibt viele Herausforderung im Bereich der Sozialen Sicherheit in Mosambik."    

 

Autorin: Carla Fernandes

Redaktion: Julia Kuckelkorn