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Zoos - Artenschutz oder Tierquälerei?

Dagmar Röhrlich11. Februar 2014

Die Tötung von Giraffe Marius sorgte für Aufruhr. Die Verantwortlichen stehen dazu: Sie hätten es für den Artenschutz getan. Aber können Zoologische Gärten überhaupt helfen, Wildtiere vor dem Aussterben zu bewahren?

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Giraffe Marius aus dem Zoo Kopenhagen (Foto: picture-alliance/dpa).
Giraffenbulle Marius musste sterben, um Inzucht im Zoo Kopenhagen zu vermeidenBild: picture-alliance/dpa

Wildtiere zu halten, war lange ein Privileg des Adels: Vor 4000 Jahren besaßen die Kaiser der Xia-Dynastie Menagerien. Später hielten assyrische Herrscher Krokodile, die der Azteken Raubvögel. Die Medici-Fürsten schätzten exotische Tiere in ihren Parks, ebenso Ludwig XIV. und vor allem Franz I. Stephan: Er gründete 1752 den ältesten noch bestehenden Zoo der Welt, den Tiergarten Schönbrunn in Wien.

Um Artenschutz ging es nicht. Der gehört zu den zentralen Anliegen moderner Zoologischer Gärten im 21. Jahrhundert. Schließlich wird für viele Tierarten der Lebensraum knapp. Mehr als sieben Milliarden Menschen müssen mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen versorgt werden - und Farmen und Tagebaue fressen Land. Dazu kommt die Energiepflanzenproduktion. So verschwindet Quadratkilometer um Quadratkilometer. Die natürlichen Lebensräume werden zu Ackerflächen, Wiesen, Plantagen, Bauland - und mit diesen Lebensräumen verschwinden die Tiere.

Das vielfältige Sterben der Arten

Lebensraumvernichtung ist der wichtigste Grund für das Artensterben. Auch der Klimawandel wird seinen Preis fordern, vor allem für kälteangepasste Arten. Der Mensch tötet jedoch auch direkt. Gorillas werden von marodierenden Banden im Blutdiamantengeschäft erschlagen, seltene Tiere landen als Wildfleisch auf den Märkten Afrikas und Asiens. Nachts, wenn sich in Afrika die Webervögel versammelt haben, werden ihre Schlafbäume verbrannt, damit möglichst keines der bei Bauern unbeliebten Tiere entkommt. Derzeit steigt die Wilderei auf Elefanten in Westafrika sprunghaft an. Und wegen der Gier nach Aphrodisiaka haben Nashörner oft nur eine Überlebenschance, wenn sie von bewaffneten Wachen begleitet werden.

Gewilderter Elefant (Foto: AP)
Wilderei ist kaum zu kontrollierenBild: AP Photo/Courtesy Karl Amman

Angesichts dieser kurzen, aber trostlosen Auswahl: Sind Zoologische Gärten die letzte Rettung, die die Tiere für bessere Zeiten bewahren können? Oder haben die Kritiker recht, für die Haltung in Gefangenschaft Tierquälerei ist. Etwa die Tierschutzorganisation Peta, die fordert, die Großkatzenhaltung zu verbieten: "Wenn ein Tiger die Möglichkeit hat, einen Menschen anzufallen oder zu entkommen, nutzt er die auch", erklärt Peta-Mitarbeiter Peter Höffken. Dass Geparden oder Schimpansen immer wieder aus Gehegen entkommen, beweise, dass die Tiere einfach raus wollten. Für Höffken sind Zoos "Hochsicherheitsgefängnisse".

Erfolgsgeschichten in der Arterhaltung

Davon, dass Zootiere immer auch Wildtiere sind, ist auch Manfred Niekisch überzeugt: "Ein Wildtier bleibt immer ein Wildtier, auch wenn es im Zoo lebt.“ Für den Direktor des Zoologischen Gartens in Frankfurt werden die Tiere im Zoo eben nicht psychisch gebrochen. Verhaltensstörungen, wie sie sich einst entwickelten, als Geparden in engen Käfigen beschäftigungslos vor sich hin vegetierten, gäbe es in modernen, gut geführten Zoos nicht mehr.

Ob Schildkröte oder Tiger, es gibt inzwischen ausgefeilte Beschäftigungsprogramme, die die Nachteile des Lebens in räumlicher Enge wettmachen sollen, versichert Niekisch. "Vor allem aber aufgrund der Fortschritte in der Tiermedizin lassen sich Tiere heute sehr viel einfacher artgerecht halten: Menschenaffen wurden früher beispielsweise aus hygienischen Gründen in Gehegen mit Badezimmerarchitektur, also Fliesen und Stahl - gehalten, heute leben sie auf weichen Böden in künstlichen Urwäldern und damit sehr viel naturnäher.“

Weil es ihnen gut gehe, würden Zootiere oft viel älter als in der freien Wildbahn und viele Arten pflanzten sich bereitwillig fort. Inzwischen gibt es große Zoopopulationen - beim Sibirischen Tiger leben inzwischen zwei Drittel aller Exemplare in Zoos. Ihre Art bleibt so erhalten, und wenn eines Tages die Rahmenbedingungen stimmen, könnten diese Tiere ausgewildert werden und neue Population aufbauen: "Dass die Idee funktioniert, zeigen die Erfolgsgeschichten der Wisente, der Przewalskipferde oder des Kalifornischen Kondors", so Manfred Niekisch. Auch die heutigen Bestände der Säbel- und Mendesantilopen in Nordafrika, der Goldenen Löwenäffchen in Südamerika oder der Bartgeier in Mittel- und Südeuropa gäbe es ohne Wiederansiedlung aus den Zoologischen Gärten nicht.

"Zoos sind für die Rettung der Artenvielfalt heute unersetzlich!" Davon ist auch Dag Encke, Chef des Tiergartens in Nürnberg überzeugt. "Keine andere Stätte hat heute mehr Wissen als ein Zoo, um aus winzigen Restbeständen einer Art wieder eine vitale überlebensfähige Population zu erzeugen."

Zwei kleine Löwen im Zoo (Foto: dpa - Bildfunk)
Süßer Nachwuchs ist gut für das Geschäft aber auch gut für den Erhalt bedrohter Arten, sagen Befürworter von Zoologischen GärtenBild: picture-alliance/dpa

Archen in einer vom Menschen bestimmten Welt

In den Zoos dieser Welt laufen derzeit rund 130 Programme zur Wiederansiedlung: teure, aufwändige Projekte, die nur durchgeführt werden, wenn sie Erfolg versprechen, sprich: dass die Tiere nicht wieder niedergemetzelt werden. Wie groß die Gefahr ist, zeigt das Beispiel Malawi. Dort waren in einem Nationalpark Löwen aus dem benachbarten Mosambik ausgesetzt worden. Obwohl die Ranger zu ihrem eigenen Schutz militärisch ausgebildet waren und die Tiere im Auge behielten, konnten sie nicht verhindern, dass Wilderer die Löwen ihrer Pranken wegen töteten.

Damit der Zoo als Arche dienen kann, muss vor allen Dingen eines erfüllt sein: Der Mensch muss den Tieren ihren Lebensraum lassen. In Asien, wo gerade die letzten Refugien der Orang Utans verschwinden, könnte das jede Bemühung um die Zukunft der Art zunichte machen. Für ihre Befürworter, wie Manfred Niekisch, geben Zoologische Gärten in dieser Situation einen Funken Hoffnung. "Jährlich besuchen über 700 Millionen Menschen in aller Welt Zoos - und es ist oft der einzige Ort, an dem sie überhaupt Kontakt mit Tieren aufnehmen - erst recht mit Wildtieren."

Wenn diese Menschen die Tiere verstehen lernen, setzten sie sich auch eher für den Erhalt der Wildnis ein: "Zwar können Zoos beim Artenschutz den Naturschutz vor Ort nicht ersetzen, aber sie können die Menschen dafür sensibilisieren und gewinnen." Außerdem seien Zoos Orte der Wissensvermittlung: Viele der modernen Erkenntnisse über Wildtiere stammen aus Zoologischen Gärten - und dieses Wissen kommt den Tieren in freier Wildbahn zugute.

Schwachstelle: Delphine

Das wachsende Wissen über die Bedürfnisse der Tiere verändere auch die Philosophie der Zoos, versichert Manfred Niekisch: "Die Tendenz geht dahin, weniger Tiere zu halten, die dann mehr Platz bekommen." In einem modernen Zoo könnten die Tiere ihrem natürlichen Verhalten folgen, ihre Sozialstruktur werde beachtet: "Bei den Bonobos wissen wir inzwischen, dass die Bindung zwischen Mutter und Sohn sehr stark ist. Früher gab man die jungen Männchen alleine an andere Zoos ab, heute zusammen mit ihren Müttern, damit diese wichtige Bindung nicht zerstört wird."

Allerdings ist nicht bei allen Tieren die Entwicklung positiv: Vor allem Delphine und Fische werden in Zoologischen Gärten oft genug einfach "verbraucht". So erklärt ein Verhaltensforscher (Name der Redaktion bekannt), dass in einigen Zoos die Aquarien nicht sehr gut geführt würden. Verstorbene Tiere würden immer wieder durch Wildfänge ersetzt. Zudem sei die Nachzucht bei vielen Fischen und Meeressäugern schwierig.