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Zivilgesellschaft stärker als erwartet

Alexander Warkentin3. Dezember 2013

Die Massenproteste in der Ukraine haben Politiker und Experten in Ost und West überrascht. Dennoch geben sie die Hoffnung auf eine Annäherung der Ukraine an die EU nicht auf.

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Ukraine. Proteste gegen die Regierung am 2. Dezember (Foto: SERGEI SUPINSKY/AFP/Getty Images)
Bild: Sergei Supinsky/AFP/Getty Images

Die Stimmung in der Ukraine ist aufgeheizt. Die Demonstranten in der Hauptstadt Kiew und in anderen Städten fordern den Rücktritt der Regierung und des Präsidenten. Sie wollen nach Europa, aber ohne Viktor Janukowitsch. Sie glauben nicht mehr daran, dass er ihr Land Richtung EU führen wird. Deshalb protestieren sie weiter.

Präsident Janukowitsch tut unterdessen so, als gäbe es keine schwere politische Krise in seinem Land. Am Dienstag (03.12.2013) ist er zu einem seit langem geplanten Besuch nach China aufgebrochen.

Das Protestpotential wurde unterschätzt

Das Ausmaß der Proteste haben viele Politiker in Ost und West nicht erwartet. Doch der geschäftsführende Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, Cornelius Ochmann, sagt im DW-Interview, dass nicht nur die EU-Politiker mit dieser Entwicklung in Kiew nicht gerechnet hatten. "Das war eine große Überraschung für alle, doch am meisten überrascht ist wohl Präsident Janukowitsch selbst", konstatiert Ochmann.

Cornelius Ochmann (Foto: DW)
Cornelius Ochmann: Die Massenproteste waren eine große ÜberraschungBild: DW/R. Romaniec

Auch Maria Davydchyk von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin (DGAP) unterstreicht im DW-Interview, alle Beteiligten, also sowohl Kiew als auch Moskau und Brüssel, hätten die Situation unterschätzt. "Die ukrainische Regierung hat in der östlichen Partnerschaft mit der EU nur eine Option gesehen, solange sie mit der innenpolitischen Entwicklung zusammenpasste. Auf der anderen Seite hat die EU zwar viele Signale an die Ukraine gesendet, aber keine konkreten Strategien oder Instrumente zur Lösung der realen Probleme des Landes und der Bevölkerung aufgezeigt."

Die meisten europäischen Politiker sehen die Ursache der Proteste in der Enttäuschung der Ukrainer darüber, dass ihre Regierung den Assoziierungs- und Freihandelsvertrag ihres Landes mit der EU auf Eis gelegt hat. Dabei spielte auch Russland eine große Rolle, das in den vergangenen Monaten einen gewaltigen Druck auf die Ukraine ausgeübt hat.

Insbesondere Russlands Präsident Putin habe dazu beigetragen, dass die Ukrainer jetzt auf die Straßen gehen, betont Cornelius Ochmann. "Die Auftritte Putins haben Öl ins Feuer gegossen, weil er versucht hat, die Ukraine unter Druck zu setzen. Und das wollen die Ukrainer nicht länger akzeptieren."

Perspektiven für die Zivilgesellschaft

Die EU müsse dem Land jetzt mehr Aufmerksamkeit widmen. Polen und Deutschland täten das zwar, aber andere EU-Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien zeigten nur ein geringes Interesse an der Ukraine. Cornelius Ochmann meint, dass das Scheitern des Abkommens mit der EU der Initialzünder der Proteste war: "Die Zivilgesellschaft in der Ukraine ist meiner Meinung nach viel weiter entwickelt, als man denkt. Die Leute haben, auf Deutsch gesagt, die Nase voll vom Regierungsstil des Präsidenten, und sie nutzen jetzt die Gelegenheit, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken."

Proteste in Charkiw (Foto: DW)
Auch im ostukrainischen Charkiw demonstrieren die MenschenBild: DW/O. Indyukhova

Maria Davydchyk von der DGAP ist der Ansicht, dass die EU sich in Zukunft nicht nur auf die Eliten des Landes konzentrieren sollte. Die Europäer müssten auch den "einfachen" Ukrainern zeigen, dass ihre Probleme ernst genommen werden. Die Zusammenarbeit mit der EU biete langfristige Perspektiven und "diese müssen den Menschen vermittelt werden", betont Davydchyk.