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Zeitzeuge der deutschen Politik

Wolfgang Dick1. Mai 2015

Mainhardt Graf von Nayhauß hat über sechs Jahrzehnte politisches Geschehen in Bonn und Berlin begleitet. Kaum ein anderer Journalist kam den Handelnden so nahe. In dieser Woche sprach er über seine Erlebnisse.

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Portraitfoto Mainhardt Graf Nayhauß (am 27.4.2015 im Kanzlerbungalow bei der Veranstaltung "Zeitzeugen im Gespräch" ) (Foto: DW)
Bild: DW/Wolfgang Dick

"Ich hoffe, ich stehe noch nicht unter Denkmalschutz", meint Mainhardt Graf von Nayhauß verschmitzt zum Publikum, das auf Einladung des Bonner Hauses der Geschichte in den ehemaligen Kanzlerbungalow gekommen war, um einem einzigartigen Zeitzeugen zuzuhören. Nayhauß verrät mit dem Satz den für ihn typischen Humor und seinen unbändigen Tatendrang. Der 88-Jährige, der über sechs Jahrzehnte für nahezu alle führenden Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland über die Mächtigen schrieb, ist nämlich immer noch aktiv. Heute mit einem Blog im Internet. Zur Institution wurde er in weit über 5000 Kolumnen für die Bild-Zeitung. Darin brachte er Millionen Lesern die Menschen hinter den Ämtern auf unterhaltsame Weise näher.

Viele Zuhörer des Bonner Geschichts-Talks wollen deshalb natürlich wissen, wie sich Politiker und ihre Macht im Laufe der Jahre verändert haben. Mit exklusiven Einsichten, gespickt mit zahlreichen Anekdoten, hält sich der Graf dann auch nicht zurück. Früher habe ein Minister auch schon mal zur Geburt der Tochter von Nayhauß Blumen gebracht. Mit dem ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß sei er zum Beispiel auf Bootstour gegangen. "So etwas wäre heute undenkbar". Nayhauß lässt eine Kunstpause und setzt dann nach: "Ich habe dieses Boot nämlich nicht mehr". Lacher im Publikum.

Wieder im Ernst schildert Nayhauß: Politiker seien heute viel zurückhaltender und auch ängstlicher gegenüber Journalisten. Zu groß seien die Sorgen, von der um Auflage kämpfenden Presse aufs Glatteis geführt zu werden. Entstanden sei zunehmende Geheimniskrämerei. Homestories seien kaum noch möglich. "Es ist kälter geworden in Berlin", stellt von Nayhauß fest. In seiner Generation hätten sich Journalisten und Politiker weniger bekämpft. "Man hatte damals ein gemeinsames Ziel: den Aufbau Deutschlands".

Gesprächssituation bei der Veranstaltung Zeitzeugen im Gespräch (Foto:DW)
Zieht das Publikum immer wieder in seinen Bann - Graf Mainhardt von NayhaußBild: DW/Wolfgang Dick

Politischer Komplott im Schlafwagen

Graf von Nayhauß hat alle Bundeskanzler persönlich kennengelernt. Bei einigen war er zum Essen eingeladen. Viele Minister besuchte er auch zuhause. Vor so viel Nähe hatte der Journalist nie Angst. "Man darf sich natürlich nicht korrumpieren lassen", sagt der Wechselwähler, der nie Mitglied einer Partei war. "Nur im persönlichen Umgang erfährt man die wirklich spannenden Dinge". Graf Nayhauß war deshalb oft als einziger deutscher Pressevertreter bei wichtigen Ereignissen direkt dabei. Zum Beispiel als Kanzler Helmut Kohl mit dem damaligen sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow die deutsche Wiedervereinigung besprach. Einmal wurde Nayhauß zum Interview sogar in das Schlafwagenabteil eines Zuges eingeladen. Entstehen sollte ein Interview im Machtkampf zweier Bewerber um einen Parteivorsitz. An der Art, wie in der Politik im Hintergrund Strippen gezogen werden, habe sich in all den Jahren nichts geändert, stellt sich heraus. Das Rezept, wie ihm viele Stories gelangen, verrät Nayhauß im Interview mit der Deutschen Welle.

Wichtig sei, Vertrauen nicht zu missbrauchen und auch Kritisches und Unbequemes verantwortungsvoll zu schreiben. Dennoch gefiel etlichen Politikern nicht immer, was der Journalist in seinen Artikeln zu Papier brachte, wenn er etwa über unverständliche Reden oder Größenwahn im Amt schrieb. Einmal soll sich ein Wirtschaftsminister über die Beschreibung von "Ringen unter den Augen" beklagt haben. Ein anderes Mal habe Nayhauß angeblich zuviel persönliches veröffentlicht. Helmut Kohl nannte ihn einmal einen "Großverderber", berichtet Graf von Nayhauß, winkt aber ab: "Lange war man mir nie gram. Irgendwann kamen sie alle wieder und fragten, ob man nicht mal wieder einen Kaffee miteinander trinken könnte". Das zeigt die gegenseitige Abhängigkeit von Politik und Presse. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihn übrigens ihren Einfluss nie spüren lassen. "Dafür ist diese Frau zu bescheiden", meint der "Chronist der Macht". Diesen Titel trägt auch sein jüngstes Buch mit vielen spannenden Erinnerungen.

Chronist der Macht - Fragen an Mainhardt Graf von Nayhauß

Graf von Nayhauß und Minister a.D. Wolfgang Clement im Gespräch (Foto: DW)
Beste Kontakte: Der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, plauscht gerne mit Graf NayhaußBild: DW/Wolfgang Dick

Gewandelte Verhältnisse

Als die Politik noch in Bonn gemacht wurde, habe es nur wenige Politik-Journalisten gegeben. In Berlin seien es zehn Mal so viele. Ebenso verfielfachten sich Pressekonferenzen. Mehr als zwanzig seien es manchmal am Tag. "Jedes noch so kleine Ereignis erhält gleich einen Live-Ticker. Man kommt sich vor, als säße man permanent in einem War-Room", meint Graf von Nayhauß. Die Gefahr, dass dabei im hektischen Berlin das Wesentliche auf der Strecke bleibt, wächst. Umso wichtiger sei eine ruhige und verständliche Einordnung der Dinge.

Das erkläre auch seine Motivation, weiter zu schreiben, erläutert der gut vernetzte Mann, der zeigt, dass Politik von Menschen gemacht wird, die alle Schwächen und Stärken haben. Darüber offen schreiben zu können, ohne Furcht vor Repressalien, sei eine wunderbare Erungenschaft der Demokratie in Deutschland. Seine Zuhörer stimmen ihm zu.