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Wulffs Ex-Sprecher erinnert sich nicht

Christoph Strack22. Januar 2014

Das Korruptionsverfahren gegen den früheren Bundespräsidenten Wulff geht in die Schlussphase. Die mit Spannung erwartete Aussage seines langjährigen engsten Mitarbeiters brachte kaum neue Erkenntnisse.

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Christian Wulff Prozess 22.01.2014
Bild: picture-alliance/dpa

Kein neuer Erkenntnisstand, erst recht keine Wende im Verfahren gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff: Im Landgericht Hannover brachte die Zeugenvernehmung des langjährigen Sprechers von Christian Wulff, Olaf Glaeseker, am Mittwoch keine wesentlichen neuen Beweise für eine Bestechlichkeit Wulffs. Nun stellt der Vorsitzende Richter Frank Rosenow für Ende Februar ein Urteil in Aussicht.

Glaeseker berief sich in der gut eineinhalbstündigen Vernehmung ein ums andere Mal auf Erinnerungslücken. Seine Antworten kulminierten irgendwann in der Befragung durch Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer in kurzen Erwiderungen: "Nein" - "Nein" - "Nein" - "keine Erinnerung" - "auch da habe ich keine Erinnerung".

Olaf Glaeseker (Foto: Getty Images)
Olaf Glaeseker (Archivfoto)Bild: Getty Images

Wie siamesische Zwillinge

Dabei ist der ehemalige Sprecher so etwas wie eine Schlüsselfigur zum Politiker Wulff. Seit 1999 war er der Medien-Mann an dessen Seite. Zunächst beim niedersächsischen CDU-Oppositionsführer und Ministerpräsidenten Wulff, ab 2010 dann beim Bundespräsidenten. Beide bezeichneten einander als Freunde, ja als "siamesische Zwillinge". Bis Dezember 2011. Dann schieden sie im Streit.

Im Hannoveraner Landgericht begegneten sie einander nach eineinhalb Jahren wieder. Dort steht erstmals überhaupt ein früheres Staatsoberhaupt der Bundesrepublik vor Gericht. Der heute 54-jährige Wulff war im Februar 2012 als Bundespräsident zurückgetreten - nach gut zweimonatigen Debatten um die Finanzierung seines Privathauses und Fragen der Korrumpierbarkeit. Geblieben ist der Vorwurf der Vorteilsannahme im Amt, der Wulff im November 2013 vor Gericht brachte.

Freunde am Wochenbett

Im Kern wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, er habe sich wissentlich von dem mitangeklagten Filmfinanzier David Groenewold bei einem Oktoberfestbesuch 2008 in München aushalten lassen und später bei Siemens-Chef Peter Löscher ein Filmprojekt Groenewolds beworben. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.

"So ein Tankstellentyp"

Glaeseker betonte die Freundschaft von Wulff und Groenewold, die enge Bande. Als Wulffs Frau Bettina Sohn Linus entbunden habe, sei Groenewold sogar am Wochenbett gewesen. "Das würde ich nur Familienangehörigen und engsten Freunden gestatten", meinte der Sprecher. Und Glaeseker charakterisierte die beiden: Groenewold habe gerne für alle das Essen bezahlt, wer das nicht wollte, habe sich mit ihm geradezu ein Rennen zur Kasse liefern müssen. Wulff sei dagegen "so ein Tankstellentyp". Wenn der Wagen irgendwo zum tanken stoppe, müsse er was kaufen "einen Saft oder was Süßes". Und habe dann den Begleiter dabei eingeladen.

Spürbar nervös

All das waren nicht die neuen Erkenntnisse, die manche Beobachter erhofft hatten. Dabei waren Wulff während der Vernehmung seines langjährigen Weggefährten Spannung und auch Nervosität anzumerken. Wenn Glaeseker mit leiser Stimme und fast hektisch wippenden Füßen sprach, fixierte ihn der Ex-Präsident, der kaum vier Meter entfernt saß, mit ernstem Blick. Ironie der Affäre: Im selben Saal 127 tritt am 10. Februar Wulff als Zeuge bei einem Verfahren gegen Glaeseker wegen Bestechlichkeit an. Als Zeuge für, als Zeuge gegen Glaeseker?

Ex-Bundespräsident Christian Wulff und seine Anwälte Michael Nagel und Bernd Müssig (Foto: dpa)
Ex-Bundespräsident Christian Wulff (Mitte) und seine Anwälte Michael Nagel (links) und Bernd MüssigBild: picture-alliance/dpa

Ganz anders gab sich Wulff zwei Stunden vorher, als Groenewolds Ex-Sekretärin Sonja Dubbke in den Zeugenstand trat. Ihren Schilderungen in erkennbar Berliner Dialekt folgte Wulff oft mit einem Lächeln. Und als Richter Rosenow einen handschriftlichen Vermerk des damaligen Ministerpräsidenten nicht entschlüsseln konnte, schritt der zum Richtertisch. Wulff las Wulff, eine so oft schon in deutschen Medien zitierte Aktennotiz, sein Büro und die Staatskanzlei möge bei jedem Kontakt mit Groenewold zurückhaltend sein und jeden Anschein von Vorteilsgewährung vermeiden.

Groenewold bat bei Wulff um Hilfe

Die ehemalige Sekretärin betonte, ihr Chef sei 2008 in massiven Geldsorgen gewesen und habe deshalb auf Unterstützung des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten gedrängt. Deshalb habe sie in Groenewolds Auftrag einen "fast überlebenswichtigen", "wirtschaftlich sehr bedeutsamen" Brief an Wulff geschrieben. Groenewold hatte in einer früheren Vernehmung seine frühere Mitarbeiterin als Frau beschrieben, die "gern in meinen privaten Dingen herumschnüffelt".

Neue, wirklich wichtige Erkenntnisse, welche Auslagen Groenewold aus welchem Interesse und mit welcher Konsequenz für Wulff übernommen hat, brachte dieser Verhandlungstag also nicht. Dabei war das öffentliche Interesse stärker als an jedem bisherigen Verhandlungstag. Gegen Ende der Vernehmungen erkundigte sich der Oberstaatsanwalt angesichts so vieler Erinnerungslücken bei Glaeseker, warum er sich im Verfahren gegen Wulff bei zwei früheren Anfragen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und nicht ausgesagt habe. "Das war ein fürsorglicher anwaltlicher Rat", erwiderte der Zeuge betont langsam.

So wird das bis April anberaumte Verfahren in Bälde enden. Nach bisherigem Stand, so Richter Rosenow, soll am 27. Februar das Urteil fallen. In Teilen Deutschlands tobt an diesem Donnerstag das Brauchtum - die "Weiberfastnacht" eröffnet das Karnevalswochenende. Da lacht die Republik...