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World Vision: Geld für Syrien-Flüchtlinge wird knapp

Andreas Gorzewski23. Oktober 2014

Die Hilfsgelder für Syrien-Flüchtlinge im Libanon drohen zu versiegen - wegen der vielen neuen Krisen weltweit. World Vision-Mitarbeiter warnen vor den Folgen.

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Syrische Flüchtlinge im Libanon
Bild: picture alliance/AP Photo

DW: Wie ist die Lage der syrischen Flüchtlinge im Libanon?

Jessica Moujabber: Die Situation der Flüchtlinge ist sehr schwierig, vor allem im Hinblick auf die beginnende Winterzeit. Im Libanon kann es sehr kalt sein, vor allem in der Bekaa-Ebene nahe der syrischen Grenze. Die Temperaturen dort können auf null Grad fallen, manchmal sogar darunter und dann schneit es. Die meisten Menschen dort leben in improvisierten Behausungen. Es gibt das Risiko von Überflutungen. Sie haben keine angemessene Unterkunft für die Winterzeit.

Welche Arbeit leistet Ihre Hilfsorganisation?

Christine Latif: Im Laufe der Jahre ist die Zahl der Syrer auf ein Viertel der Bevölkerung im Libanon angewachsen. Insgesamt hat der Libanon etwa vier Millionen Einwohner. 1,2 Millionen Flüchtlinge sind dort registriert bei der UN-Organisation für humanitäre Koordination. Die Arbeit von World Vision für die Flüchtlinge ist auf die Grundbedürfnisse ausgerichtet. Wir stellen Trinkwasser bereit und Wasser für die Haushalte, um die Hände zu waschen, zu duschen oder Wäsche zu waschen. Wir stellen Bildungsangebote für Kinder bereit. Wir glauben, dass derzeit etwa 300.000 Kinder im Libanon nicht zur Schule gehen.

Darüber hinaus stellen wir Geldmittel in Form einer Bankautomatenkarte mit einem bestimmten Betrag bereit. Diesen können die Menschen für Nahrungsmittel oder Hygieneartikel benutzen und ihrer Familie weiterhelfen. So unterstützen wir im ganzen Libanon Flüchtlinge. Sie können selbst entscheiden, wofür sie die Mittel nutzen. Der größte Teil davon wird für die Miete verwendet. Auch Menschen in den einfachsten Unterkünften wie Betonplatten mit einem Holzgestell müssen dafür Miete zahlen. Das Leben im Libanon ist teuer, die Lebenshaltungskosten sind kaum geringer als in Deutschland.

Projekt World Vision im Libanon
Christine Latif und Jessica Moujabber von World Vision sorgen sich um die Syrien-FlüchtlingeBild: DW/Andreas Gorzewski

Wie beeinflusst die große Zahl von Flüchtlingen den Libanon?

Latif: Es wird langsam schwierig. Der Libanon ist noch dabei, sich nach Jahrzehnten des Konflikts zu erholen. Das heißt, die bestehenden Systeme für Wasser oder Strom waren schon anfällig und es wären Investitionen zur Ausbesserung nötig gewesen. Mit einer Millionen Menschen zusätzlich, die sie benutzen, sind sie überlastet. Das Schul- und das Gesundheitssystem bemühen sich, mit der größeren Zahl an Menschen zurechtzukommen. Das alles bereitet den Menschen Sorgen. Aber die größte Sorge ist die wachsende Armut im Libanon. Viele halten das Land für wohlhabend, und meinen, die Menschen würden sich dort eines luxuriösen Lebensstils erfreuen. Es könnte kaum unterschiedlicher sein. Einige Berichte zeigen, dass etwa 25 Prozent der Libanesen unterhalb der Armutsgrenze leben. Wir haben es mit einem Land zu tun, in dem insgesamt die Hälfte der Bevölkerung Hilfe braucht. Die Menschen machen sich zunehmend Sorgen, wie sie und ihre Familien durchkommen sollen.

Wie wird die Hilfe im Libanon finanziert?

Latif: Derzeit hat World Vision ein Budget von 30 Millionen Dollar für die Flüchtlingsarbeit und ein viel kleineres Budget für die Arbeit mit der gastgebenden libanesischen Gesellschaft. 90 Prozent der Gelder kommen von Institutionen wie der deutschen Regierung, den UN-Organisationen, dem Welternährungsprogramm. Wir hängen in hohem Maße von diesen Geldern ab für die Arbeit, die wir leisten. Unglücklicherweise lösen sich diese Geldquellen, auf die wir uns stützen, mit der wachsenden Liste von anderen Krisen auf. Ebola oder die Überschwemmungen in Bosnien gehören dazu. Viele unserer Programme werden bis zum Ende dieses Jahres finanziert, dann versiegen die Gelder. Wir haben im vergangenen Jahr 300.000 Menschen unterstützt. Davon waren 200.000 Flüchtlinge. Ohne weitere Finanzierung können wir diese Hilfe in Zukunft nicht mehr anbieten.

Wie reagiert die libanesische Bevölkerung auf die große Zahl der Flüchtlinge?

Latif: Der Libanon beherbergt die meisten Flüchtlinge in der Region. Ungefähr drei Millionen Menschen haben Syrien seit dem Beginn der Krise verlassen. Jeder Dritte davon ist im Libanon. Andere Länder mit vielen Dutzend Millionen Einwohnern machen sich Sorgen wegen 300 bis 400 oder 3000 bis 4000 Leuten, die kommen. Die Libanesen verdienen Anerkennung für ihre Großzügigkeit.

Droht der Konflikt in Syrien noch stärker auf den Libanon überzugreifen?

Latif: Es gab kleine Gefechte in den Grenzgebieten. Das ist weiter eskaliert. Darüber machen sich die Menschen Sorgen. Sie hoffen, dass die libanesische Regierung die Lage kontrollieren kann.

Christine Latif ist Projektmanagerin von World Vision im Libanon und für die Beschaffung von Finanzmitteln zuständig. Jessica Moujabber ist Projektmitarbeiterin im Libanon. Der deutsche Zweig von World Vision ist Mitglied im Bündnis "Aktion Deutschland Hilft".

Das Interview führte Andreas Gorzewski.