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Wolff: Europa braucht mehr Kapitalquellen

Bernd Riegert, z.Z. Riga 25. April 2015

Währungsunion, Bankenunion und jetzt Kapitalmarkt-Union: Warum braucht die EU dieses neue Projekt, das die Finanzminister in Riga auf den Weg brachten? Fragen an Guntram Wolff von der Denkfabrik "Bruegel".

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Symbolbild Euro Kursverluste
Bild: Reuters/R. Orlowski

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Deutsche Welle: Herr Wolff, das nächste große Projekt der EU steht vor der Tür: die Kapitalmarkt-Union. Was genau soll das werden, können Sie das kurz skizzieren?

Guntram Wolff: Bei der Kapitalmarkt-Union geht es darum, Finanzströme zu verbessern, stabiler zu machen und besseren Zugang zu bekommen, vor allem für Unternehmen, aber auch für Haushalte. Der Bürger soll bessere Sparmöglichkeiten haben, um bessere Zinsen auf die Ersparnisse zu bekommen. Damit soll die Stabilität nicht nur der Währungsunion, sondern der ganzen EU gestärkt werden. Das ist das große Ziel dieses Projekts. Dafür sind natürlich verschiedene Maßnahmen nötig.

Welche Maßnahmen sollen das sein? Es wird ja gesagt, das ist ein langfristiges Projekt, das am Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments, also 2019, umgesetzt wird. Welche Bausteine braucht man jetzt?

Kurzfristig ist es vor allem wichtig, die Transparenz in den Finanzmärkten zu erhöhen. Die Informationen müssen so verbessert werden, dass man weiß, was man da eigentlich für ein Produkt kauft. Transparenz ist sozusagen das lebenswichtige Blut für gut funktionierende Finanzmärkte. Dann gibt es eine mittelfristige Agenda, wo man sicherlich strukturell über Dinge nachdenken muss, wie Finanzstabilität, Insolvenzverfahren und Steuerpolitik.

Ist das Ganze jetzt noch eine Nachwehe der Finanzkrise von 2008? Ist die Kapitalmarkt-Union nötig, um mehr Stabilität im Finanzsektor zu schaffen?

Es geht da nicht nur um die letzte Finanzkrise, sondern darum, dass man insgesamt besser gewappnet ist für die nächste Krise und schneller wieder aus der Krise herauskommen könnte. Wir sehen ja ganz klar, dass wir in Europa mehr Probleme hatten, aus der Krise herauszukommen, weil wir eben so stark an den Banken gehangen haben und immer noch hängen. Da die Banken in Probleme gerieten, hatte eben auch der Rest der Wirtschaft ein Problem. Mehr Diversifizierung des Finanzsystems wäre gut für die Stabilität.

Guntram Wolff
Guntram Wolff leitet das "Bruegel"-Institut in BrüsselBild: DW/M. Fiedler

Nun baut die Europäische Union ja gerade eine "Banken-Union". Es gibt inzwischen die Bankenaufsicht, die nächsten Steine werden in die Mauer eingesetzt. Ist denn der politische Wille da, schon wieder das nächste große Projekt in der EU aufzusetzen?

Das ist die Diskussion, die hier abläuft. Ich denke, es ist ein grundsätzliches politisches Verständnis da, dass man diese Dinge anpacken muss, um Europa stabiler zu machen und letztendlich auch mehr Wachstum und Jobs zu haben. Aber es ist schon so, dass viele Minister erst einmal nur die leichten und kurzfristigen Dinge angehen wollen und sich nicht so viele Gedanken machen wollen über die großen und weiter reichenden Themen.

Welche Kritik gibt es denn an der Kapitalmarkt-Union? Gibt es Befürchtungen, dass die Finanzmärkte am Ende noch mächtiger und einflussreicher sein werden, als sie es heute schon sind?

Eines der Probleme ist natürlich: Je mehr Finanzintegration man über Grenzen hat, desto mehr finanzielle Instabilität kann es auch geben, also Krisen, die von einem Land auf das nächste überspringen. Wenn man Finanzmärkte stärker integriert, muss man gleichzeitig den regulatorischen Rahmen, die Aufsicht verstärken, damit Integration nicht zu neuen Krisen führt.

Die Kapitalmarkt-Union wird auch als Teil des großen Juncker-Plans gesehen, um Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Euro in Europa auszulösen. Das heißt, Unternehmen in den südlichen Krisenländern sollen einfacher an Kapital kommen als heute. Sind wir also doch wieder bei Griechenland?

Man darf da nicht träumen, dass diese Kapitalmarkt-Union irgendwie unsere Probleme in Griechenland oder anderen südlichen Ländern lösen wird. Hier geht es wirklich um ein langfristiges Projekt. Kurzfristig müssen wir die Probleme im Bankensystem und bei den Staatsschulden in den Griff kriegen. All diese Dinge kann die Kapitalmarkt-Union natürlich nicht lösen.

Guntram Wolff leitet das renommierte "Bruegel"- Institut in Brüssel, eine Denkfabrik für Europapolitik, insbesondere Wirtschafts- und Finanzfragen. Der deutsche Ökonom ist regelmäßig Gast bei den informellen Tagungen der EU-Finanzminister, wo er Impulse für die Beratungen der Politiker geben soll.

Das Gespräch führte Bernd Riegert.