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Gedankenrevolution

Silke Wünsch4. Mai 2012

Informationen über das Netz tauschen, ist essentiell, sagt Isaac Mao. Der Chinese bloggt seit zehn Jahren, die internationale Szene liebt ihn. Auf der Bloggerkonferenz re:publica erklärt er, was "Sharism" bedeutet.

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Der chinesische Blogger Isaac Mao (Foto: DW)
Bild: DW

Je mehr du teilst, umso mehr bekommst du. Eine schlichte Idee. Isaac Mao hat sie für sich genutzt, um mehr zu erreichen als nur das Teilen von Informationen. Der chinesische Blogger beschäftigt sich damit, wie das Teilen von Wissen Bewegungen anstoßen kann. Nach dem Motto: Teile dein Wissen, mache andere klüger und habe selbst Vorteile davon. Dabei geht es ihm zunächst gar nicht um politische Umstürze sondern eher um Horizonterweiterung. Genau das versteht Isaac Mao unter dem Schlagwort "Sharism": "Wenn ich einen Apfel mit mehreren Menschen teile, dann bekommt jeder nur ein Stück vom Ganzen. Wenn ich mein Wissen teile, dann vervielfältige ich es. Das ist der Unterschied."

2005, drei Jahre vor den olympischen Spielen in Peking, hat Isaac Mao die erste Bloggerkonferenz in China initiiert. Sie fand in Shanghai statt, es war ein eher kleines Treffen. Doch im Zuge der olympischen Spiele wuchs die Zahl der Internetuser in China sprunghaft an, trotz Zensur. "Die Menschen nutzten die Sozialen Netzwerke, Facebook und Twitter. Sie haben sich damit aus der Isolation befreit, konnten endlich mit anderen Menschen, die sie sonst nicht erreicht hätten, in Kontakt treten", sagt Isaac. Obwohl das Netz in China kontrolliert werde, sei der "Sharism"-Gedanke auch hier keine Utopie: "Wir müssen einfach noch unabhängiger denken, neugieriger, aufgeschlossener."

Kreidezeichnung zur Illustration von Netzwerken (Foto: Fotolia)
Wissen teilen, Kontakte knüpfenBild: Fotolia/MH

Neues aus einer Kopie erschaffen

"Sharism" will nämlich Austausch-Kultur sein, im wahrsten Sinne des Wortes. Dazu zählt auch, dass andere das geteilte Wissen erweitern oder verändern können. Die Netzwelt nennt das auch "Remix" oder "Mash-up" - wie in der Musik stellt man eine Kopie her, bearbeitet sie und macht etwas Neues daraus. Klingt sehr theoretisch. In der Praxis ist es für Isaac der kreative Umgang mit Informationen: "Kreativität liegt in der menschlichen Natur. Warum sollten wir sie nicht nutzen, um was Eigenes daraus zu machen und auch dieses wieder zu teilen?" Isaac schwört auf das Potential dieses kollektiven menschlichen Wissens, es ist seine Zukunftsvision.

Als Paradebeispiel für die Austausch-Kultur der Gegenwart beschreibt Isaac, wie die Werbebranche durch Internet und Social Media einen wichtigen Player bekommen habe: den Selbstläufer. "Als das neue iPad auf den Markt kam, waren die Leute verrückt danach. Sie haben Infos an ihre Freunde gepostet, Bilder ins Netz gestellt, allen erzählt wie begeistert sie waren – und Apple hat keinen Cent an die Leute bezahlt. Da könnten Firmen mehr draus machen. Fluggesellschaften zum Beispiel könnten ihre Flugpläne transparenter machen, sie könnten Programmierer dabei unterstützen Apps zu entwickeln, auf die dann jeder Zugriff hat."

Käufer des neuen ipad im März 2012 in New York (Foto: Reuters)
Begeisterung teilen - real und im NetzBild: REUTERS

Wissen ist Macht – auch in China

Isaac Mao sagt, er sei sich natürlich bewusst darüber, dass es in China Feinde des freies Gedankenaustauschs gebe. Er erlebt selbst schonmal, dass er an seine Blogger-Grenzen stößt. Das sei die politische Seite das "Sharism". Doch soweit müsse man gar nicht gehen, meint er: "Deine Information kann andere Menschen generell stärken. Es kann sie selbstbewusster machen. Und irgendwann kriegst du das auch zurück."

Dass solch ein Kollektivismus auch in China Grenzen sprengen kann, zeigt sich für Isaac im aktuellen Fall des blinden Bürgerrechtlers Chen Guangcheng. Dass er aus seinem Hausarrest fliehen konnte, und es ihm gelang die US-Botschaft zu erreichen, daran seien auch viele Internetuser beteiligt gewesen. Sie twitterten unter anderem über VPN-Netzwerke relevante Informationen, nachdem aus dem Krankenhaus, in das der Bürgerrechtler eingeliefert worden war, keine offiziellen Nachrichten mehr über seinen Gesundheitszustand kamen.

Der chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng (Foto: dpa)
Chen GuangchengBild: picture-alliance/dpa

Informationen verbreiten sich im Netz eben rasend schnell: 200 Millionen Tweets täglich auf Twitter – das Potential dieser Informationsquelle sei noch lange nicht ausgeschöpft, so Isaac. Sein "Sharism"-Gedanke klingt nicht nach einer neuen Internet-Revolution, aber das ist auch nicht sein Ziel. Er will die Menschen aber dafür sensibilisieren, wie wichtig Gedankenaustausch ist. Er glaubt daran, dass man die Welt verändern kann, wenn man sich durch das Teilen von Wissen eine kollektive Intelligenz schafft.