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Warum noch Deutsch lernen?

Stefan Dege5. Februar 2015

Englisch erobert die Welt. "Warum noch Deutsch lernen?", fragt der Essener Sprachforscher Ulrich Ammon - und legt ein dickes Buch voller Antworten vor. Die wichtigste: "Weil Deutschlerner wie Deutsche davon profitieren!"

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Symbolbild - Sprache
Bild: Fotolia/Yantra

Deutsch, das war einmal die Weltsprache der besten Köpfe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Heute nähert sich diese 250 Jahre währende Epoche ihrem Ende, wie Ammon konstatiert: "Vor allem durch die beiden Weltkriege hat das Deutsche seine Bedeutung stark eingebüßt." Ammon ist Germanist und Linguist mit Sinn für Geschichte und Soziologie. Er unterrichtet als Hochschullehrer an der Universität Duisburg-Essen. Sein neuestes, im Berliner Wissenschaftsverlag De Gruyter erschienenes Buch beschreibt die Verbreitung und Bedeutung der deutschen Sprache. Es untersucht Gründe, diskutiert Perspektiven und zieht Schlüsse. Ammons vorläufiges Fazit: Es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. "Deutsch hat sich in letzter Zeit wieder etwas gefangen."

Wo genau steht das Deutsche im internationalen Vergleich? Derzeit, so rechnet Ammon im DW-Gespräch vor, gibt es weltweit rund 104 Millionen deutsche Muttersprachler. Das Deutsche rangiert damit an zehnter Stelle. Gemessen an der Wirtschaftsleistung der deutschen Sprachgemeinschaft, zu der auch Österreich und die Schweiz gehören, erreicht Deutsch bereits den vierten Platz – nach Englisch, Chinesisch und Spanisch. Und auch unter den Fremdsprachen-Lernern ist Deutsch beliebt: Nur Englisch, Französisch und Chinesisch werden noch öfter als Fremdsprache gewählt. Deutschlerner finden sich vor allem in Osteuropa, aber genauso in Indien oder China.

Ulrich Ammon, Universität Duisburg-Essen
Sprachforscher Ammon kennt sich ausBild: Universität Duisburg-Essen

Wirtschaftskraft motiviert zum Deutschlernen

Warum lernen Ausländer Deutsch? Was versprechen sie sich davon? Nicht wirklich neu, aber dafür jetzt wissenschaftlich bestätigt ist diese Vermutung Ammons: "Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskraft der Muttersprachler und dem Interesse der Fremdsprachenlerner." Soll heißen: Weil Deutschland reich und wirtschaftlich stark ist, lernen mehr Ausländer Deutsch. "Wer Deutsch kann", beschreibt der Sprachforscher das Kalkül, "findet Zugang zu Ländern, die florieren – mit guten beruflichen, wirtschaftlichen und Bildungsmöglichkeiten." Die könne man für vorübergehende Aufenthalte genauso nutzen wie für die Zuwanderung. "Das alles", so Ammon, "motiviert zum Deutschlernen."

Deutschland könne das nur nützen, findet der Essener Germanist. "Es ist von Vorteil, wenn die eigene Sprachgemeinschaft weit verbreitet ist", betont er. "Menschen, die Deutsch als Fremdsprache gelernt haben, werden versuchen,aus diesen Deutschkenntnissen etwas zu machen. Sie kommen öfter nach Deutschland, pflegen Kontakte oder geben als Touristen Geld aus." So hätte Deutschland alle Gründe, mehr für die Verbreitung der deutschen Sprache in der Welt zu tun. Bei den Vereinten Nationen und bei der Europäischen Kommission sei das leider versäumt worden, kritisiert er. "Die Politiker", schlägt Ammon vor, "sollten sich die Überlegungen meines Buches zu eigen machen und überlegen, welche Vorteile das hat."

In seinem 1300 Seiten starken Buch liefert der Sprachwissenschaftler einen ambitionierten, weil breiten und gut belegten Überblick über Verbreitung und Rang des Deutschen in der Welt. Das Verhältnis der Sprachen untereinander beleuchtet er dabei ebenso wie die Konkurrenz internationaler Sprachen mit der Weltsprache Englisch. Wie funktionieren Sprachen in Wirtschaft, Wissenschaft, Diplomatie, Tourismus, Medien und Pädagogik? Auch darauf liefert Ammon Antworten.

Ulrich Ammon, Jahrgang 1943, ist germanistischer Linguist mit dem Schwerpunkt Soziolinguistik an der Universität Duisburg-Essen. Sein Buch "Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt" ist soeben im Berliner Verlag De Gruyter erschienen. 1314 Seiten kosten € 79,95.