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Steigende Mieten

Jennifer Fraczek4. November 2012

Hohe Mieten, wenige Sozialwohnungen: Vor allem in den Städten wird bezahlbarer Wohnraum knapp. Die Nachfrage treibt die Mietpreise in die Höhe. Wer wenig verdient, für den kann Wohnen unerschwinglich werden.

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Die Hufeisensiedlung im Berliner Bezirk Neukölln ist eines der frühesten Beispiel für sozialen Wohnungsbau. (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vier Millionen Sozialwohnungen fehlen derzeit in Deutschland. Diese Zahl hat das Pestel Institut im Sommer dieses Jahres veröffentlicht. Der Institutsvorstand Matthias Günther glaubt, dass sich die Situation in den kommenden Jahren noch zuspitzen wird.

Nach Einschätzung des Diplom-Ökonomen ist Wohnungsnot nämlich nicht mehr nur in großen Städten ein Thema. "Wir haben hier auch relativ kleine Städte mit großen Universitäten, wie Tübingen oder Göttingen, die zum Teil in einem ländlichen Umfeld sind und trotzdem inzwischen erhebliche Probleme am Wohnungsmarkt haben", sagt Günther.

Junge Menschen seien immer schon zur Ausbildung in die Städte gezogen. "Was inzwischen fehlt, ist ein bisschen das Gegengewicht, nämlich dass die Familien dann in den ländlichen Raum ziehen oder in das Umfeld der großen Städte", erklärt er.

Hinzu komme die Zuwanderung aus dem Ausland. Im Jahr 2011, einem wirtschaftlich erfolgreichen Jahr in Deutschland, zogen laut Statistischem Bundesamt 279.000 Menschen mehr zu als weg.  Und wo die Nachfrage groß ist, steigt der Preis. Das ist das Prinzip der Marktwirtschaft.
Sozialwohnungen für viele Investoren nicht lukrativ genug

Denn Vermieter wollten - wie die meisten Menschen - Geld verdienen, sagt der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Den kontinuierlichen Rückgang von Sozialwohnungen begründet er unter anderem damit, dass kaum welche neu gebaut würden – und "gleichzeitig sind jede Menge Wohnungen aus der sogenannten 'Bindung' herausgefallen."

Die sogenannte Bindung legt vertraglich fest, wie lange eine Sozialwohnung als solche vermietet werden muss. Neue Verträge wollten viele Eigentümer nicht abschließen, da sie mit der Vermietung einfach keine gute Rendite erzielen könnten.

Günther sieht insbesondere Länder und Kommunen in der Pflicht. Die Länder sind für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Sie hätten in den vergangenen Jahren auch Programme zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus aufgelegt, seiner Einschätzung nach aber nicht mit großem Erfolg.

"Die Programme waren so unattraktiv gestaltet, dass niemand in diesen Bereich investieren wollte", sagt er. Offenbar ist es vielfach nicht gelungen, Investoren den Bau von Sozialwohnungen schmackhaft zu machen - etwa mit zinsgünstigen Krediten.

Deutscher Städtetag sieht Mangel, aber keine Not

Der Deutsche Städtetag als Zusammenschluss der Kreis- und der kreisfreien Städte beurteilt die Situation insgesamt etwas anders. Der Bestand an günstigen Wohnungen gehe zwar zurück, sagt der Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr, Hilmar von Lojewski. Er spricht jedoch von knapp 100.000 fehlenden Sozialwohnungen pro Jahr und beruft sich dabei auf Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Den Begriff Wohnungsnot zur Beschreibung der aktuellen Lage findet er nicht angemessen. "Ich würde von Wohnungsmangel sprechen, aber nicht von Wohnungsnot", sagt er. Von Lojewski sieht zwar durchaus den Handlungsbedarf der Städte und Kommunen bei dem Thema, merkt aber auch an, dass die Länder zu wenig Geld für den sozialen Wohnungsbau bereitstellten.

Armutsforscher befürchtet "Zerfall der Städte"

Wo es keine Sozialwohnungen gibt, leben viele Menschen ohne Dach über dem Kopf. Erst kürzlich bezifferte die Evangelische Obdachlosenhilfe in Deutschland die Zahl der Wohnungslosen auf 250.000. Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge befürchtet auf lange Sicht gar einen Zerfall der Städte - in Luxusquartiere für Reiche und sozial benachteiligte Wohngebiete, in denen die Bedürftigen wohnen.

Die sozialen Unruhen in Frankreich 2005 und Großbritannien im vergangenen Jahr sollten den Verantwortlichen in Deutschland eine Warnung sein, findet er. Im Sommer 2011 sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, auch hierzulande bestehe die Gefahr, dass sich Armut am Stadtrand ballen könnte – "und das heißt, wir könnten auf lange Sicht ähnliche Probleme bekommen".

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland, was die Wohnkosten angeht, im oberen Bereich. Laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) sind 2011 hierzulande im Schnitt 28,3 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für das Wohnen ausgegeben worden.

An der Spitze liegen die Dänen mit 31,9 Prozent. Für Großbritannien (28,9), Frankreich (17,8) und Italien (16,6) liegen bislang nur Daten aus 2010 vor.

Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge (Foto: Wolfgang Schmidt)
Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft.Bild: picture-alliance/dpa
Impression von der Hamburger Hafencity (Foto: unbekannt)
Hamburger mussten 2011 zwischen 8,02 und 14,50 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter zahlen.Bild: Fotolia/kameraauge