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"Wir sind Franzosen, das ist ganz klar"

Ernst Meinhardt30. Juni 2003

Eingegrenzt vom Saarland, von Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Belgien liegt Lothringen. Aber auch wenn die Bewohner einen deutschen Dialekt sprechen: Die Region ist unverkennbar ein Stück Frankreich.

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Ein Stück Frankreich: <br>Département Moselle (Lothringen)Bild: CDT Moselle

Grundviller, ein Dorf im Nordosten Lothringens, etwa 15 Kilometer von der saarländischen Grenze entfernt. Als die Theatervorstellung im Kulturzentrum beginnt, ist kein Platz mehr frei. Manch einer muss für die nächsten dreieinhalb Stunden mit einem Stehplatz Vorlieb nehmen.

"Das ist immer so", erzählt Cecile Douvinet, Lehrerin an einem Gymnasium im lothringischen Sarreguemines (Saargemünd) und Leiterin und Regisseurin des Theatervereins Grundviller. Ihr Verein ist einer der ältesten und einer der erfolgreichsten lothringischen Mundarttheatervereine.

Lothringer Platt

Die lothringischen Mundartsprecher leben nur in einem der vier Departements Lothringens, und zwar im nordöstlichen "Département de la Moselle". Es grenzt unmittelbar an das Saarland und an Rheinland-Pfalz, außerdem an Luxemburg und an Belgien.

Nach offiziellen französischen Angaben sprechen in diesem Departement 350.000 Menschen Mundart. Das ist mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Die Lothringer nennen ihre fränkische Mundart "Platt". Sprachwissenschaftlich gesehen sind es drei Dialekte: Rheinfränkisch rund um die Stadt Saargemünd, Moselfränkisch in der Region um Boulay und Luxemburger Fränkisch rund um Thionville. Rhein- und Moselfränkisch wird auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz gesprochen. Luxemburger Fränkisch ist in Luxemburg Nationalsprache.

Die Mundart ist es, die dem Grundviller Theaterverein so viel Zulauf bringt. Das gibt Fernand Jenft, einer der Hauptdarsteller des Abends, unumwunden zu. "Würden wir auf Französisch spielen", sagt er, "dann hätten wir keine fünfzig Zuschauer. Die älteren Leute von 50 bis 75 Jahren kommen, um das Platt zu hören. Das gefällt ihnen."

Damit spricht Jenft, von Beruf Fahrlehrer, das größte Problem an. Junge Leute gibt es nur sehr wenige im Zuschauerraum. "Das ist kein Zufall", räumt Douvinet ein. "Das liegt an den Eltern, aber auch an der Mode. Die Kinder sprechen nicht mehr Platt, weil das nicht aktuell ist." Doch die Theaterleiterin ist zuversichtlich: "Das kommt wieder."

Keine deutsche Minderheit

Spricht man in Deutschland über Elsässer und Lothringer, hört man oft die Auffassung: "Das sind doch Deutsche oder Angehörige der deutschen Minderheit in Frankreich." Zugegeben, man könnte die Sache tatsächlich so sehen. Schließlich haben das Elsass und Lothringen zeitweise zu Deutschland gehört.

Viele Elsässer und Lothringer tragen deutsche Familienamen. Und sie sprechen einen deutschen Dialekt. Es gibt ja auch deutsche Minderheiten in Polen und in Tschechien, in Ungarn und in Rumänien, in Russland und in der Ukraine, in Argentinien und in Brasilien. Warum also nicht Elsässer und Lothringer als Angehörige der deutschen Minderheit in Frankreich betrachten? Aus einem sehr überzeugenden Grund: Weil die Elsässer und die Lothringer keine Deutschen sein möchten. Marcel Adam, Chansonnier und Rundfunkmoderator, der seinen lothringischen Dialekt als seine Muttersprache bezeichnet, bringt es auf den Punkt:

"Wir verstehen uns nicht als deutsche Minderheit in Lothringen. Das ist auch so eine Sache, die es nur in den Köpfen von Leuten von auswärts gibt. Wir verstehen uns natürlich als Franzosen. Aber als Franzosen haben wir unseren eigenen Charakter und unsere eigene Identität, und das ist Lothringen. Wir sind Franzosen, das ist ganz klar."