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Haslinger: "Wir brauchen ein würdiges Asylrecht"

Conny Paul21. April 2015

Nach dem Tod hunderter Flüchtlinge im Mittelmeer kritisiert Josef Haslinger, Chef des deutschen PEN, die Politik. In einer Resolution fordern Autoren ein einheitliches Asylrecht in Europa. Die Reaktionen sind ambivalent.

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Josef Haslinger
Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild

Deutsche Welle: Herr Haslinger, in ihrer Funktion als Präsident der deutschen Sektion des Schriftstellerverbandes PEN haben sie jetzt eine Resolution im Bundesinnenministerium und einen Tag später im Europäischen Parlament in Brüssel überreicht. 1116 Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus 26 Ländern setzen sich damit für ein "menschenwürdiges Asylrecht" ein. Wie wurde denn diese Resolution in Berlin und in Brüssel aufgenommen?

Josef Haslinger: Ich fange mit dem Positiven an: In Brüssel wurden sie sehr gut aufgenommen. Martin Schulz hat die Resolution als Unterstützung seiner Anliegen empfunden. Und er hat uns gesagt, dass er unsere Resolution voll und ganz unterstützen wird.

Im Bundesinnenministerium in Berlin war das ganz anders. Der von uns gewünschte Termin für die Übergabe kam nicht zustande. Es wurde uns untersagt, dass Presse mitkommt, damit die Resolution öffentlich übergeben wird. Wir wurden von einem Fotografen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) begleitet. Dieser wurde nicht zugelassen und musste wieder gehen. Und dann wurden wir vorgelassen - allerdings nicht zum Bundesinnenminister Thomas de Maizière, sondern zum Staatssekretär Ole Schröder. Dieser hat uns zuerst einmal vorgehalten, dass diese Resolution zu aggressiv sei. Anschließend wollte er Punkt für Punkt den Inhalt durchgehen.

Er hat zwei Gründe gefunden, warum die Resolution völlig untauglich sei. Zum einen beinhalte die Resolution Punkte, die schon längst verwirklicht seien. Zum anderen beinhalte sie Behauptungen, die nicht stimmen. Er hat also unsere Resolution für völlig unbedeutend und falsch gehalten. So sind wir dann wieder auseinander gegangen.

In Brüssel wurden sie mit Ihrer Resolution von Martin Schulz sehr respektvoll empfangen und es gab sogar einen Live-Stream im Internet. Auf Ihren Onlineseiten und denen der EU-Kommission kann man sich das Video immer noch ansehen.

Ja, unsere Resolution wurde als Unterstützung bezeichnet. Es wurde der europäische solidarische Gestus dieser Resolution verstanden – darum geht es uns nämlich. Es geht darum, dass die Kosten, die mit ordentlichen Asylverfahren und der ordentlichen Behandlung von Flüchtlingen verbunden sind, in ganz Europa gerecht verteilt werden. Und gerecht heißt natürlich: nach Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: Was erwartet der PEN nun von der EU?

Obwohl Frontex, die EU-Grenzschutzbehörde, in der Resolution nicht erwähnt ist, wird doch der europäische Grenzschutz erwähnt mit seinen Mängeln. Es wird vor allem erwähnt, dass es nicht angeht, dass weiterhin so viele Flüchtlinge im Mittelmehr ertrinken. Im Gespräch bei der Übergabe in Berlin habe ich darauf hingewiesen, dass Mare Nostrum, das italienische Rettungsprogramm für Flüchtlinge, viel effektiver arbeitete als Frontex. Aber da hat mir der parlamentarische Staatssekretär kräftig widersprochen und meinte, Frontex sei zur Rettung von Menschen das wesentlich geeignetere Instrument. Andere Politiker sind meiner Meinung. Das zeigt ja auch die Realität.

Politische Mühlen mahlen in der Regel sehr langsam. Was muss jetzt getan werden, um das Flüchtlingssterben zu beenden?

Was man direkt machen kann, ist, eine Patrouille zu gründen, wie es Mare Nostrum war. Rettungsboote müssen wieder das Mittelmeer nach Flüchtlingen absuchen. Längerfristig muss man noch viel mehr tun. Aber dazu ist es erst wichtig, dass die anderen Punkte in unserer Resolution tatsächlich verwirklicht werden. Es gibt in Europa völlig unterschiedliche Standards bei der Behandlung von Flüchtlingen. Hier müssen einheitliche Standards geschaffen werden - und dafür muss Geld bereitgestellt werden.

Egal in welchem Land die Flüchtlinge nach Europa kommen, überall müssen sie dieselbe Gesetzeslage und dieselben Standards vorfinden. Manche Flüchtlinge sind sogar in Europa auf der Flucht, weil sie versuchen, ein Land zu finden, wo sie bessere Bedingungen vorfinden. Die europäische Menschenrechtskonvention sollte die Grundlage dafür sein. Zusammen mit der Genfer Konvention, die die geistige Grundlage dieser Gemeinschaftsidee ist, hätte man erst die richtigen Voraussetzungen, um eine sinnvolle Diskussion darüber zu führen, wie viele Flüchtlinge in Europa aufgenommen werden können und wie man bei der Aufnahme von Flüchtlingen vorgehen sollte. Solange jedes Land seine eigene Politik betreibt und versucht wird, die Kosten und die Flüchtlinge in andere Länder zu verschieben, solange ist das eine unwürdige Politik.

Sie fordern ein gemeinsames Asylrecht in Europa. Wo liegen denn hier die Unterschiede?

Ich bin kein Experte im Asylrecht. Ich bin nur ein Mensch, der die Augen aufmacht und sieht, dass so viele Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Es gibt große Unterschiede. Griechenland ist nach wie vor dem Problem nicht gewachsen, auch Bulgarien und Rumänien nicht. Das sind drei Länder, die in großen finanziellen Schwierigkeiten stecken und auch schon mal auf populistische Strömungen in der Bevölkerung treffen, wo gesagt wird, wir können uns nicht auch noch um die Flüchtlinge kümmern, wenn die eigene Bevölkerung leidet. Wir müssen verhindern, dass bei der Aufnahme von Flüchtlingen und bei Asylverfahren nationale Mittel fließen. Dazu sollte europäisches Geld verwendet werden.

Das Gespräch führte Conny Paul