1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie tief steckt Spanien im Krisensumpf?

Zhang Danhong27. April 2012

Die Schuldenkrise ist mit Wucht zurückgekehrt: Die Ratingagentur S&P senkt Spaniens Bonität um zwei Stufen. Das Land ächzt unter Schuldenberg und Arbeitslosigkeit, doch es gibt auch Grund zur Hoffnung.

https://p.dw.com/p/14f6Q
People walk by a sign that reads "the crisis should be paid by the bankers" in an office building in Madrid, on Wednesday, June 16, 2010. The Spanish government prepared Wednesday to approve a labor market reform designed to encourage businesses to hire and chip away at a 20 percent jobless rate. Unions responded by calling a general strike, but not until late September. (AP Photo/Victor R. Caivano)
Spanien Euro Krise GeldBild: AP

Mit "BBB+" besitzt Spanien in den Augen der Ratingagentur Standard & Poor's nur noch eine befriedigende Kreditwürdigkeit. Zudem ist der Ausblick negativ. Das heißt, es droht eine weitere Herabstufung. Als Grund nennt S&P die Sorge wegen der Staatsschulden. 2011 erreichte das Haushaltsdefizit der viertgrößten Volkswirtschaft in der Eurozone 8,5 Prozent. Erwartet wurden sechs Prozent. In der Währungsunion weisen nur Irland und Griechenland eine größere Haushaltslücke auf. Beide Länder hatten bereits den Rettungsfonds angezapft.

Dieses Jahr muss die Regierung in Madrid das Defizit auf 5,3 Prozent verringern - sonst droht Ärger aus Brüssel. Sparen hat also oberste Priorität, und das in einer Zeit, in der die spanische Wirtschaft bereits wieder schrumpft.

Ein Teufelskreis aus Kürzungen und Rezession

Christian Schulz von der Berenberg Bank sieht die größte Gefahr darin, dass eine Spirale von Sparen, tieferer Rezession, weiterer Verfehlung der Budgetziele und noch schärferen Kürzungen ausgelöst werden könnte: "Darüber hinaus leidet Spanien immer noch in vielerlei Hinsicht unter der geplatzten Immobilienblase. Die Arbeitslosigkeit ist vor allem durch den Zusammenbruch des Bausektors explodiert."

Christian Schulz (foto:privat)
Christian SchulzBild: privat

Mit 23 Prozent hat Spanien die höchste Arbeitslosenquote in der EU. Spanische Banken sitzen auf einem Berg von Krediten, die sie während des Baubooms vergeben hatten und die nun zu einem großen Teil nicht mehr zurückgezahlt werden können. Das Volumen der faulen Kredite wird im Moment auf 150 Milliarden Euro geschätzt und wird weiter anwachsen. Denn die Preisanpassung im Immobiliensektor habe noch nicht stattgefunden, meint Jürgen Donges, emeritierter Wirtschaftsprofessor von der Universität Köln: "Die Preise haben etwas nachgegeben, aber wenn Sie bedenken, dass immer noch rund eine Million Wohnungen leer stehen, dann würde ich als Ökonom sagen, da müssen doch die Preise richtig in den Keller gehen."

Bankensektor bleibt kritisch

Ein weiterer Preisverfall der Immobilien wird die Banken zusätzlich schwächen. Bereits jetzt hängen sie am Tropf der Europäischen Zentralbank (EZB). Im März liehen sie über 300 Milliarden Euro von der EZB - so viel wie noch nie. "Viele Sparkassen in Spanien sind eigentlich, technisch gesprochen, bankrott", sagt Donges im Gespräch mit der DW.

Jürgen Donges (foto:privat)
Jürgen B. Donges sieht in Spanien PotenzialBild: Uni Köln

Die Finanzmärkte treibt die Sorge um, dass spanische Staatsanleihen keine Käufer mehr finden, wenn der Bankensektor kollabiert. Der Spanien-Experte Donges rechnet allerdings nicht damit. Erstens hätten nicht die Großbanken das Problem, sondern die Sparkassen; zweitens gebe es schon eine Art nationalen Rettungsschirm, um die Rekapitalisierung auf den Weg zu bringen. "Die Frage ist, ob der ausreicht, oder ob die Regierung nicht doch noch nachschießen muss."

Eine flexible Kreditlinie

Wenn sich die Regierung in Madrid dazu nicht in der Lage sehen sollte, könnte dem Land eine flexible Kreditlinie eingeräumt werden, sagt Christian Schulz von der Berenberg Bank. Das bedeutet: "Wenn Spanien bei Auktionen nicht genügend Käufer findet, springt der Euro-Rettungsfonds EFSF, oder später der dauerhafte Rettungsfonds ESM ein und garantiert den Spaniern, dass sie zu einem gewissen Zinsaufschlag genügend Anleihen loswerden können."

Angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten hält er das durchaus für ein realistisches Szenario. Dass Spanien als ganze Volkswirtschaft unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss, damit rechnen beide Experten nicht.

Keine schlechte Ausgangsposition

"Spanien hat bereits einen großen Anpassungsprozess hinter sich gebracht", sagt Christian Schulz. Die Exporte hätten in den vergangenen Jahren geboomt. Die Importe würden zurückgeführt. Dadurch sei das Leistungsbilanzdefizit fast schon beseitigt worden. "Darüber hinaus hat Spanien bereits fiskalische Fortschritte und auch Fortschritte bei der Restrukturierung der Banken gemacht. Und die Startposition von Spanien war nicht schlecht", so Schulz gegenüber der DW.

Damit meint er, dass die Staatsverschuldung selbst nach dem rasanten Anstieg in der Krise immer noch bei nur rund 70 Prozent des BIP liegt, während die Eurozone im Durchschnitt eine Schuldenquote von 87 Prozent aufweist. Zudem hat Spanien bereits die Hälfte seines Refinanzierungsbedarfs für dieses Jahr gedeckt.

Auch für Jürgen Donges steht fest: "Spanien braucht keine Hilfe von außen. Die Spanier können ihre Probleme lösen. Sie müssen nur wollen."

Wollen Spanier den Wandel?

Dass die Spanier den Wandel wollen, macht Donges daran fest, dass sie die neue Regierung mit absoluter Mehrheit ausgestattet haben. Auch darin unterscheidet sich Spanien im positiven Sinne von Italien. Die komfortable Situation habe der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits zur Umsetzung seiner Reformvorhaben genutzt. "Ich kenne keinen anderen Fall, in dem eine neu gewählte Regierung in hundert Tagen wirklich fundamentale Reformen auf den Weg gebracht hat", meint Donges.

Auch den Nationalstolz der Spanier kennt der Wirtschaftsexperte aus Köln, der auch in Madrid forscht und lehrt, wie kaum ein anderer: "Es stört die Spanier einfach, wenn man ihnen sagt, ihr bringt den Euro durcheinander."

Lieber wollten sie ein Teil der Lösung werden und ein verlässlicher Partner für Europa bleiben.