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Wie sinnvoll sind Sanktionen?

Christoph Ricking5. März 2013

Sanktionen sind ein beliebtes Mittel, um ohne militärische Maßnahmen Druck auf Staaten auszuüben. Doch oft sind die Strafen wenig effektiv. Für die Bevölkerung können sie verheerend sein.

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Das Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York
UN Hauptquartier New YorkBild: Getty Images/AFP

Die Reaktion der Europäischen Union auf den dritten Atomtest Nordkoreas kam schnell. Vergangene Woche einigten sich die EU-Außenminister, die Sanktionen gegen das Land zu verschärfen. Die Lieferung bestimmter Komponenten, die für die Herstellung von Raketen verwendet werden können, soll verboten werden. Auch im Finanzsektor sind weitere Sanktionen geplant.

Nicht nur die EU sanktioniert das Atomprogramm Nordkoreas. Auch die Vereinten Nationen verhängten Sanktionen nach dem ersten Atomtest 2006 und verschärften sie zuletzt 2009. Doch Nordkorea scheint davon kaum beeindruckt zu sein und treibt sein Atomprogramm weiter voran. Michael Brzoska, Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, ist davon überzeugt, dass auch eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegenüber Nordkorea "wenig Auswirkungen" hätte.

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Un
Trotz Sanktionen führt Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un das Atomprogramm fortBild: Reuters

Keine einheitliche Drohkulisse

Der Fall Nordkorea zeigt: Sanktionen erweisen sich nicht immer als besonders effektiv. Das liegt auch daran, dass die internationale Gemeinschaft es häufig nicht schafft, eine einheitliche Drohkulisse aufzubauen. So unterstützt Nordkoreas befreundeter Nachbar China das Regime in Pjöngjang weiterhin - trotz der Sanktionen. "Das vermindert natürlich auch die Wirksamkeit von Sanktionen", sagt Christian von Soest, Politikwissenschaftler am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg. "Es zeigt sich, dass Sanktionen dann am wirksamsten sind, wenn sie von den engsten Partnern und Nachbarn mitgetragen werden."

Ähnliches gilt auch für den Iran. Das Land steht im Verdacht, unter dem Deckmantel seines zivilen Atomprogramms an einer Atombombe zu bauen. Um den Iran an der Urananreicherung zu hindern, verhängte der UN-Sicherheitsrat im Jahr 2006 Sanktionen gegen den Staat und verschärfte sie 2007 und 2010. Die EU und die USA waren für weitergehende Strafmaßnahmen, doch Russland und China lehnten diese ab.

Der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein
Während der Herrschaft Saddam Husseins verhängten die UN harte Sanktionen gegen den IrakBild: picture-alliance/dpa

Zweischneidiges Schwert

Je breiter jedoch die weltweite Unterstützung für Sanktionen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Strafmaßnahmen Erfolg haben. So verurteilten die Vereinten Nationen bereits in den 1950er Jahren die Apartheid-Politik Südafrikas. In den 1970er Jahren stieg der Druck auf das Land: Viele Länder boykottierten jegliche Form des kulturellen Austausches mit Südafrika oder ließen südafrikanische Bürger nicht einreisen. Die südafrikanische Wirtschaft litt in den 1980er Jahren zunehmend an den Handelssanktionen, die Europa und die USA verhängt hatten. Ob es am Ende aber die Sanktionen waren, die zur Abschaffung der Apartheid führten, ist in der Wissenschaft umstritten. Für einige Forscher sind die Maßnahmen gegen Südafrika ein Beispiel für die Wirksamkeit von Sanktionen. Andere kritisieren, dass unter den Sanktionen hauptsächlich die schwarze Bevölkerung gelitten habe.

Sanktionen können jedoch ein Regime auch stärken. Besonders in autoritären Staaten ohne freie Medien machen Regierungen die Sanktionen für alle wirtschaftlichen Probleme verantwortlich und schaffen es so, dass die Bevölkerung hinter den Machthabern steht. "Man nennt das in der Forschung die Wagenburg-Mentalität, also dass alle gegen einen gemeinsamen oder einen gemeinsam wahrgenommenen Feind zusammenhalten", sagt Politikwissenschaftler Christian von Soest. "Dadurch entsteht ein genau entgegengesetzter Effekt von dem, was man eigentlich erreichen will, nämlich den steigenden Widerstand gegen das Regime."

Konsequenzen wie Krieg

Sanktionen stehen in der Mitte zwischen bloßen Worten und militärischen Maßnahmen. Die Konsequenzen für die Bevölkerung des sanktionierten Landes können allerdings ähnlich dramatisch sein wie ein Krieg. So zum Beispiel die UN-Sanktionen gegen den Irak 1990 bis 2003: Laut UNICEF stieg die Kindersterblichkeit im Irak zwischen 1990 und 2000 um 160 Prozent - zehnmal so stark wie beispielsweise während des Bürgerkriegs in Ruanda. Der irische UN-Diplomat Denis Halliday bezeichnete das Handelsembargo gegen den Irak in einer Rede sogar als Völkermord. So drastische Sanktionen würden zurzeit kaum noch verhängt, sagt Christian von Soest. "Heutzutage gibt es zielgerichtete Sanktionen, die sich auf bestimmte Akteure, die herrschende Elite zum Beispiel, beziehen. Da gibt es das Einfrieren von Konten oder Einreiseverbote."

Die Atomanlage Isfahan im Iran
Atomanlage in Isfahan: Der Iran wird verdächtigt, an einer Atombombe zu bauenBild: imago/UPI Photo

Doch auch zielgerichtete Strafmaßnahmen können die Bevölkerung hart treffen. Zum Beispiel kann der Iran wegen der Sanktionen nicht genug Benzin importieren. Deshalb wird selbst hergestellter Kraftstoff von minderwertiger Qualität verwendet - und dieser sorgt für starke Luftverschmutzung in den großen Städten des Landes.