1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie gefährlich sind Tattoos?

Brigitte Osterath23. November 2014

Ob Tätowierungen hübsch oder schrecklich aussehen, ist eine Geschmacksfrage. Unstrittig ist aber: Tätowiermittel sind nicht ohne. Vermutlich lösen sie sogar Krebs aus.

https://p.dw.com/p/1DqFc
Tattoo am Arm (Foto: Fotolia).
Bild: Fotolia

Möchten Sie sich ein paar Gramm Autolack unter die Haut spritzen lassen? Oder etwas Ruß, der bei der Verbrennung von Rohöl oder Teer entstanden ist?

Vermutlich nicht, bekommt aber jeder, der sich ein Tattoo stechen lässt. "Die Farben für solche langanhaltenden und kontrastreichen Tätowierungen sind für Druckerpatronen und Autolacke entwickelt worden", sagt Wolfgang Bäumler, Professor in der Abteilung für Dermatologie der Universität Regensburg, im DW-Interview. Tätowierfarben seien gar nicht dafür gedacht, unter die Haut zu gelangen.

Von der Haut in den ganzen Körper

Großchemieunternehmen produzieren die farbenfrohen Pigmente im Tonnenmaßstab, hauptsächlich für industrielle Zwecke. Kleine Firmen kaufen sie und stellen daraus Tätowierungsmittel her. Für Anwendungen unter der Haut wurden die Substanzen nie getestet, sagt Peter Laux, vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin, der DW. "Die Großindustrie sagt selbst, dass die Pigmente dafür eigentlich nicht gemacht sind."

Die Farben in Tattoos müssen "brutal wasserunlöslich" sein, fügt Bäumler hinzu. Das alleine mache sie gefährlich, da der Körper sie nicht ohne Weiteres wieder loswerden kann. Jüngsten US-Studien zufolge verbleiben nur zwei Drittel des Tätowiermittels unter der Haut, ein Drittel verteilt sich im Körper. "Sie gehen ins Blut, in die Lymphknoten, in die Organe und bleiben irgendwo hängen", sagt Bäumler. "Wo genau, das weiß man gar nicht."

Tattoo stechen (Foto: Farhad).
Tätowiermittel werden unter die Haut gespritzt.Bild: Farhad

Ein Regenbogen von Chemikalien

Die Chemikalien für Rot, Orange und Gelb sind Azoverbindungen - organische Substanzen mit einem schlechten Ruf. Sie lösen oft Allergien aus. Einige von ihnen, zum Beispiel Pigment Red 22, kann sich zersetzen, wenn das Tattoo Sonnenlicht ausgesetzt ist, sagt Bäumler. Die entstehenden Verbindungen sind giftig und krebserregend.

Verbindungen namens Phthalocyanine machen Tattoos leuchtend blau oder grün. Sie enthalten meist Kupfer oder Nickel. Auch in braunen Farben mit Eisenoxiden findet sich sehr oft Nickel. Das Metall löst bei vielen Menschen Kontaktallergien aus und ist in Kosmetika verboten. In Tätowiermitteln hingegen ist es nach wie vor häufig.

Schwarze Tattoos wiederum entstehen mit Mitteln aus einem Material namens Carbon Black. Das ist nichts anderes als Industrieruß. Die chemische Industrie stellt es her, indem sie Rohöl, Teer oder Gummi verbrennt.

Ein krebserregendes Beiprodukt

Experten betonen, dass aber nicht allein die Farben gefährlich sind. "Tätowiermittel können neben den Farbmitteln auch andere Stoffe wie Lösemittel, Verdicker, Konservierungsstoffe und diverse Verunreinigungen enthalten", warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Laut Laux vom BfR sind Verunreinigungen sogar eher die Regel als die Ausnahme: "Die Landesuntersuchungsämter beanstanden regelmäßig die chemische Qualität der Tätowiermittel, die sie kontrollieren."

Besonders gefährliche Verunreinigungen sind polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Sie bilden sich bei unvollständigen Verbrennungen - auch bei der Produktion von Industrieruß. Viele von ihnen sind nachweislich krebserregend. In schwarzen Tätowierfarben sind sie oft in Konzentrationen über dem empfohlenen Grenzwert enthalten.

"Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe werden vermutlich kontinuierlich aus der Tätowierung herausgelöst und im Körper verteilt", schreibt das BfR. "Die gemessenen Gehalte stellen ein ernstes Gesundheits- und Sicherheitsrisiko für Verbraucher dar."

Tattoo (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)
Nach Angaben der Food and Drug Administration haben inzwischen 25 Prozent der US-Amerikaner ein TattooBild: Getty Images

Laux fügt hinzu, dass es "auch Tätowiermittel auf dem Markt gibt, die den Anforderungen genügen." Allerdings sei es für den Verbraucher schwierig zu entscheiden, welches Tätowiermittel gut ist und welches nicht.

Unzureichende Regelungen

In Deutschland und vielen anderen Ländern gelten Tätowiermittel weder als Medikamente noch als Kosmetika - und da liegt das Problem. Denn diese Substanzen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um überhaupt auf den Markt kommen zu dürfen. Bei Medikamente müssen Sicherheitsanalysen zeigen, was genau mit einer Substanz im Körper passiert, wie sie verstoffwechselt wird, und welche anderen Substanzen sich dabei bilden können. Bei Tätowierungen existieren solche Regelungen nicht.

Im Jahr 2008 hat der Europarat eine Resolution verabschiedet, dass Tätowiermittel strenger reguliert sein müssen. Daraufhin haben viele Länder entsprechende Gesetze und Verordnungen verabschiedet. Aber laut Laux sind sie alle unzureichend.

In Deutschland verbietet die Tätowiermittelverordnung von 2009, bestimmte Substanzen in Tätowiermitteln zu benutzen. Eine Liste gibt an, was genau verboten ist. Alle anderen Substanzen sind erlaubt - sogar Chemikalien, die ein Hersteller vielleicht gerade erst entwickelt hat und die niemals zuvor irgendwo getestet wurden, betont Laux.

"Wir müssen hin zu Positivlisten kommen", sagt Laux. Das bedeutet, dass in der Verordnung statt der verbotenen die erlaubten Stoffe aufgeführt sein sollten, "also die, bei denen bewiesen ist, dass sie unbedenklich sind."

"Nicht wirklich sicher"

Selbst professionelle Tätowierer stimmen zu, dass die Situation unbefriedigend ist. "Unserer Meinung nach sind Tattoofarben im Moment nicht wirklich sicher", sagte Andreas Schmidt, Vizepräsident des Vereins Deutsche Organsierte Tätowierer bei einem Symposium zur Sicherheit von Tätowiermitteln in Berlin.

Er fordert toxikologische Tests für die Inhaltsstoffe, fügt aber hinzu: "Wir sind zuversichtlich, dass es nur ein paar Probleme mit den Farben gibt, ansonsten gäbe es mehr Beschwerden von Kunden und mehr Berichte in Zeitungen und Zeitschriften."

Allerdings betonen Experten, dass Krebs oft Jahrzehnte benötigt, sich zu entwickeln, und der Zusammenhang nicht so einfach nachzuweisen ist.

Studien jeglicher Art fehlen

Bisher werden Tätowiermittel grundsätzlich nicht auf ihre Gefährlichkeit hin getestet. Sowohl Kurzzeit- als auch Langzeitstudien am Menschen fehlen. Tierversuche sind verboten. Bäumler wurde gerichtlich gestoppt, als er einen Tierversuch mit Tätowiermitteln an Schweinen durchführen wollte - "mit der Begründung, dass die Leute, die sich tätowieren lassen, das freiwillig tun", erzählt Bäumler.

Daher kann bisher niemand sagen, ob Tattoos der Gesundheit schaden oder nicht. Vielleicht lösen sie Krebs aus - vielleicht auch nicht.

Laux betont, dass jeder selbst entscheiden muss, ob er sich ein Tattoo stechen lässt oder nicht - das BfR gibt keine Empfehlungen ab. "Bisher wissen wir nur: Es gibt keine Garantie, dass Tätowiermittel gesundheitlich unbedenklich sind."