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Aufruf zum Boykott

Halyna Stadnyk / Markian Ostaptschuk12. Dezember 2013

Nicht nur in Kiew gibt es Proteste gegen den pro-russischen Kurs der Regierung. Im westukrainischen Lwiw, wo man stark nach Europa schaut, werden Geschäftsleute boykottiert, die der Regierung nahe stehen.

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Proteste der Opposition für Annäherung der Ukraine an die EU in Lwiw (Foto: DW)
Bild: DW/H. Stadnyk

Rund um die Uhr harren die Demonstranten im westukrainischen Lwiw nicht mehr auf dem zentralen Platz ihrer Stadt aus. Schwerpunkt ihrer Proteste sind inzwischen Belagerungen von Geschäften und Unternehmen, deren Eigentümer der regierenden Partei der Regionen angehören. Die pro-europäischen Aktivisten haben zu einem totalen "Wirtschaftsboykott" von Mitgliedern der Regierungspartei aufgerufen.

Die Regionen-Partei, die im Osten und Süden der Ukraine ihre meisten Anhänger hat, wird von Premierminister Mykola Asarow und Präsident Viktor Janukowitsch angeführt. Diese hatten kurz vor dem Gipfel der EU-Ostpartnerschaft im litauischen Vilnius auf Druck Russlands ein fertig ausgehandeltes Assoziierungsabkommen ihres Landes mit der EU auf Eis gelegt. Seitdem gehen in der Hauptstadt Kiew, aber auch in vielen anderen Städten des Landes Hunderttausende auf die Straßen. Sie fordern die EU-Integration der Ukraine.

Belagerung von Geschäften und Unternehmen

Die Kampagne der proeuropäischen Aktivisten in Lwiw gegen die Regierungspartei begann mit dem Aufruf, dass alle Bürger der Stadt, die Mitglieder der Regionen-Partei seien, austreten sollen. Dann bildeten Aktivisten Gruppen, die Einkaufszentren und Unternehmen belagern, die Mitgliedern der Partei der Regionen zugeordnet werden.

Plakat "Nicht kaufen und ignorieren" - Darunter die Namen von Geschäftsleuten (Foto: DW)
"Nicht kaufen und ignorieren" steht auf diesem Plakat - darunter die Namen von GeschäftsleutenBild: DW/H. Stadnyk

So zogen die Demonstranten unter anderem vor das Bürogebäude der Energiegesellschaft "Sachidenergo". Besitzer ist der Donezker Milliardär Rinat Achmetow. Auf den Plakaten der Protestler steht: "Boykottiert die Finanziers des Blutvergießen", "Keine Kopeke in die Gaunerkasse" und "Du arbeitest - sie klauen!". Boykottiert werden auch große Handelsketten, Supermärkte, aber auch bestimmte Produkte, unter anderem eine bekannte Wurstmarke.

Nachts bringen Jugendliche an Geschäften Flugblätter an. "Nicht kaufen und ignorieren" oder "Vorsicht! Der Besitzer ist Mitglied der Regionen-Partei" steht darauf. Morgens werden die Flugblätter vom Personal der Geschäfte entfernt. Aufgeben wollen die Aktivisten deswegen aber nicht. Sie kommen einfach wieder mit neuen Aufklebern.

Regionen-Partei: Unsere Rechte werden verletzt

Diese Aktionen sowie die Belagerungen durch die Protestler missfallen den Mitgliedern der Regierungspartei. So erklärte der Vorsitzende des Gebietsverbandes der Partei der Regionen, der bekannte Geschäftsmann Petro Pysartschuk, in Europa unterscheide man bei Geschäftsleuten nicht nach deren Parteizugehörigkeit. Der Boykott von Geschäften erinnere ihn an frühere Zeiten: "Damals wurde man wegen amerikanischer Jeans aus sowjetischen Organisationen ausgeschlossen."

Belagerung eines Unternehmens in Lwiw (Foto: DW)
Durch Belagerungen fühlen sich Unternehmer unter Druck gesetztBild: DW/H. Stadnyk

Man solle nicht die bekämpfen, die für die Bürger Lwiws Arbeitsplätze schaffen, sondern diejenigen, die sich bequem im Rathaus eingerichtet hätten, so Pysartschuk. Bürgermeister der Stadt ist der derzeit parteilose Geschäftsmann Andrij Sadowyj.

Pysartschuk beklagt, seine Parteigenossen in der Westukraine würden zunehmend unter Druck gesetzt. "In einigen Bezirken des Gebiets Lwiw werden Andersdenkende gedemütigt. Mitglieder der Partei der Regionen werden eingeschüchtert, die überhaupt nichts mit dem gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten zu tun haben." In einer Erklärung an die Botschafter der EU-Länder spricht Pysartschuk von einem "unzivilisierten politischen Kampf", bei dem die Rechte und Freiheiten von Mitgliedern der Regionen-Partei verletzt würden.

Regierungspartei verliert Mitglieder

Inzwischen hat die Partei der Regionen in der Westukraine tatsächlich viele Mitglieder verloren. In der Stadt Mykolajiw, im Gebiet Lwiw, löste sich sogar gleich der ganze Ortsverband der Partei selbst auf. Dessen Abgeordnete legten daraufhin freiwillig ihre Mandate im Stadtrat nieder.

"Die Schlüssel zum Parteibüro haben wir dem Stadtrat zurückgegeben", sagt der ehemalige Verbandsleiter Mychajlo Adam. Ehemalige Mitglieder der Regionen-Partei betonen, aus eigener Überzeugung gehandelt zu haben. Sie könnten nicht akzeptieren, dass am 30. November in Kiew die Studentenproteste gewaltsam aufgelöst worden seien, so Adam.