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Bloggen oder blechen

Silke Wünsch3. Juli 2013

Einige Netzpessimisten behaupten, die deutsche Bloggerszene sterbe aus. Das wollen die Ironblogger auf jeden Fall verhindern. Ihre Mission lautet: Wir reanimieren die Blogosphäre und holen uns das Internet zurück.

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Beschreibung: Vereinfacht dargestellt: Die Regeln der Ironblogger Unterschrift: Die Regeln der Ironblogger sind einfach: Wer nicht schreibt, zahlt in die Bierkasse ein.
Die Regeln der IronbloggerBild: cc/by/sa/3.0/Kathrin Kaufmann

Sie haben der Schreibblockade den Kampf angesagt. Sie wollen wieder mehr bloggen. Sie wollen sich vernetzen - und sie trinken alle gerne Bier. Sie organisieren sich in Gruppen und nennen sich "Ironblogger". Ein Ironblogger verpflichtet sich, mindestens einmal pro Woche etwas zu schreiben, ansonsten muss er fünf Euro in die Kasse zahlen. Das Geld wird beim nächsten realen Treffen der Gruppe in Bier investiert. Nach dem Motto: "Blogs und Bier - das lob' ich mir."

Den Ursprung hat das Projekt Ende 2011 in Boston, USA. Dort hat der Blogger Benjamin Mako Hill die Idee, sich auf diese Weise mit dem Rest der Welt zu vernetzen. Denn: "Es gibt kaum eine bessere Motivation als den Gruppendruck", so Hill.

In Berlin werden die Bloggerinnen Nicole Ebber und Michelle Thorne auf die Bewegung aufmerksam und gründen kurze Zeit später die erste deutsche Ironblogger-Gruppe. Dabei ist Nicole Ebber wichtig, dass "die akute Bloghemmung überwunden wird", wie sie in ihrem Blog "antischokke.de" schreibt, außerdem schätzt sie das Miteinander (beim Bier trinken) und "die schöne Nebenwirkung, dass wir uns mit dem Revival unserer Blogs das Netz zurück erobern".

Schreiben, trinken, sich vernetzen

Bloggerin Nicole Ebber auf der re:publica 13 zugeliefert von: Silke Wünsch Credits: Markus Henkel, CC-BY-SA, http://laengsynt.de/
Bloggerin Nicole Ebber auf der re:publica 13Bild: by-sa/Markus Henkel

Die Berliner Szene findet die Idee cool und steigt ein. Auf der Bloggerkonferenz re:publica im Mai 2013 erzählt Nicole Ebber, dass die Berliner es geschafft haben, innerhalb von anderthalb Jahren gut 3.500 Texte zu veröffentlichen, gleichzeitig seien aber auch 1.500 Euro in die Bierkasse geflossen - als "Strafe" für die faulen Blogger. Zurzeit machen 61 Berliner BloggerInnen mit. Wer schreibfaul ist und nicht abliefert, zahlt die fünf Euro gerne in die Kasse ein, beim Ironbloggen geht es ja auch um das Gesellige.

Noch während der re:publica rufen Köln und Karlsruhe die Gründung eigener Bloggerclubs aus, und viele sind ihnen in den vergangenen zwei Monaten gefolgt: Mittlerweile gibt es in Deutschland zwölf Ironblogger-Clubs, von Hamburg bis München, von Köln bis Leipzig. Die Themen, über die die BloggerInnen schreiben, sind breit gestreut. Technik, Internet, Bloggerszene, Netzpolitik, Essen, Garten, Tiere, Stricken, alles ist dabei.

"Nazis und andere Idioten dürfen natürlich nicht mitmachen", sagt Nicole Ebber. Weitere ungebetene Gäste sind Anbieter, die Blogs vermarkten wollen oder diejenigen, die das Projekt als Fundgrube für neue Werbeplattformen sehen. In Berlin gab es bereits solche Anfragen. Nicole Ebbers Antwort ist: "Ein ganz klares Nein. Es geht hier nicht darum, Kohle zu machen, sondern einzig und allein darum, zu schreiben und brachliegende Blogs wiederzubeleben."

Immer mehr machen mit

Seit Juni ist auch Köln mit mehr als 30 Teilnehmern dabei. Stefan Evertz ist Initiator der Kölner Gruppe. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, er kümmert sich, zusammen mit einem anderen Mitglied, um den Webauftritt, die wöchentlichen Zusammenfassungen und die Anmeldungen. "Grundsätzlich ist jeder hier willkommen, wenn es mal einen Kandidaten gibt, der nicht so gut reinpasst, diskutieren wir das", erzählt Stefan.

In allen Städten gelten die gleichen Regeln. Und eine davon ist besonders interessant für die Ironblogger: "Von Anfang an schon gibt es die Regel, dass man auch an Treffen in anderen Städten teilnehmen kann. Unabhängig davon, wer das Bier zahlt", erklärt er und fände es schön, wenn die Kontakte zwischen den Gruppen enger würden, und, zum Beispiel mit der Nachbarstadt Bonn, ein regionales Netzwerk entstünde. Denn auch dort gibt es eine rege Bloggerszene.

Zurzeit schreiben dort 36 IronbloggerInnen über Gott und die Welt. Karin Krubeck bloggt über Essen, Krimis, über Tibet und auch über quälende Aufenthalte in ärztlichen Wartezimmern. Sie ist ein alter Hase - ihr erstes Blog hat sie schon 1996 gestartet, zu einer Zeit, als das Internet tatsächlich für viele Menschen noch Neuland war. Ihr Blog"Curry & Culture" betreibt sie seit 2011. Bloggen sei ihr wichtig, erzählt sie, und habe den Vorteil, dass die Inhalte, die man auf seinen Seiten erstellt, einem selbst gehörten.

"Macht 2012 zum Jahr der Blogs!"

Schon 2012 hatte der bekannte deutsche Blogger Sascha Lobo das Netzvolk während eines Vortrags dazu aufgerufen, wieder mehr zu bloggen und den Content, den man erstellt, nicht Plattformen wie Facebook oder tumblr zu schenken. Karin sah das genau so, hat Facebook verlassen und sich wieder mehr auf ihre eigenen Seiten konzentriert.

Sascha Lobo, Porträt
Sascha Lobo ist Autor, Journalist und umstrittener Internet-FreigeistBild: DW

Als die Ironblogger Bonn starteten, ist sie sofort dabei gewesen. "Ich schreibe gerne", erzählt sie. Ebenso gerne liest sie andere Blogs. Aber nur, wenn sie merkt, dass Herzblut und Empathie in den Texten stecken, betont sie noch. Ein erstes Treffen der Bonner Blogger gab es auch schon. "Das war richtig gut. Man weiß, dass man eine gemeinsame Sache hat: Man will schreiben und gehört werden", sagt Karin, und freut sich, dass sie neue Leute kennengelernt hat, mit denen sie schon Ideen ausgetauscht und entwickelt hat.

Auch Karin lässt sich gerne durch Gruppendruck und das Soziale zum Schreiben motivieren: "Ich habe ein paar Artikel gemacht, die ich ohne die Ironblogger nie geschrieben hätte."