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Wer ist die Nummer eins in Europa?

Andreas Sten-Ziemons3. Mai 2013

Nach den Erfolgen des BVB und der Bayern gegen Madrid und Barcelona in der Champions League sehen viele die Machtverhältnisse im europäischen Fußball erschüttert. War das eine Wachablösung?

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Logos der Vereine Bayern München und FC Barcelona (Foto: FRANCK FIFE/AFP/Getty Images)
Bild: FRANCK FIFE/AFP/Getty Images

Mittlerweile ist es zwölf Jahre her, dass ein deutscher Verein den Titel in der Champions League gewinnen konnte. Im Jahr 2001 setzte sich der FC Bayern München im Elfmeterschießen gegen den FC Valencia durch und holte den begehrten "Henkelpott" nach Deutschland. Seitdem gab es keinen internationalen Titel mehr für einen Bundesliga-Club - weder in der Champions League, noch im UEFA-Cup, der heutigen Europa League.

Bayern München dahoam

Spanische Vereine mauserten sich dagegen in den vergangenen zwölf Jahren zu wahren Titelhamstern: Real Madrid (2002) und der FC Barcelona (2006, 2009, 2011) holten insgesamt vier Champions-League-Titel. In der Europa League kam der Titelträger im gleichen Zeitraum sogar fünfmal aus Spanien (FC Valencia 2004, FC Sevilla 2005 und 2006, Atletico Madrid 2010 und 2012). Zudem ist die Nationalmannschaft Spaniens amtierender Weltmeister (2010) und Doppel-Europameister (2008, 2012). Der letzte Titel einer deutschen Nationalmannschaft ist der Sieg bei der EURO 1996 in England unter Bundestrainer Berti Vogts.

Das ergibt ein Verhältnis von 1:12 was die gewonnenen Trophäen angeht - zu Ungunsten des deutschen Fußballs. Deutlicher geht es kaum. Dennoch wird nun - nachdem die spanischen Vorzeigeclubs Real Madrid und FC Barcelona im Halbfinale der Champions League gegen Bayern München und Borussia Dortmund regelrecht untergegangen sind - immer wieder von der Wachablösung im europäischen Fußball gesprochen. Ein großes Wort! Deutschland sei an Spanien vorbeigezogen.

Bayern vorne, Deutschland nicht

Doch wenn man die oben beschriebenen Kräfteverhältnisse genau beleuchtet, kann von Wachablösung keine Rede sein. Noch nicht und schon gar nicht bezogen auf den gesamten spanischen und deutschen Fußball. Und erst recht nicht, solange die deutsche Nationalmannschaft unter Bundestrainer Joachim Löw keine Titel holt. Und auch der Erfolg der Dortmunder Borussia gegen Real Madrid ist zwar bemerkenswert, doch hat Madrid in den vergangenen Jahren nicht den Takt auf Europas großer Fußballbühne vorgegeben. Dort war der FC Barcelona die uneingeschränkte Nummer Eins. Der Halbfinal-Sieg der Bayern gegen Barça, die die Katalanen quasi im Vorbeigehen mit 4:0 und 3:0 demütigten, ist daher das viel interessantere Ergebnis. Denn hier könnte die Waage im Kampf um die Spitzenposition im europäischen Vereinsfußball tatsächlich gekippt sein - auch wenn das von den Beteiligten keiner offen sagen möchte.

Jubel der Mannschaft des FC Barcelona nach dem Gewinn der Champions League 2011 (Foto: Soeren Stache/dpa)
Dreimal gewann der FC Barcelona seit 2001 die Champions LeagueBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

"Barcelona hat die Vorlage geliefert, an der sich viele Vereine und auch der Weltfußball in den letzten Jahren orientiert hat", beschreibt es Deutschlands ehemaliger Nationaltorhüter Oliver Kahn, der 2001 die Champions League gewann. "Viele Vereine haben Facetten des Fußballs von Barcelona übernommen und schlagen sie ja jetzt mit ihren eigenen Waffen. Diese Entwicklungen sind ganz normal, dass auch eine Mannschaft wie Barcelona einmal so ein Wellental nach unten durchlebt. Jetzt ist es eben der FC Bayern, der sehr gute Möglichkeiten hat, sehr lange dort oben zu bleiben." Das Wort Wachablösung nimmt aber auch der einstige Torwart-Titan nicht in den Mund – und bekommt dabei prominente Unterstützung.

"Ohne internationalen Titel nicht und auch nicht über einen so kurzen Zeitraum", beantwortet Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer die Frage, ob eine Wachablösung erreicht sei, räumt aber ein: "Bayern München ist jetzt nach 2010 und 2012 auch 2013 wieder im Champions-League-Finale. Das hat schon eine starke Qualität, aber mit dem Begriff Wachablösung muss man ein bisschen langsam sein. Ich denke, dass wir auf einem ganz guten Weg sind. Nur: Wir müssen jetzt den Titel holen. Das ist doch klar!" Es handele sich um "eine vorübergehende Bestandsaufnahme", erklärte der ehemalige DFB-Teamchef Franz Beckenbauer. "Die Spanier werden sich ärgern und aufrüsten", prognostizierte er.

Bayern Münchens Sportvorstand Matthias Sammer (Foto: Andreas Gebert/dpa)
"Ohne Titel noch nicht" - Matthias SammerBild: picture-alliance/dpa

"In fünf Jahren tot"

Die Frage ist allerdings, wie lange sie das noch können. Denn anders als die deutsche Bundesliga ist die spanische Primera Division nicht auf Rosen gebettet. Die Clubs sind massiv überschuldet. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten der 18 Erstligisten auf fast vier Milliarden Euro. Der spanische Wirtschaftswissenschaftler José María Gay de Liebana geht davon aus, dass der Primera Division nur noch fünf Jahre bleiben, "dann ist sie tot", so der Finanzexperte. "Die wirtschaftliche Situation ist fatal, weil sie kein Wachstum hat und der Gesamtstand der Schulden allein der ersten Liga rund 3,6 Milliarden Euro beträgt - vier mal so viel wie in der Bundesliga."

Ein Drittel dieser Verbindlichkeiten gehe auf die Konten des FC Barcelona und von Real Madrid, allerdings erwirtschafteten die beiden Branchenführer über Europapokal-Prämien, Merchandising und TV-Gelder genug, um ihre Schulden auszugleichen. Das wahre Problem seien die kleineren Vereine der ersten Liga, die mit den Giganten mithalten wollten und sich dabei finanziell übernehmen. Negativbeispiel ist der FC Valencia, dessen neues Stadion eine halbfertige Bauruine ist und der auf einem Schuldenberg von 450 Millionen Euro sitzt.

Was die finanzielle Gesundheit angeht, hat die Bundesliga die Spanier bereits weit hinter sich gelassen. Nun fehlen nur noch die Titel, um die Wachablösung auch sportlich zu vollziehen. Aber bereits am 25. Mai wird auch hier der nächste Schritt gemacht sein. Dann nämlich steigt in London das Champions-League-Finale. Und der Sieger kommt diesmal in jedem Fall aus Deutschland.