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Wer finanziert ISIS?

Andreas Becker20. Juni 2014

Seit der Einnahme der irakischen Stadt Mossul gilt die Dschihadistengruppe ISIS als reichste Terrororganisation der Welt. Woher kommt das Geld?

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ISIS Kämpfer Checkpoint bei Mosul 11.06.2014 Karussel
Bild: Reuters

Bei der Einnahme der nordirakischen Stadt Mossul haben die Kämpfer der ISIS (Islamischer Staat im Irak und Großsyrien) in der dortigen Zentralbank 500 Milliarden irakische Dinar erbeutet, umgerechnet mehr als 420 Millionen US-Dollar. Damit sollen der Gruppe nun insgesamt rund zwei Milliarden Dollar für ihren "Heiligen Krieg" zur Verfügung stehen. Woher das Geld genau kommt, ist allerdings umstritten.

Beschuldigt Saudi-Arabien: Iraks Ministerpräsident al-Maliki
Beschuldigt Saudi-Arabien: Iraks Ministerpräsident al-MalikiBild: AFP/Getty Images

Iraks schiitische Regierung wirft Saudi-Arabien vor, die ISIS-Kämpfer zu unterstützen. "Wir machen Saudi-Arabien verantwortlich" - für das, was ISIS an finanzieller und moralischer Unterstützung erhalten habe, sagte Premierminister Nuri al-Maliki am Dienstag (17.06.2014).

Die USA, Verbündete Saudi-Arabiens, weisen die Anschuldigungen von Iraks Premierminister zurück. Die Äußerung seien "ungenau und beleidigend", sagte Jen Psaki, eine Sprecherin des US-Außenministeriums am Dienstagabend.

Geld aus den Golfstaaten?

"Es gibt keinen öffentlich zugänglichen Beleg, dass die Regierung eines Staates an der Entstehung oder der Finanzierung der ISIS als Organisation beteiligt ist", sagt auch Charles Lister, Gastforscher am Brookings Doha Center, einem Ableger der US-Denkfabrik Brookings Institution im Golf-Emirat Katar.

Günter Meyer, der das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz leitet, hat jedoch keinen Zweifel an den Geldflüssen. "Die wichtigste Quelle der Finanzierung war bisher die Unterstützung aus den Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, aber auch Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate", so Meyer gegenüber der Deutschen Welle.

Die Motivation der sunnitischen Golfstaaten sei der Kampf der ISIS gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad in Syrien gewesen, so Meyer. Drei Viertel der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, das Land wird von der Minderheit der Alawiten regiert, einem Seitenzweig des schiitischen Islam.

Inzwischen sei sich die Regierung Saudi-Arabiens jedoch auch der Gefahren bewusst. "Saudis stellen inzwischen das größte Kontingent ausländischer Kämpfer bei der ISIS. Wenn diese Kämpfer zurückkommen, droht die Gefahr, dass sie sich gegen das saudische Regime wenden", so Meyer. Es gebe jedoch Grund zur Annahme, dass der Finanzierungsstrom aus Saudi-Arabien weiter fließe, "weniger von der saudischen Regierung, sondern von Seiten reicher Saudis."

Geld durch Erdöl und Erpressung

Als zweite wichtige Finanzierungsquelle der ISIS nennt Meyer Erdölfelder im Norden Syriens. "Die ISIS hat es verstanden, diese Quellen unter ihre Kontrolle zu bringen. Mit Lastwagen bringt sie das Erdöl dann über die Grenze in die Türkei, das ist eine wichtige finanzielle Quelle."

Günter Meyer
"Finanzielle Möglichkeiten": Günter Meyer von der Universität MainzBild: picture-alliance/dpa/Peter Pulkowski

Nach Ansicht von Charles Lister vom Brookings Doha Center ist ISIS in der Lage, sich zum Großteil selbst zu finanzieren. "Isis hat sich bemüht, in der Gesellschaft Netzwerke zu etablieren, um einen dauerhaften Geldfluss zu erzeugen." Als Beispiel nennt Lister systematische Erpressungen in der inzwischen eroberten Stadt Mossul.

"Betroffen sind kleine Geschäftsleute und große Unternehmen, Baufirmen und, wenn die Gerüchte stimmen, sogar lokale Regierungsvertreter", so Lister gegenüber DW. "Außerdem wird vermutet, dass die Organisation in Gegenden, die sie vollständig kontrolliert, Steuern erhebt - beispielsweise in Raqqa im Nordosten Syriens."

Dass aus Kreisen des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein Geld an ISIS fließe, hält Günter Meyer vom Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt in Mainz dagegen für ausgeschlossen. Dazu seien die Ziele zu unterschiedlich. Zwar wollten beide die schiitische Regierung Iraks stürzen, doch ISIS will danach einen islamischen Gottesstaat errichten, die Sunniten von Husseins Baath-Partei dagegen eine säkulare Demokratie.

Geld für den Dschihad

Der finanziell größte Coup der ISIS war sicher die Plünderung der Zentralbank in Mossul, die 429 Millionen Dollar einbrachte. Weitere Banken in Mossul und anderen kontrollierten Gebieten seien ebenfalls ausgeraubt worden, so Meyer. Mit dem Geld könne ISIS "eine Menge Dschihad kaufen", twitterte der britische Syrien-Blogger Eliot Higgins unter seinem Pseudonym Moses Brown. "Mit 429 Millionen Dollar könnte ISIS 60.000 Kämpfern ein Jahr lang jeden Monat 600 Dollar zahlen."

Schätzungen zufolge hat ISIS zurzeit etwa 10.000 Kämpfer. Wie die Organisation ihr Geld ausgibt, ist allerdings nicht genau belegt. "Es wird angenommen, dass ISIS zumindest die ausländischen Kämpfer in ihren Reihen bezahlt, vielleicht aber auch die gesamten Truppen", so Charles Lister. "In von ihr kontrollierten Gegenden subventioniert die Organisation Brot, Wasser und Treibstoff, außerdem finanziert sie dort die Reparatur und den Betrieb von grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen. All das kostet Geld."

ISIS wird das Geld wahrscheinlcih auch in die militärische Aufrüstung stecken, sagt Günter Meyer. Bei der Eroberung von Mosul haben die ISIS-Kämpfer bereits viele US-Waffen und Fahrzeuge erbeutet. "Mit den finanziellen Möglichkeiten ist es jetzt ein Leichtes, sich auf dem internationalen Markt weitere ausgezeichnete Waffen zu beschaffen."