1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wenn Lesen Luxus ist

Aya Bach12. Oktober 2013

Wo Büchermacher Helden sind: Verleger aus sich entwickelnden Buchnationen werden zur Frankfurter Buchmesse eingeladen, damit sie sich vernetzen können. Zu Hause sind sie idealistische Einzelkämpfer.

https://p.dw.com/p/19xT9
Fünf Kinder in Simbabwe lesen gleichzeitig in einem Buch. (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Jekesai Njikizana/AFP/Getty Images

"Wir haben keine Lesekultur“, sagt Benoit Knox, Verleger aus Südafrika. "52 Millionen Einwohner, aber nur 800.000 Leute, die Bücher kaufen. Eigentlich keine Branche, in der ein junger Verleger arbeiten möchte!“ Doch er hat es gewagt - und sich dem Mainstream entgegengestellt. "Die meisten anderen Verleger sagen, die Leute wollen nicht lesen. In Südafrika heißt es oft, es gibt halt eine mündliche Kultur. Aber ich habe festgestellt, das ist absolut nicht wahr! Leute wollen Bücher, aber sie haben überhaupt keinen Zugang zu ihnen."

21 Jahre alt war Benoit, als er BK Publishing gründete. Das ist sieben Jahre her. Inzwischen hat er eine kleine Revolution angezettelt. Denn er macht Bücher auch für diejenigen, die oft als hoffnungslos abgeschrieben werden: Für Jugendliche in Townships und für Kinder, die ihre Geschwister versorgen müssen, weil die Eltern an AIDS gestorben sind. Aber auch für junge Leute, denen es deutlich besser geht: Benoits Bücher sind einfach cool. Das Design erinnert an Graffiti im Großstadt-Dschungel. Die Geschichten sind kurz, schnell und spannend.

Selbstausbeutung und Idealismus

"Wir stehen nicht im Wettbewerb mit anderen Büchern, sondern mit Fernsehen und Handy“, sagt Benoit Knox, "aber es klappt toll!“ Für umgerechnet 50 Cent verkauft er seine Bücher - ein Viertel dessen, was er eigentlich einnehmen müsste. Aber mit Selbstausbeutung, Idealismus und Querfinanzierung aus einer erfolgreichen Jugendzeitschrift hat er den Preis soweit gedrückt, dass sich selbst die Ärmsten seine Bücher leisten können.

Zwei Mädchen in einem Township in Südafrika lesen ein Buch (Foto: BK Publishing)
Leseratten: Mädchen in einem Township in SüdafrikaBild: BK Publishing

Ein Konzept, das auch Verleger in anderen Ländern interessieren könnte. Benoits Auftritt auf der größten Buchmesse der Welt ist eine riesige Chance für ihn, seine Produkte anderen Verlagen anzubieten: Nirgendwo sonst gibt es so viele Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen und mit Lizenzen zu handeln. Normalerweise ist allerdings ein Stand in Frankfurt für kleine Verlage aus Schwellen- oder Entwicklungsländern unerschwinglich. Doch mit Hilfe eines speziellen Einladungsprogramms der Buchmesse sind 24 unabhängige Verleger aus der ganzen Welt zu Gast - mitfinanziert vom Auswärtigen Amt, organisiert von litprom, einem Verein, der Literatur außerhalb der westlichen Welt fördert. Zum Programm zählt auch ein Workshop, der die Büchermacher fit machen soll für das internationale Geschäft.

Raubkopien und Korruption

Das ist auch für Benoit interessant, obwohl Südafrika eine hochentwickelte Verlagslandschaft hat. "Mein Verlag ist noch ganz klein, ich bin noch unbekannt. Aber wenn ich verstehe, wie ich die Buchmesse als Plattform am besten nutze, hilft mir das für die nächsten Jahre, noch wichtigere Dinge zu tun.“

Ähnlich sehen das die andern Gäste des Einladungsprogramms, Verleger aus Asien, Lateinamerika, der arabischen Welt und anderen afrikanischen Ländern. Für die meisten ist es der erste Auftritt in Frankfurt. Eine Chance, sich mit Büchermachern aus Deutschland und aller Welt zu vernetzen - und untereinander. Denn im Prinzip kämpfen alle mit den gleichen Problemen, sagt Corry von Mayenburg, die das Einladungsprogramm leitet: "In vielen Ländern wird das Copyright nicht geachtet, viele Raubkopien sind unterwegs, Korruption ist ein Problem und von staatlicher Seite gibt es oft nicht genügend Unterstützung." Etwa weil keine Programme existieren, die Übersetzungen fördern.Oder weil der Buchmarkt von ausländischen Verlagen dominiert wird und eigene Produkte chancenlos sind.

Ein Junge in Südafrika liest ein Buch, während andere Jungs Fußball spielen (Foto: BK Publishing)
Lesen - so cool wie KickenBild: BK Publishing

Die eigene Kultur achten

Genau das hat die Kinderbuch-Autorin Béatrice Gbado aus Benin in den 1990er Jahren erlebt: "Ich bin in Cotonou in die Buchhandlung gegangen, damals gab es nur eine einzige. Und was hab ich da gefunden? Bücher, die von Erdbeeren, Kirschen und Schnee erzählt haben. Da dachte ich, davon mag ich meinen Kindern nicht erzählen.“

Sie beschloss, etwas Eigenes dagegenzusetzen. Die Kinder in ihren Büchern toben nicht im Schnee, sondern fahren Fahrrad oder Einbaum. Sie leben einer Kultur, die in ihrem Land verwurzelt ist statt irgendwo in Europa. Doch Béatrice Gbado fand niemanden, der ihre Bücher publizieren wollte. Schließlich gründete sie selbst einen Verlag: die Edition Ruisseaux d’Afrique. Der Name ist Programm: Aus kleinen Wasserläufen (ruisseaux) werden große Flüsse. Und sie alle haben ihren Ursprung in Afrika.

So will Béatrice Gbado dazu beitragen, dass Jugendliche nicht glauben, sie müssten ihr Land verlassen, um ein gutes Leben zu führen. Keine einfache Aufgabe in Benin, wo nur rund die Hälfte aller Menschen lesen kann - doch die Zahlen gehen steil nach oben. "Das ist ein Wahnsinn! Man muss total dahinterstehen, und man muss sehr kreativ sein, um Lösungen für jede einzelne Etappe zu finden.“

Bücher des Verlags Edition Ruissaux d'Afrique, Benin (Foto: DW/Bach)
Nah am Alltag Afrikas: Bücher der Edition Ruissaux d'AfriqueBild: DW/A. Bach

Skepsis und Neugier

Zumal die Regierung die Buchbranche weitgehend ignoriert. In Senegal, Niger und auch in Frankreich ist ihr Verlag bekannter als in Benin. Der Auftritt in Frankfurt hat Béatrice Gbado nun auch Kontakte in Deutschland gebracht: „Hier gibt es Buchhandlungen, die für internationale Vielfalt stehen, die englische und französische Bücher anbieten. Einige können sich schon vorstellen, unsere Bücher zu verkaufen!“

Doch nicht immer sind deutsche Geschäftspartner so aufgeschlossen wie die Verleger hoffen. Salwa Shakhshir aus Jordanien, die ein ambitioniertes Jugendbuchprogramm samt E-Books anbietet, war überrascht davon, wie rasch deutsche Verleger ihre Bücher allein mit Blick aufs Cover ablehnten. "Die sind sehr konservativ“, findet Salwa, "sie sind eine bestimmte Art von Bildern gewohnt - das, was auf dem Markt seit Jahren gängig ist."

Doch es gibt sie, die neugierigen, aufgeschlossenen Verleger, für die das Einladungsprogramm eine Fundgrube ist. So wie Stephan Trudewind, dessen Edition Orient sich auf zwei- oder mehrsprachige Kinderbücher spezialisiert hat. "Ich als kleinerer Verlag kann nicht in all diese Länder fahren, um mir die dortigen Buchmessen anzuschauen. Es gibt hier einige Verlage, die findet man nicht mal auf der Kinderbuchmesse Bologna. Da ist es wunderbar, dass einem hier in Frankfurt dieser Blick ermöglicht wird."