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Reparaturbetrieb Kommune

Nastassja Steudel24. September 2014

Immer mehr Flüchtlinge und Asylbewerber kommen nach Deutschland. Für die Kommunen ist das kaum mehr zu bewältigen. Ein Spagat zwischen knappem Wohnraum und leeren Haushaltskassen.

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Ein syrisches Flüchtlingskind in Ingelheim geht an einer Deutschland-Flagge vorbei. Foto: Fredrik von Erichsen/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/Fredrik von Erichsen

"Asylanten-Pack" sei noch eine der netteren Bezeichnungen gewesen, die an jenem Abend fielen, erzählt Peter Hilbrands, Pressesprecher der westdeutschen Stadt Duisburg. Am Freitag (20.09.2014) hatten Vertreter der Stadt zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Der Oberbürgermeister und sein Sozialdezernent wollten die Menschen über die geplante Errichtung einer Notunterkunft für Flüchtlinge in einem stillgelegten Krankenhaus informieren. Zwischen die, die interessiert waren, mischten sich Rechtspopulisten, die es nicht nur bei Hass-Parolen beließen, sondern am Ende auch randalierten. Die Polizei musste eingreifen und die Veranstaltung vorzeitig beenden. Was es mit der Flüchtlingsunterkunft auf sich hat, ging zwischen Buh-Rufen und Pfiffen beinahe unter.

Das ehemalige St. Barbara Krankenhaus liegt im früheren Bergarbeiterstadtteil Neumühl im Duisburger Norden. Ab Oktober sollen etwa 300 Flüchtlinge in dem Gebäude untergebracht werden. "Dort bleiben sie, bis es eine Entscheidung über ihren Asyl-Antrag gibt", erklärt Peter Hilbrands. Das könne zwischen zwei und sieben Tagen dauern. Anschließend werden sie auf verschiedene Städte in Nordrhein-Westfalen verteilt, denn das Krankenhaus soll eine Landesunterkunft werden. Dadurch trägt das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Kosten für Unterkunft, Versorgung und Betreuung und das wiederum soll die klamme Haushaltskasse entlasten. Allerdings nur für drei Jahre - dann wird das Gebäude abgerissen.

Zeltstadt auf dem Sportplatz

Schon im vergangenen Jahr war die Einrichtung als Unterkunft für Asylsuchende im Gespräche gewesen. Nach heftigen Anwohnerprotesten war das Vorhaben aber wieder fallen gelassen worden. Ende August spitzte sich die Situation für die Stadt so sehr zu, dass sie Neuankömmlinge nicht mehr hätte unterbringen können. Daraufhin wurde auf dem Gelände eines Sportplatzes eine Zeltstadt errichtet. "Eingezogen" sei dort aber bisher niemand, sagt Peter Hilbrands "und da wird auch hoffentlich nie jemand wohnen". Nach dem die Sache publik wurde, hätte sich ein Aufschrei der Empörung über ihn und seine Kollegen ergossen. Kirchliche Einrichtungen hätten daraufhin Wohnungen angeboten - doch die reichen längst nicht mehr.

Die Zeltstadt in Duisburg Arnsberg. Hier sollten Flüchtlinge untergebracht werden. Foto: Federico Gambarini/dpa
Duisburg: Zelte sollten 150 Flüchtlingen Platz bietenBild: picture-alliance/dpa

Der Wohnraum fehlt

Das Thema "Flüchtlingsunterbringung" ist ein immer größer werdendes Problem für viele Kommunen in ganz Deutschland. Nicht, weil sie die Menschen nicht aufnehmen wollten. Viele haben schlicht zu wenig freien Wohnraum. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums beantragten von Januar bis August 115.737 Menschen Asyl in Deutschland. Das sind etwa 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien und dem Irak ist das nicht überraschend. Wie viele Flüchtlinge ein Land aufnimmt, bestimmt der sogenannte "Königsteiner Schlüssel". Nordrhein-Westfalen, das bevölkerungsreichste Bundesland, nimmt demnach 22 Prozent der Ankommenden auf. Bis August dieses Jahres waren das 22.405 Menschen.

In Köln leben davon 4100. Jeden Monat kommen derzeit 130 Flüchtlinge dazu. "Im Vorjahr waren es noch 65", sagt Henriette Reker, Sozialdezernentin der Stadt Köln. Diese Menschen muss die Stadt irgendwo unterbringen."Bei uns konkurrieren aber schon Personen mit einem geringen Einkommen mit Studenten und Sozialhilfe-Empfängern um den preiswerten Wohnraum." Angesichts dieser Situation müsste die Stadt fast jede Möglichkeit ergreifen, um die Flüchtlinge nicht am Ende in Turnhallen einzuquartieren, so Reker.

Henriette Leker, Sozialdezernentin der Stadt Köln. Foto: über Stadt Köln
Reker: "Städte sind die Reparaturbetriebe des Bundes"Bild: Stadt Köln

Keine "Relax-Atmosphäre" schaffen

Mit "fast jeder Möglichkeit" meint sie auch den Kauf eines zur Zwangsversteigerung freigegebenen Hotels im noblen Stadtteil Marienburg. Der Fall hatte deutschlandweit für Wirbel gesorgt. Besonders seit der Ausstrahlung eines TV-Beitrags über die Vier-Sterne-Herberge, in der goldene Wasserhähne, der Whirlpool und die Haus-eigene Sauna gezeigt wurden. Viele Zuschauer empfanden das als völlig unverhältnismäßig und ließen Henriette Reker dies in E-Mails und Briefen wissen. Dass die Stadt die Immobilie nach Einstellung des Hotelbetriebs umbauen will, hatten viele offenbar über ihrer Entrüstung nicht mehr gehört. "Wir richten einen einfachen Standard her", sagt Henriette Reker. Niemand solle sich jetzt vorstellen, dass dort eine "Relax-Atmosphäre" geschaffen würde.

Ihr sei es wichtig, den Menschen so viel Privatsphäre wie möglich zu bieten. So würden einige Zimmer zusammengeführt und Badezimmer beispielsweise zu kleinen Küchen umgebaut. Mehr aber auch nicht. Von einem Vier-Sterne-Standard sei da am Ende nichts mehr zu sehen. Andere Bürger hatten sich darüber beschwert, dass die Angestellten des Hotels ihre Anstellung wegen der Flüchtlinge verlieren und wieder andere konnten nicht verstehen, dass die Stadt auf die Gewerbesteuern verzichtet. "Man ist sich für kein Argument zu schade, um gegen diese unmittelbare Nähe vorzugehen", so die Einschätzung der Stadtdezernentin.

Das "Bonotel" in Köln soll zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden. Foto: DW/Gabriel Borrud
Wellness wird es nach dem Umbau nicht mehr gebenBild: DW/G. Borrud

Vom Bund allein gelassen

Neben knappem Wohnraum und verunsicherten Bürgern plagen die Kommunen zudem auch finanzielle Nöte. Von Bund und Ländern fühlen sie sich dabei massiv allein gelassen. Peter Hilbrands beschreibt es als große Kraftanstrengung, die die Städte hier zu leisten hätten. Man wolle ja humanitäre Hilfe leisten, bräuchte dafür aber auch die Mittel. Henriette Reker, Sozialdezernentin der Stadt Köln, sieht das genau so. Im vergangenen Jahr wurden in der Domstadt über 37 Millionen Euro für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen bezahlt. Etwa 15 Prozent der Kosten werden vom Land erstattet. Den Rest muss die Stadt selbst erbringen. Dass der Bund die Aufnahme weiterer Asyl-Suchender bestätigt habe, sei vollkommen richtig, betont Reker, nur müsse man sich dann auch an den Kosten beteiligen. "Es wird nicht daran scheitern, dass wir kein Geld haben, aber man kann den Euro eben nur einmal ausgeben. "